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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Erlebnis und Abenteuer haben Konjunktur: Ob im Erlebnisrestaurant, im Erlebnisbad, als Abenteuerurlaub oder als überlebensgroßes Plakat einer Zigarettenwerbung - Erlebnis und Abenteuer begegnen uns überall und erscheinen äußerst werbewirksam. In unserer durchorganisierten Gesellschaft existiert offenbar eine Sucht nach dem Außergewöhnlichen und Extremen. Das unbestreitbare Erlebnisdefizit wird von Industrie und Reiseunternehmen aufgenommen und kommerziell ausgenutzt. Dieser Erlebnishunger ist nicht nur Modeerscheinung, sondern ein Zeichen eines tiefen menschlichen Bedürfnisses. Sollen kirchliche Institutionen diesem Trend folgen oder hinken sie schon wieder hinterher? In diesem Buch wird Erlebnispädagogik als Dialog von Erfahrungen beschrieben. Der Austausch von religiösen Erfahrungen, kann, wenn er gelingt, zu einem Lernprozess für Adressaten wie Absender in der Religionspädagogik werden. Dazu möchte dieses Buch einen kleinen Beitrag leisten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2, Situation der Adressaten: 2.2.1, Jugendsituation: Die Jugendzeit wird immer länger. Begann sie früher frühestens mit der Pubertät und endete spätestens mit dem Eintritt in das Berufsleben, so hat sie sich an beiden Grenzen ausgeweitet. Die heute 9-14 Jährigen lassen sich nur schwer einordnen, ein Großteil legt aber Verhaltensweisen an den Tag, die man allgemein der Jugendphase zuordnet. Die Verfrühung wird durch Medien und Konsum begünstigt, da selbst für Kinder Angebote erreichbar sind, die eigentlich für Jugendliche bestimmt sind. Die Ausweitung nach hinten hat einerseits etwas mit der Verlängerung der Schul- bzw. Ausbildungszeit zu tun, andererseits gehören sogar Erwerbstätige (oder evtl. schon wieder Arbeitslose) immer noch zur Jugend. Sie sind zwar wirtschaftlich selbständig, aber ihr Privatleben (Freunde, Freizeitgestaltung, Medien- und Konsumverhalten, Musik etc.) gestaltet sich als der Jugendphase zugehörig. Durch die Verlängerung der Jugendphase wird diese auch immer vielgestaltiger und differenzierter. Es kann kaum ein einheitliches Bild von Jugend gezeichnet werden, vielmehr integriert Jugend, was ihr früher nicht zugerechnet wurde und schafft neue Formen und Phänomene. Wertewandel: Jugend ist heute keine Durchgangsphase mehr auf dem Weg des Erwachsenwerdens, sondern besitzt als Lebensabschnitt ihr eigenes Gewicht. Dies hängt eng mit der ökonomischen Situation zusammen. War früher die Motivation der Jugendlichen, sich anzustrengen, etwas zu leisten und evtl. zu verzichten, um später ein gesichertes Auskommen zu haben und damit ein gutes Leben führen zu können, verliert heute diese Sichtweise immer mehr an Bedeutung. Zukunftsunsicherheit und -angst und drohende Arbeitslosigkeit als Realität wirken sich auf die Gegenwart und Lebensweise der Jugend aus. Werte, wie Arbeit, Leistung, Wohlstand etc. geraten ins Wanken. Gesellschaftlich gesehen werden sie noch propagiert (‘Du lernst für dein späteres Leben’, ‘Wer sich anstrengt wird es zu etwas bringen’ u.s.w.), aber sie stimmen nicht mehr mit der Realität überein. Selbst wenn ich mich in der Schule und Ausbildung noch so anstrenge, es gibt keine Sicherheit, daß ich davon in meinem Berufsleben etwas habe oder überhaupt Arbeit bekomme. Die Schwierigkeit besteht aber darin, daß in unserer Gesellschaft der Einzelne trotzdem noch über die Arbeit definiert und bewertet wird: ‘Wer keine Arbeit hat, ist selbst dran schuld’. Das zumindest können die Arbeitenden sagen, die trotz sehr hoher Arbeitslosigkeit immer noch die Mehrheit ausmachen. Auch die Schule bereitet auf diese Weise die Jugendlichen auf ihr Leben vor. Es geht um Leistung und Normen als Voraussetzung für das spätere Arbeitsleben. Die Jugendlichen stehen in ihrer Unsicherheit dazwischen. Sie müssen sich neue Werte erarbeiten, die Menschen nicht nur über Arbeit definieren, andererseits müssen sie mit den alten Vorstellungen leben. Jugendliche leiden darunter. Denn die Realität sieht ja dann doch so aus, daß, wer nicht arbeitet nicht oder wenig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann (jede Art von Freizeitgestaltung kostet Geld). Perspektivwandel: Wenn die Zukunft so unsicher ist, gewinnt die Gegenwart immer mehr an Bedeutung. Das gilt aber hauptsächlich für die Bereiche, die nichts mit den alten Werten und Anforderungen zu tun haben (Freizeit). ‘Im traditionellen Sinne hieß Jung-Sein: ‘heute auf etwas verzichten, damit man morgen etwas hat. Heute etwas leisten, damit man morgen etwas wird’. Heute leben und orientieren sich viele Jugendliche nach der entgegengesetzten Devise: ‘Sich heute etwas leisten, heute auf nichts verzichten, sondern heute leben, weil man nicht so recht weiß, was morgen ist.’’ Also versucht man zu leben und alles, was sich einem in der Freizeit bietet, mitzunehmen, nichts zu verpassen, um sagen zu können: ‘Ich habe gelebt’. Daraus folgt, daß ‘das Jugendverhalten immer mehr zum strategischen Verhalten geworden (ist, d. Verf.): mit der Schule leben, die Berufsausbildung mitnehmen, mit den Eltern auskommen.’ Vorbilder: Jugend ist eine Phase des Suchens nach Identität. Dazu werden Vorbilder benötigt. Diese sind für die Jugendlichen schwer zu finden. Früher war es die ältere Generation, die Vorbilder bot oder zur Auseinandersetzung mit ihren Normen und Werten anregte. Wie oben bereits festgestellt, hat die ältere Generation aber überholte Werte und ist somit als Vorbild ungeeignet. Auch die Auseinandersetzung mit den Normen und Werten findet immer weniger statt. Die Jugend ist kaum noch in die Familie und in damit zusammenhängende Sozialstrukturen integriert, sondern lebt eher unter sich. Außerdem werden die Eltern zunehmend liberaler oder hilfloser, und so können sich Jugendliche immer weniger an ihnen reiben. Die Lücke wird aufgefüllt durch Ersatzrealitäten (siehe ). Im engen Zusammenhang mit den Vorbildern stehen Lebenskonzepte. Es gibt kaum tragfähige Angebote, auf die Jugendliche zurückgreifen können. Hier wird ebenso auf Ersatzrealitäten (siehe ) zurückgegriffen. Schule: Die Schule begleitet die Jugendlichen eine große Zeit ihres Lebens. Sie bestimmt ihr Leben und ihren Tagesablauf. Dabei wirkt sich die Schule aber auch problematisch aus. Schule ist zum größten Teil auf kognitives Lernen eingestellt. Der ganzheitliche Lernansatz, wie ihn Erlebnispädagogik beansprucht, fehlt. Besonders soziales Lernen (Kooperation, Konfliktfähigkeit, Solidarität...) hat wenig Platz in der Schule: Im Gegenteil, Schule lehrt Konkurrenz und Leistungsdenken. Das Schulsystem in Deutschland trägt außerdem zur Schaffung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft unter Jugendlichen und Kindern bei. Und die Trennung zwischen den zwei Klassen wird durch Leistung definiert. Jugendliche, die den Weg über Haupt- und Realschule gehen sind dabei von vornherein ins Abseits gedrängt. Für sie werden Entwicklungschancen und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt eingeschränkt. Das wirkt sich auch auf die Motivation aus und so sind viele selbst mit den Anforderungen der Realschule überfordert. Diejenigen, die aufs Gymnasium kommen, haben zwar einen besseren Status, aber für sie wird die Schule noch lebensbestimmender. Die Anforderungen steigen, der Leistungs- und Konkurrenzdruck wird größer. Demgegenüber wird die freie unkontrollierte Zeit immer geringer. Räume: Da Jugend eine Phase mit eigenem Gewicht ist, braucht sie auch eigene Räume. Jugendliches Leben außerhalb der Schule findet kaum noch innerhalb der Familie statt. Es werden vielmehr die Gruppen der Gleichaltrigen immer bedeutender. Diese Gruppen müssen sich Räume ihrer Umwelt als Lebensräume erschließen. Dies ist aber kaum noch möglich. Hier tritt natürlich ein Unterschied zwischen Stadt und Land zutage. In ländlichen Gegenden haben es Jugendliche nicht so schwer, sich Räume zu erobern. Allerdings ist es selbst hier so, daß sie oft versuchen, diese Räume in unmittelbarer Umgebung ihrer Lebenswelt zu besetzen (Dorfplatz o.ä.). Dabei können erneute Konflikte entstehen. Viel stärker ist dieses Phänomen natürlich in der Stadt bzw. Großstadt. Hier gibt es so gut wie keine freien Räume. Versuche von Jugendlichen sich Räume zu schaffen, führen meist zu Konflikten, Übertretungen oder sogar kriminellen Handlungen. Alles ist in Städten kontrolliert und der Versuch sich Freiheiten zu nehmen, führt zur Kollision mit der Gesellschaft. Der Charakter der Räume, sofern sich Jugendliche diese erschlossen haben, ist meist nicht für die Freizeitgestaltung geeignet. Als Folge treten Langeweile und ‘Abhängen’ auf. Andere Freizeitmöglichkeiten kosten Geld und können daher nicht immer wahrgenommen werden. Konsum: Daß Jugend zu einer immer längeren und damit bedeutenderen Phase wird, hat auch die Industrie erkannt und sich darauf eingestellt. Es gibt mehr als genug Werbung und Konsumangebote speziell für Jugendliche oder besser gesagt für die einzelnen Gruppen von Jugendlichen. Da Jugend, wie bereits oben erwähnt, auf der Suche nach Identität und eigenen Ausdrucksformen ist, kann die Werbung hier gut ansetzen. Die Jugend ist aber auch in der Lage, auf diese Angebote zu reagieren. Viele Jugendliche haben heute eine erstaunlich hohe Kaufkraft, bedingt durch regelmäßiges Taschengeld, eigenen Verdienst oder Verdienste aus Neben- oder Ferienjobs. Marketing- und Werbestrategien bestimmen dabei nicht unwesentlich das Konsumverhalten (durch Marktforschung). ‘Die Angebote des Judendkonsummarktes sind in der Regel betont ausdrucksintensiv, mit einer hohen Anmache, situationswechselnd, unverbindlich, augenblicksorientiert und kontrastreich.’ Und die Angebote sind breit gefächert. Der Aufwand, den die Industrie dabei betreibt, lohnt sich. Für Jugendliche übernimmt der Konsum (Mode, Musik, Freizeitgestaltung...) sehr oft identitätsstiftende Funktion. Das kann bis zum ‘Konsumstreß’ führen. Jugendliche sind bestrebt, immer auf dem neuesten Stand zu sein. Die Angebote sind dabei sehr wechselnd und kurzlebig. Die Wirkungsweise von solchen Angeboten läuft von der Werbung über die Gleichaltrigengruppe bis zum Einzelnen, der sich dieser Wirkungsweise oft gar nicht bewußt ist. ‘Das Jugendalter ist ein Experimentierraum, in dem Jugendliche um ihrer Entwicklung willen Grenzen erproben können müssen. Der Konsum basiert jedoch auf dem Prinzip des immer wieder neuen, grenzenlosen Verbrauchs und kann damit die erfahrbaren Grenzen für Kinder und Jugendliche gefährlich ins Ungewisse der Suchtgefährdung hinausschieben.’ Damit einher geht auch das Problem, daß das Gefühl vermittelt wird: ‘Du kannst ohne Sorge konsumieren, es ist genug da’. Wie das Verbrauchte wieder hergestellt wird, danach soll nicht gefragt werden. ‘Problematisch an der Konsum-Mentalität bei Kindern und Jugendlichen ist nicht, daß sie viel konsumieren, sondern daß sie verbrauchen - Güter, Natur, Beziehungen - ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie dies wieder hergestellt werden kann.’

Über den Autor

Frank Boßmann wurde 1972 in der Nähe von Dresden geboren. Er studierte Religionspädagogik und Sozialpädagogik in Moritzburg und Dresden und arbeitete in Kirchgemeinden, in der stationären Jugendhilfe und verschiedenen Kindergärten. Derzeit ist er Erzieher in einer evangelischen Kindertagesstätte in der Nähe von Dresden. Der Autor ist verheiratet, Vater von vier Kindern und wohnt in der sächsischen Kleinstadt Kamenz.

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