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- Die Spielgeschichte im pädagogischen Diskurs und als Medium
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 220
Abb.: 6
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im literaturdidaktischen Diskurs werden unter Spielgeschichten zumeist Literaturadaptionen für Kinder verstanden. Entsprechende Wissenschaftler erhoffen sich von der Spielgeschichte eine erhöhte Motivation im Literaturunterricht sowie eine Verbindung von klassischer Literatur und neuen Medien. Als problematisch empfinden viele vor allem die Verbindung der häufig als Elemente bezeichneten Bestandteile Spiel und Geschichte. Die Autorin ordnet und durchleuchtet den entsprechenden Diskurs, die verwendeten Ansatzpunkte und Begriffe und stellt ihm die medienontologische Betrachtungsweise gegenüber. Anhand der sich aus Diskurs und Medienontologie erschließenden Kriterien untersucht sie systematisch die CD-ROM Zwerg Nase - ein interaktives Märchen von Cornelsen in Hinblick auf Performanz und Struktur. Dabei steht bewusst die Medienart bzw. das Medienprodukt im Vordergrund und nicht der Vergleich mit der literarischen Fassung. Eine Mikroanalyse anhand von Transkripten beleuchtet genauer die Erzählstrukturen und eröffnet neue Perspektiven auf ein valides Vorgehen bei der Analyse einer hypermedialen Spielgeschichte. Im Anschluss wird anhand der Ergebnisse der literaturdidaktische Diskurs zur so genannten Spielgeschichte kritisch durchleuchtet. Die Autorin führt Defizite sowie Ansatzpunkte für die weitere Forschung an. Deutlich wird unter anderem, dass Begriffe wie Geschichte, Spiel und Medium und ein Denken in Elementen in diesem Zusammenhang wenig hilfreich sind und die viel zitierte Interaktivität in Spielgeschichten vielleicht gar nicht so interaktiv ist, wie sie erscheint. Begriffliche und methodische Alternativen werden vorgeschlagen.
Kapitel 4, Analyse der Spielgeschichte Zwerg Nase - ein interaktives Märchen : Zur Wahl des Beispiels und zum methodischen Vorgehen: Im Folgenden soll hier eine Spielgeschichte analysiert werden, bei der es sich nach Büngers Einteilung um eine Spielgeschichte im engeren Sinne handelt: die CD-ROM Zwerg Nase - ein interaktives Märchen . Interessant ist dieses Beispiel aus verschiedenen Gründen. So betont schon der Name zum einen die Adaption eines linear-organisierten Titels, zugleich aber auch die Interaktivität. Die Grafik in der Spielgeschichte enthält klassisch gezeichnete und gemalte Elemente, erinnert aber zugleich an die soeben dargestellte typisch realitätsnahe Computergrafik. Die Aktualität des Titels lässt den Schluss zu, dass sie sich auf dem neuesten oder zumindest einem neueren Stand der Technik befindet. Das Erscheinen im Verlag Cornelsen , der vor allem als Schulbuchverlag bekannt ist, deutet daraufhin, dass es sich um ein pädagogisch relevantes Medium handeln dürfte. Zugleich scheint auch hier eine Hybridisierung vorzuliegen: Der Titel erscheint als Edutainment in der Multimedia-Abteilung eines Schulbuchverlags, während ein klassisches Märchen normalerweise als klassische Literatur in einem Buchverlag erscheint. Ein weiterer Grund, die CD-ROM zur Betrachtung heranzuziehen, ist, dass sie trotz des Erscheinens in einem großen Verlag und der Ankündigung einer ganzen Märchen-Reihe sowie der Auszeichnung mit dem Software-Preis Giga-Maus (2003) für das beste Spiel, meines Wissens nach noch nicht einmal wissenschaftlich erwähnt wurde. Dies erstaunt noch mehr, wenn man die Kritik der Zeitschrift Eltern for Family liest, bei der den meisten bisher zitierten Literaturdidaktikern das Herz aufgehen müsste: Eine liebevolle Umsetzung des Märchenklassikers für spielbegeisterte Kinder, spannend von der ersten Sekunde an. So wird der PC zum Märchenerzähler. . Hier soll nun der Versuch unternommen werden, sich der Spielgeschichte mit Hilfe verschiedener Tertiär- und Sekundärmedien auf Struktur- wie auch auf Mikroebene zu nähern, so dass das Produkt und seine Anlagen möglichst ganzheitlich beleuchtet werden. Die Kategorien, unter denen diese Spielgeschichte dabei analysiert wird, leiten sich aus den beiden vorangegangenen Kapiteln ab. Nach einer kurzen Darstellung der Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen der CD-ROM und einer ebenfalls kurzen Zusammenfassung ihres Ablaufs beschäftigt sich der erste Abschnitt der Analyse vor allem mit ihren Darstellungsformen, also ihren Codierungsarten und Sinnesmodalitäten. Im zweiten Abschnitt sollen speziell die für die Struktur wesentlichen Aspekte genauer betrachtet werden. Dazu gehören auch Fragen nach den Ablaufstrukturen und der Dramaturgie der Inszenierung . Auch die Frage nach der Kohärenz wurde unter diesem Punkt aufgenommen. Beide Punkte und ihre Unterpunkte spielen ineinander und sind somit nicht unabhängig voneinander zu verstehen. Um eine zu stark auf die einzelnen Aspekte ausgerichtete Analyse zu vermeiden, wurde erst eine längere, nicht fokussierte aber beschreibende, beobachtende und erkundende Rekonstruktion der Spielgeschichte, ihrer semantischen und dispositiven Elemente und Strukturen festgehalten. Sie findet sich im Anhang der vorliegenden Arbeit. Dort findet sich auch eine Überblicksgrafik. Sie zeigt die begehbaren Räume der Spielgeschichte und ihre Verbindungen untereinander (vgl. auch Abb. 5). In beiden beobachtete Auffälligkeiten und Besonderheiten wurden den einzelnen Kategorien zugeordnet. Anhand des Transkripts einer Schlüssel-Szene werden im letzten Abschnitt noch einmal zentrale Punkte des Diskurses in einer Feinanalyse genauer untersucht. Danach sollen kurz die wichtigsten Unterschiede zu Hauffs Original angeführt werden, u.a. um noch einmal das Verhältnis von Medium und Inhalt zu beleuchten. Die wichtige Tatsache, dass ein Medienprodukt heutzutage im Medienverbund, also in Wechselwirkungen mit anderen Gesamtmedien und ihren Medienarten steht, soll mitbeachtet werden, auch wenn sie natürlich bei der Analyse eines Einzelmediums nicht im Vordergrund stehen kann. Zu den Transkripten: Da es sich bei der Spielgeschichte um ein hypermediales Medium handelt, genügt es für eine genaue Analyse nicht, das Spiel einige Male durchgespielt zu haben. Denn zum einen besteht es aus vom Spieler zusammensetzbaren Modulen und somit vielen verschiedenen, wenn auch teilweise nur leicht variierten möglichen Erzählungen, zum anderen ist es streckenweise ebenso flüchtig wie ein Film, nur nicht so einfach in derselben Variante erneut abspielbar. Teilweise ist es sogar ähnlich flüchtig wie ein Gespräch, da es kaum möglich ist, den genauen Ablauf der Inszenierung in ihrer jeweiligen Performativität noch einmal zu rekonstruieren. Zudem führt die Multimedialität zu einer enormen Komplexität, will man alle Codierungsarten ausreichend beachten. In der Konversationsanalyse wurde aus ähnlichen Problemen gefolgert, dass ein Gespräch - möglichst auf Video - aufgenommen und dann mit Hilfe eines speziellen Transkriptionssystems verschriftlicht werden muss, um reliabel und valide untersucht zu werden. Dabei sollen die Aufnahme und Protokolle der Originalsituation immer wieder auf diese zurück bezogen werden, um die eigene Interpretation in ihre Grenzen zu verweisen und den Bezug zum Originalmedium zu wahren. Aus ähnlichen Gründen soll hier mit Transkripten gearbeitet werden. Ein bloßes Erinnern der Spielabläufe kann nämlich nach der Rezeption zu erstaunlichen Veränderungen in der Erinnerung des Spielers führen. Es stellt sich daher die Frage, wie das Geschehen festgehalten werden kann, damit nicht erst lange in einer bestimmten Reihenfolge gespielt werden muss, um zum wiederholten Male an die Stelle zu gelangen, die verschriftlicht werden soll. Es gäbe sicher die Möglichkeit mit einer Digital- oder Videokamera vor dem Computer zu arbeiten. Dabei wäre es aber nicht nur schwierig, eine gute Qualität der Bilder und des Tons zu erreichen, sondern auch eine geeignete Position für die Kamera zu finden: Schließlich müssten die Eingabeinstrumente des Computers noch betätigt und gefilmt werden können sowie der Bildschirm im Blick sein. Die zu analysierende Spielgeschichte wurde also mit drei verschiedenen Anwendungen des Computers (also Medienarten in Tulodzieckis Sinn) aufgezeichnet: Mit Screenshots, die durch ein Bildbearbeitungsprogramm geöffnet und betrachtet wurden, mit einem MP3-Player mit Diktiergerät für den Ton, und mit einem speziellen, für die Forschung entwickeltem Programm zur Aufnahme von Bewegungsabläufen am Computer. Die Aufnahmen der letzteren beiden konnten über einen Mediaplayer auf dem Computer abgespielt werden sie sind damit ähnlich wie ein Video rezipierbar. Verschiedene Sinnesmodalitäten und Codierungsarten mussten also auf verschiedene Analysemedien verteilt werden. Ein großer Unterschied zwischen der Analyse einer Spielgeschichte und der von Gesprächen beruht auf der nicht-sequentiellen Struktur Ersterer. Natürlich könnte man bei der Spielgeschichte einen einzelnen Ablauf als eine Erzählung analysieren. Dabei stellt sich aber die Frage, ob diese Behandlung adäquat wäre. Der Spieler ist sich während des Spiels schließlich immer bewusst, dass er gerade eine Entscheidung fällt, dass auch andere Pfad-Möglichkeiten bestehen. Dies sollte berücksichtigt werden, zumal wenn man das gesamte Produkt, das vom Kind rezipiert werden kann, analysieren möchte. Dies ist im pädagogischen Kontext sicher sinnvoll. Dass hier folglich, trotz der Aufzeichnung nur weniger Spieldurchgänge, versucht wurde, möglichst alle Optionen zu transkribieren, hatte den Vorteil, dass immer wieder auf das Originalprodukt zurückgegriffen werden musste. Dies auch, um z.B. zu schauen, welcher Satz mit welcher Handlung einhergeht. Denn um den Einfluss der Analysemedien auf die Analyse und die durch sie bedingte Gefahr, sich von der eigentlichen Rezeptionssituation zu entfernen, möglichst gering zu halten, musste darauf geachtet werden, die verschiedenen Codierungsarten/Sinnesmodalitäten nicht unabhängig voneinander zu betrachten, sondern sie wieder zu einem Ganzen zusammen zu führen. Bei der Transkription selbst stellte sich nun die Frage, wie eine hypertextuelle und interaktive Struktur in einem linearen Medium dargestellt werden kann. Als einzige schlüssige Lösung erschien eine Unterteilung in Module, zu der eine Erläuterung welches Modul mit welchem kombinierbar ist, gehört. Dennoch dürfte es auf Dauer v.a. für die Lesbarkeit und Übersichtlichkeit des Transkripts sinnvoll sein, wenn hypertextuelle Strukturen auch mit Hilfe hypertextueller Texte dargestellt werden können. Zudem müssen für Multimedialität adäquate Darstellungsformen entwickelt werden, die nicht - aus alter Tradition herrührend - den Text in den Mittelpunkt stellen, sondern die verschiedenen Codierungsarten gleichberechtigt neben- und miteinander aufnehmen. Ein Versuch dazu soll weiter unten unternommen werden. Es wurde gezeigt, dass trotz der sich daraus neu ergebenden Probleme eine Benutzung anderer Medien unerlässliche Voraussetzung für eine genaue Analyse - vor allem der Feinstrukturen einer Spielgeschichte - ist. Dies hat zur Folge, dass eine weitergehende Medienkompetenz (nicht nur im instrumentell-technischen Sinne) als die, eine Spielgeschichte spielen zu können, beim analysierenden Wissenschaftler vorausgesetzt werden sollte. Dass es sich dabei auch um eine Generationenfrage handelt, ist anzunehmen. Natürlich ist auch die vorliegende Analyse aus einer spezifischen und prägenden Perspektive entstanden: Nämlich aus der einer Studentin der Erziehungs-, Literatur- und Sprachwissenschaften, die die ersten 20 Jahre ihres Lebens fast ohne die Sichtung jeglicher hypertextueller Struktur verbracht hat. Zwei Praktika in der Spielgeschichten-Produktion und eigene Produktionserfahrung mit interaktiven Texten sowie eine medienpädagogische Ausrichtung des Studiums haben dennoch auch andere Einblicke ermöglicht, die hoffentlich zu einer differenzierten Betrachtung beitragen können. Um ein Medienprodukt angemessen analysieren zu können, ist es aber vonnöten, sich neben formalen und inhaltlichen Aspekten auch die Produktions-, Rezeptions- und Distributionsbedingungen bewusst zu machen, zumal sich diese auf Gestalt, Inhalt und Beliebtheit des Produkts auswirken.
Katharina Jung studierte Erziehungswissenschaft, Linguistik des Deutschen und Neuere deutsche Literaturwissenschaft (M.A.) mit dem Schwerpunkt Neue Medien an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen sowie der FU und HU Berlin. Volontariat und Tätigkeit als Online-Redakteurin in einem Verlag. Zur Zeit freiberuflich tätig (Online-Redaktion/Konzeption im Bildungsbereich).
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