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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die mediale Landschaft unterliegt einem stetigen Wandel. Jedes neue Leitmedium beeinflusst die Nutzungsgewohnheiten der Konsumenten. Während die vergangenen Jahrzehnte von Radio und Fernsehen dominiert wurden, ist mit dem Internet eine zusätzliche mediale Großmacht auf dem Spielfeld erschienen. Wie genau sich die neuen Rezeptionsmöglichkeiten des Internets auf die Konsumgewohnheiten der Menschen auswirken, ist bislang ungenügend erforscht. Dabei besteht hier ein großer Handlungsbedarf, um sowohl Chancen als auch Gefahren dieser neuen Entwicklung eruieren zu können. Das Internet bringt eine neue Dimension der Verfügbarkeit medialer Inhalte mit sich. Die vorliegende Studie untersucht erstmals, wie sich dieses Phänomen auf die Gruppe der ‘Serienjunkies’ und auf deren eskapistische Tendenzen auswirkt. Die neue Omnipräsenz diverser TV-Formate wird besonders an der Distributionsform der Online Streams deutlich. Daher beschränkt sich das Forschungsfeld auf Konsumenten, die ihre Serien auf diese Weise beziehen. Als theoretisches Fundament des Buches dienen neben der Fachliteratur zum Thema Eskapismus auch Werke des Uses – and – Gratifications – Ansatzes. In der Studie wird zudem untersucht, inwiefern es sich bei exzessivem Eskapismus um eine Sucht handeln könnte. Hierbei wird sich an den Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO)orientiert. Zusätzlich wurde ein Experteninterview durchgeführt. Die Einschätzungen des Mediensuchtexperten Detlef Scholz sind praxisnah und berücksichtigen zudem die Einflüsse des Internets auf das Verhalten der Probanden. Ebenfalls wird das Format der TV-Serie definiert und die Funktionsweise von Online Streams erörtert. Aufgrund der aktuellen Relevanz folgt ein Überblick über die rechtliche Beurteilung von Streaming-Seiten. Die Methodik für die Befragung der Probanden ist der qualitativen Sozialforschung zuzuordnen. Die Auswertung erfolgt durch eine Kombination aus der sozialwissenschaftlich-hermeneutischen Paraphrase und der Typologischen Analyse. Mit Hilfe dieses ‘maßgeschneiderten’ Verfahrens können die Forschungshypothesen zum eskapistischen Serienkonsum adäquat überprüft werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3, Klärung des Suchtbegriffes: Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit exzessivem Konsum von Serien. Viele Nutzer konsumieren mehrere Stunden täglich. Daher erscheint es sinnvoll, der Frage nachzugehen, ob exzessiver Serienkonsum Suchtcharakter annehmen kann. Zunächst wird der Begriff der Sucht eher mit dem übermäßigen Konsum von psychoaktiven Substanzen wie Alkohol oder anderen Rauschmitteln verbunden. Jedoch treffen bei zwanghaften Verhaltensweisen die gleichen Gesetzmäßigkeiten zu. Allgemein wird Sucht als 'das zwanghafte Verlangen nach bestimmten Substanzen oder Verhaltensweisen[verstanden], die Missempfindungen vorübergehend lindern und erwünschte Empfindungen auslösen. Die Substanzen oder Verhaltensweisen werden konsumiert bzw. beibehalten, obwohl negative Konsequenzen für die betroffene Person und für andere damit verbunden sind.' (Täschner & Wanke,1985, S.13) In Bezug auf den zwanghaften Konsum von Serien würde sich dies folgendermaßen äußern: Missempfindungen des Alltags, wie Stress oder Langeweile, werden von dem Rezipienten mit Hilfe seiner Lieblingscharaktere ausgeblendet, obwohl er deswegen bspw. einen Arbeitsauftrag nicht erledigen kann. Die Wissenschaft ist sich heute weitestgehend darüber einig, dass sich Suchtverhalten nicht monokausal und linear entwickelt, sondern dass sich verschiedene Ursachen dabei interaktiv verknüpfen. So wirken sich z. B. die Art des gewählten Suchtmittels und das gesellschaftliche Umfeld auf den Prozess aus. (Ebd. S.13) Die dementsprechend hohe Komplexität der Suchtstruktur macht es schwer, im Forschungsprozess zu Ergebnissen zu kommen, bei denen einer Ursache genau eine spezifische Wirkung zugeschrieben werden kann. Wichtig ist daher die aufmerksame Betrachtung unterschiedlicher Faktoren, die dem eskapistischen Bedürfnis eine derartige Priorität verleihen, dass es suchtartige Züge annimmt. Neben der oben bereits erwähnten Bereitschaft auch negative Konsequenzen in Kauf zu nehmen, gehört zur Sucht, dass der Konsument immer stärker die Kontrolle über sein Verhalten verliert. Schließlich kommt es dazu, dass 'eine prozesshafte Abfolge in sich gebundener Handlungen kritisch geprüfte, sorgfältige und folgerichtig gesteuerte Handlungsabläufe ersetzt.' (Ebd. S.13) Durch den Verlust des eigenen Willens wird der Krankheitscharakter von Sucht besonders deutlich. Es kann zu einer Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung kommen und Sucht '[…] zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen des Individuums.' (Wanke, 1985, S.20) Der Vollständigkeit halber soll angemerkt werden, dass eine Sucht erst dann als Krankheit bezeichnet wird, wenn entsprechendes Verhalten nicht mehr nur vereinzelt, wie in einer '[…]Flucht- oder Unwohlsituation eintritt, sondern zu einem eigendynamischen, zwanghaften Verhalten wird, das sich selbst organisiert hat und sich rücksichtslos beständig zu verwirklichen sucht.' (HLS, o J., o.S.) Auch bei dem Vorliegen mehrerer Indikatoren ist es wichtig zu bedenken, dass die '[…] Übergänge von Genuss, Konsum, Missbrauch, Gewöhnung und Abhängigkeit[…]' fließend sind, und nicht zwangsläufig bei jedem Konsumenten aufeinander aufbauen. (Ebd.) Dementsprechend muss bei der Diagnose von Sucht sorgfältig vorgegangen werden, wobei die individuellen Faktoren und Begleitumstände in Betracht gezogen werden müssen. Die ‚Hessische Landesstelle für Suchtfragen‘ (HLS) gibt an, dass mangelndes Selbstvertrauen, Minderwertigkeitsgefühle oder Verantwortungsscheu ebenso in Sucht resultieren können wie Problemangst. (Vgl. HLS, o J., o.S.) In Bezug auf die verschiedenen Typen des eskapistischen Serienkonsums ist das Motiv der Problemangst dem Abschalter-Typus zuzuordnen. Faktoren wie mangelndes Selbstwertgefühl hingegen veranlassen Betroffene dazu, auf der Suche nach Identifikationsfiguren in eine alternative Realität abzutauchen, was dem Eskapismus Typ A entspricht. Ebenso wie die Onlinesucht, ist auch die Seriensucht bislang nicht als Suchterkrankung annimmt. Dementsprechend gibt es noch keine allgemeingültige Definition. Trotzdem kann mit Hilfe einer Reihe von Kategorien ermittelt werden, ob ein Verhalten Suchtcharakter gewinnt. Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebene ‚Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme‘ (ICD) führt hier acht Suchtkriterien an (DIMDI, 2008, o.S.). Diese beziehe ich auf Online Stream-bedingte Seriensucht: 1. Kontrollverlust: Der Rezipient kann nicht mehr frei darüber entscheiden, wann und wie viele Serien er streamt. 2. Abstinenzunfähigkeit: Der Rezipient kann mit dem Streamen keine Pause mehr machen. 3. Wiederholungszwang: Es kommt zum routinierten, regelmäßigen Konsum von Serienstreams 4. Dosissteigerung: Eine Toleranzentwicklung führt mehr und mehr zu einem Anstieg des Konsums. 5. Interessenabsorption und -zentrierung: Für den Nutzer besteht die Priorität im Leben von nun an im Streamen der TV-Formate. 6. Gesellschaftlicher Abstieg: Durch den erhöhten Konsum kann der Nutzer seinen sozialen und arbeitsbedingten Pflichten nicht länger nachkommen und muss in beiden Lebensbereichen mit Sanktionen rechnen. 7. Psychischer und körperlicher Verfall: Aufgrund der vielen Stunden vor dem Computer und dem damit einhergehenden Bewegungsmangel kommt es zu gesundheitlichen Konsequenzen längerfristiger Entzug realer sozialer Kontakte manifestiert sich zudem in psychischen Störungen. Besonders das Kriterium des Psychischen und körperlichen Verfalls, tritt im Endstadium der Sucht auf. Wenn es im Falle von Seriensucht derartige Härtefälle gibt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die betroffenen Individuen durch den Forscher kontaktiert werden können. Schließlich halten sich die Rezipienten dann vornehmlich in der Serienwelt auf, was einer Befragung im Wege steht. Dementsprechend wird im Zuge der Feldforschung ermittelt, inwiefern die sechs anderen Suchtkriterien durch die Probanden erfüllt werden. Es ist schwer, allein auf Basis dieser theoretischen Grundlagen Hypothesen für Seriensucht zu formulieren. Dementsprechend ziehe ich ergänzend das Wissen eines Fachmannes hinzu, der in seinem täglichen Arbeitsleben mit verschiedenen Ausprägungen von Verhaltenssüchten konfrontiert wird. Im Zuge des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses liefert ein Experteninterview an dieser Stelle wertvolle Erkenntnisse über die spezifische Suchtdynamik: Detlef Scholz ist Mediensuchtberater bei der Evangelischen Suchtkrankenhilfe Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin. Bei seiner Arbeit in der Beratungsstelle ist Scholz auch in Kontakt mit Seriensüchtigen gekommen. Der größte Teil seines Klientels hat eine Abhängigkeit von Computerspielen aufgebaut. (Vgl. Scholz,2012, Z.15f.,59f.) Zwischen der Computerspielsucht und dem suchtatartigen Konsum von TV-Serien erkennt Scholz jedoch gewisse Parallelen. Abgesehen von dem Faktor der Interaktivität, der bei Computerspielen eher gegeben sei, gäbe es beim Serienkonsum ähnliche emotionale Zustände. (Vgl. Ebd., Z. 50f.) Wohl auch dadurch ist es zu erklären, dass sich Klienten aus dem Bereich der PC-Spiel-Sucht der Serien wie in Form einer 'Ersatzdroge' (Ebd., Z.48) bedienen. Laut Scholz bieten zudem beide dieser suchtartigen Verhaltensweisen für die Betroffenen die Möglichkeit, sich ohne große Anstrengungen aus dem Alltag zurückzuziehen. (Vgl. Ebd., Z.55f.) Eine besondere Gefährdung durch das Streamen vermutet Scholz vor allem in der 'Unmittelbarkeit' (Ebd., Z.100) der Konsumart. So sei es möglich, sich '[…]von morgens bis abends mit Streamen [zu] beschäftigen, ohne etwas anderes tun zu müssen.' (Ebd., Z.104) Im Vergleich zu dem Serienkonsum durch DVDs entfielen neben dem 'temporäre[n] Kontakt eines Kaufes[…]' (Ebd., Z.102) zu den Mitmenschen auch die Kosten. Auf diese Weise wird diese Sucht Scholz zufolge auch denjenigen ermöglicht, die nur über geringe finanzielle Ressourcen verfügen. (Vgl. Ebd., Z. 68f.) Scholz geht davon aus, dass genetische oder aus biografischen Erfahrungen resultierende Vorbelastung darüber entscheiden, ob ein Individuum suchtgefährdet ist. Dabei könne es sich dann aus einem breiten Spektrum von möglichen Spielarten der Sucht bedienen. (Vgl. Ebd., Z.133ff.) Durch die Seriensucht sieht er besonders phantasievolle Menschen bedroht, da es diese reizen würde, sich längerfristig in fremde Welten zu begeben. (Vgl. Ebd., Z.146f.) In der Praxis beobachtet Scholz, dass sich Betroffene oft dann in ihre Sucht flüchten, wenn sie mit einer Überforderung in der Familie oder in der Arbeitswelt konfrontiert sind. Wenn die Alltagsflucht suchtartig praktiziert wird, verschlimmert sich die Situation der Konsumenten meist noch, da Probleme nicht gelöst sondern nur verdrängt werden. Durch den dementsprechenden Anstieg des Stress wächst laut Scholz wie in Form eines Teufelskreises der Drang, sich erneut zurückzuziehen. (Vgl. Ebd., Z193ff.) Im Allgemeinen könne man nicht allein an der Intensität des Konsums erkennen, ob bereits eine Gefährdung durch Sucht gegeben sei. So sei es bspw. nicht weiter dramatisch, wenn ein Proband 'alle zwei Monate zwei Staffeln durchschaut' (Ebd., Z.89), wohl aber, wenn das eskapistische Verhalten sich nach und nach als 'hauptsächliche Möglichkeit [eingespielt hat], mit Dingen umzugehen […].' (Ebd., Z.87f.) Prinzipiell handle es sich - auch bei exzessivem Serienkonsum - stets um eine 'normale Freizeitbeschäftigung' (Ebd., Z.218), solange der Konsum nicht zu 'Veränderungen in der guten emotionalen Balance' (Ebd., Z. 218f.), oder der Vernachlässigung der anderen Lebensbereiche der Probanden führe. Um zu testen, ob Konsumverhalten bereits suchtartige Züge angenommen hätte, seien die durch die Wissenschaft festgelegten Nutzungsdauern nur bedingt geeignet. So läge zwar erst bei einer Konsumdauer von mehr als viereinhalb Stunden täglich eine 'Exzessivnutzung' (Ebd., Z.242) vor, doch gingen einige Wissenschaftler bereits ab einer tägliche Nutzung von mehr als zwei Stunden am Tag von einer erhöhten Gefährdung aus. (Vgl. Ebd., Z.238ff.) Scholz schlägt im Gegensatz dazu seinen Klienten vor, sich dem betreffenden Konsumverhalten bewusst für zwei bis drei Tage zu entziehen. Solange dieser Entzug ohne jegliche Probleme von statten gehen würde, scheine 'alles noch in Ordnung zu sein.' (Ebd., Z.256) Von besonderer Wichtigkeit im Kampf gegen die Sucht ist laut Scholz ein funktionierendes soziales Umfeld. Auch die Integration in die Arbeitswelt könne hier präventiv wirken. (Vgl. Ebd., Z. 204f.) In Scholzes Arbeitsalltag tritt die exzessive Rezeption von Serien vor allem als Mischkonsum mit PC-Spielen auf. (Vgl. Ebd., Z. 59f.) Trotzdem sind bei ihm auch Klienten in Behandlung, deren Hauptproblem Serien darstellen. Scholz kann zudem einen tendenziellen Anstieg der Fälle von Seriensucht beobachten. (Vgl. Ebd., Z. 63)

Über den Autor

Thordes Herbst ist gebürtige Wendländerin und schloss im Jahr 2012 ihr Studium der Medien und Kommunikation an der Universität Passau ab. Im Laufe ihres Lebens absolvierte Herbst zahlreiche Reisen im angloamerikanischen Raum, was u. a. in einem ausgeprägten Interesse für die dortige Serienkultur resultierte. Mit Hilfe der fundierten medienwissenschaftlichen Kenntnisse, die Herbst im Rahmen ihres Studiums erlangte, untersuchte sie die aktuellen Trends des anwachsenden Serienkonsums im Internet. Mittlerweile lebt die Autorin in Berlin und arbeitet als Redakteurin für den Internetauftritt Serienjunkies.de.

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