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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die hier vorliegende Studie widmet sich dem Zusammenhang von Migration und Schulerfolg. Dabei greift die Literaturstudie auf Konzepte der interkulturellen Pädagogik zurück und thematisiert deren Forschungslage. In einem ersten Teil werden die Erklärungsfaktoren für Schulerfolg unter Anwendung einer systemisch-konstruktivistischen Betrachtungsweise dargelegt. Hierbei blendet die Studie von der Makroebene der gesellschaftlich-strukturellen Ebene über zur Mesoebene Schule als Institution und zur Mikroebene des Schulumfelds und der Schulklasse . In einem zweiten Schritt stellt die Untersuchung drei Schulmodelle und deren Umgang mit Migration vor. Das erste Schulmodell ist das QUIMS-Projekt (Qualität in multikulturellen Schulen) des Kantons Zürich. Das Schulhaus St. Johann in Basel stellt das zweite Schulmodell dar. Das dritte Schulmodell ist jenes der Schule Hochdorf. Die drei Modelle werden auf konzeptionelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht und in Form eines Quervergleichs erörtert.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2, Gesellschaftlich-strukturelle Ebene: Mit dem Ausdruck ‘Schule als gesellschaftliche Mobilitätsmaschine’ bezeichnet der Migrationsforscher Gianni D`Amato (2000, zit. im Bericht der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, 2001, S. 28) die wesentliche Funktion des heutigen Schulsystems. Dabei weist er einerseits darauf hin, dass die Schule dem Einzelnen die Möglichkeit zur vertikalen Mobilität eröffnen kann. Etwas subtiler verdeutlicht der Ausdruck andererseits aber auch zwei weitere Tatsachen: Erstens zeigt er auf, dass wir in einer Gesellschaft leben, die den Ressourcenzugang über Schichtzugehörigkeit ‘regelt’. Diese Regelung wird dabei durch die ‘Maschine’ Schule vorgenommen. Zweitens zeigt sich eine durch die soziale Herkunft geschaffene Divergenz bezüglich der schulischen Ausgangslage der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Im Folgenden soll nun anhand des Erklärungsfaktors ‘soziale Herkunft’ genauer auf diese Divergenz eingegangen werden. 3.2.1, Soziale Herkunft: In seiner Studie aus dem Jahre 1994 ging Walo Hutmacher der Frage nach, ob Schulmisserfolg durch Einwanderung oder Schichtzugehörigkeit bedingt sei. Mit dieser Fragestellung grenzt sich seine Studie von den bisherigen Forschungsansätzen der 1980-er Jahre ab, welche die Ursache von Schulmisserfolg in der nationalen bzw. staatlichen Herkunft sahen (vgl. Hopf, 1987). Hutmacher kann in seiner Untersuchung durch die kategoriale Zuordnung von Berufen zur Schichtzugehörigkeit, die Elternangaben der untersuchten Schülerschaft hinsichtlich dem Beruf und das jeweilige Übertrittsalter eines Schülers in die Sekundarstufe aufzeigen, dass in Gruppen mit gleichem Sozialstatus sowohl schweizerische als auch ausländische Schüler prozentual in gleichem Masse den Übertritt an eine anspruchsvolle Sekundarstufe bewältigen. Daraus folgert er, dass die soziale Herkunft und weniger das Herkunftsland entscheidend für den Schulerfolg ist. Es ist offensichtlich, dass die Häufigkeit von schulischem Rückstand viel stärker mit der Sozialschichtzugehörigkeit korreliert als mit der Nationalität. Man kann sagen, dass für in Genf geborene und aufgewachsene Schüler die Variable ‘soziale Herkunft’ ausreichend ist, um die Unterschiede in der Bewältigung der Laufbahn durch die Primarschule für alle Schüler zu erklären, also auch für die schweizerische. … Je höher die gesellschaftliche Schicht, aus der ein Kind stammt, desto problemfreier durchquert es die Primarschule. Die nationale Herkunft zählt kaum (Hutmacher, 1995, S. 104f). Deshalb kommt Hutmacher zum Schluss, dass die Diskussion über das ‘Ausländerkind’ jener über das ‘Arbeiterkind’ weichen muss. Romano Müller, der sich in seiner Studie aus dem Jahre 1997 mit der Erforschung von sozialpsychologischen Grundlagen des schulischen Zweitspracherwerbs bei MigrantenschülerInnen beschäftigte und dabei zweisprachige SchülerInnen mit einsprachigen verglich, relativierte mit seinen Resultaten die Ergebnisse von Hutmacher. Müller (1997) stellt fest, dass ‘die Erklärung des bildungssoziologischen Reduktionismus, das Schulversagen des ausländischen Kindes sei zur Hauptsache sozioökonomisch bedingt’ (S. 287) nicht in dieser Einseitigkeit zutreffe. Vielmehr stellen für Müller (ebd., S. 287) ‘ethnolingualistische und sozioökonomische Faktoren’ Ursachen für ein vermehrtes, schulisches Versagen dar. Bezüglich der sozioökonomischen Faktoren, also der sozialen Herkunft, weist Müller darauf hin, dass diese statisch sind. Im Gegensatz dazu sind die ethnoligualistischen, also sprachlichen Faktoren veränderbar. Deshalb plädiert Müller für die Förderung linguistischer Fähigkeiten zur Schaffung von Schulerfolg bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (mehr dazu siehe Kpt. 3.3.3). Auch Moser / Rhyn (1999, 2000) richteten ihr Augenmerk bei der Erforschung des Lernerfolges von Schülerinnen und Schülern der 6. Primar- und der 8. Sekundarstufe auf den Einflussfaktor ‘soziale Herkunft’. Dabei stellten sie für ihre Festlegung einen Index aus Ausbildung der Eltern und der Anzahl zu Hause vorhandener Bücher zusammen. Hierbei zeigt sich bereits eine semantische Differenzierung des Begriffs ‘Schichtzugehörigkeit’. Während Hutmacher die soziale Herkunft nur mittels der Berufskategorien festlegte, ergänzen Moser / Rhyn den Indikator ‘Ausbildung der Eltern’ mit dem der ‘Anzahl zu Hause vorhandener Bücher’. Die Begrifflichkeit ‘Schichtzugehörigkeit’ wurde um jene der ‘Bildungsnähe’ erweitert. Damit einher geht auch die oben aufgezeigte Indikatorerweiterung. Die Resultate der Untersuchung auf der Primarstufe zeigen, dass bei gleichen Aufgabenstellungen in den Fächern Mathematik und Deutsch, Kinder und Jugendliche aus sozial niedrigen und bildungsfernen Elternhäusern 11% bzw. 12% weniger leistungsfähig sind als Kinder und Jugendliche aus sozial besser gestellten, bildungsnahen Elternhäusern. Moser / Rhyn (2000) kommen damit zum folgen Fazit: Die soziale Herkunft und damit die Bildungsnähe des Elternhauses sind für den Erfolg in der Schule von entscheidender Relevanz. Im Vergleich zur Bedeutung der Sprache ist die Bedeutung der sozialen Herkunft gar wichtiger für den Lernerfolg in Mathematik und Deutsch. … Die Forderung nach getrennter Schulung der Fremdsprachigen hätte demnach weniger homogene Klassen zur Folge als die Forderung nach getrennter Schulung von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher sozialer Herkunft (S. 85). Damit stellen sie sich einerseits gegen die Aussagen von Müller (1997). Weiter hebt Moser (2001, zit. in EDK, 2001, S. 130) in seiner Sekundäranalyse zweier Evaluationsstudien aus dem Kanton Zürich auch hervor, dass ‘Fremdsprachige unabhängig ihrer geografischen Herkunft mit zunehmender Aufenthaltsdauer in der Schweiz die Leistungsrückstände sukzessive aufholen’ (dazu mehr unter 3.3.3). Ein sozusagen ‘natürliches’ Ausgrenzen der ethnolingualen, sprachlichen Komponente wurde in der Studie von Donati / Mossi (2001) möglich. Die Tessiner Studie untersuchte italienische Schülerinnen und Schüler bezüglich deren Schulerfolgs. Die Besonderheit hierbei ist, dass nicht nur die Umgebungssprache und die Erstsprache identisch sind, sondern auch die kulturellen Differenzen verschwindend klein ausfallen. Damit wäre anzunehmen, dass die Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund bezüglich Schulerfolg besser abschneiden müssten, da sie nun um den Faktor Fremdsprache ‘erleichtert’ wurden. Erstaunlicherweise brachte diese Studie aber zu Tage, dass bezüglich des Faktors soziale Herkunft im Tessin eine gewisse Anomalie gegenüber der Deutschschweiz auszumachen ist. So weisen auch Kinder und Jugendliche mit italienischem Migrationshintergrund aus der Oberschicht und einem bildungsnahen Elternhaus, unabhängig davon, ob sie der zweiten oder dritten Generation entstammen, tiefere Schulerfolgsquoten auf. Walter Kurmann, welcher die Studie Donati / Mossi im Rahmen der EDK-Schriftenreihe ‘Studien + Berichte’ (2001, S. 24) analysierte, weist darauf hin, dass die einzige Differenz, die noch zwischen den Einheimischen und den Kindern und Jugendlichen mit italienischem Migrationshintergrund besteht, die nationale Zugehörigkeit sei. Daraus folgert Kurmann, dass sich die ‘fremde Nationalität auf das schulische Fortkommen negativ auswirkt’ (ebd., S. 24). Abschliessend kann aus den heutigen Forschungsresultaten trotz der Tessiner Anomalie die Wichtigkeit des Faktors ‘Soziale Herkunft’ bezüglich des Schulerfolgs von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eruiert werden. Aus der Sicht der Lehrperson muss festgehalten werden, dass die soziale Herkunft zwar mittelfristig statisch ist und damit nicht im direkten Einflussbereich der Lehrperson liegt. Die Erkenntnis und das Bewusstsein aber, dass einerseits in ‘je meiner’ Klasse davon betroffene Schülerinnen und Schüler sitzen und andererseits die Schule und deren Akteure Mitverursacher dieser gesellschaftlich-strukturellen Defizitlage sind, können die Lehrpersonen von Stigmatisierungen und ungerechtfertigtem Handeln abhalten, aber auch das Verständnis für die jeweilige Schülersituation wecken und nicht zuletzt die interkulturellen Kompetenzen der Lehrperson erweitern.

Über den Autor

Stephan Marti wurde 1979 geboren. Nach dem Masterstudium als Sekundarlehrer an der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz unterrichtete er mehrere Jahre als Klassenlehrperson an einer Sekundarschule. Neben der Unterrichtstätigkeit absolvierte Marti an der Universität Basel das Masterstudium in Erziehungswissenschaft, welches er 2013 mit summa cum laude erfolgreich abgeschlossen hat.

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