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- Die Schülermentorenausbildung Sport in Baden-Württemberg. Zwischen fachdidaktischen Ansprüchen und ausbildungspraktischen Wirklichkeitsfacetten
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2022
AuflagenNr.: 1
Seiten: 492
Abb.: 130
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Schülermentorenausbildung, in Zusammenarbeit von Baden-Württembergs Kultusministerium und vielen Sportfachverbänden durchgeführt, qualifiziert ausgewählte Jugendliche innerhalb des Schulsports. Zusätzlich ist die Ausbildung in die Qualifizierungsstruktur der Fachverbände integriert und wird für weitere Trainerlizenzausbildungen anerkannt. Mögliche Systemüberschneidungen oder Interessenkonflikte zwischen Schulsport und Vereinssport könnten diffizile Ausbildungsstrukturen entstehen lassen. Die Mentorenausbildung, rechtlich legitimiert durch einen mehrperspektivischen Bildungsplan, wird von Referenten der jeweiligen Sportfachverbände durchgeführt und verdeutlicht die Wichtigkeit von Abstimmungsmaßnahmen auf der konzeptionellen und fachdidaktischen Ebene. Eine bislang fehlende wissenschaftliche und unabhängige Bestandsaufnahme, orientiert an den fachdidaktischen Ansprüchen, soll ausbildungspraktische Wirklichkeitsfacetten erheben, um dadurch Passungen und Differenzen aufzudecken und Empfehlungen formulieren zu können. Orientiert am differenzanalytischen Forschungsansatz erweitert diese Studie das bisherige Forschungsfeld der Schulsportforschung um den außerunterrichtlichen Sport.
Textprobe: Kapitel 2.1.1 Kooperationen zwischen Schule und Verein: Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport möchte in Zusammenarbeit mit den Sportfachverbänden Schülerinnen und Schüler als Mentorinnen und Mentoren ausbilden (ZSL, 2021/22b), so der einleitende Satz der offiziellen Ausschreibung dieser Qualifizierung des außerunterrichtlichen Schulsports. Kooperation ist das Zusammenarbeiten von zwei oder mehreren Systemen, sodass das angestrebte Ziel den Nutzen aller Beteiligten verbessert (Gerstner, 2010, S. 70). Diese im Hinblick auf Kooperationen innerhalb des Bewegungsfeldes Laufen, Springen und Werfen zwischen Schul- und Vereinssport festgehaltenen Überlegungen könnte man auf die gesamte Breite des Schulsports und dessen meist mit Sportvereinen durchgeführten Kooperationen übertragen und als Maßstab für die Sinnhaftigkeit solcher Kooperationsvereinbarungen verwenden. Dabei sollte allen Kooperationspartnern die rechtliche Legitimation außerunterrichtlichen Schulsports klar sein, um unter dessen bildungstheoretischen Aspekten Zielformulierungen zu erörtern. Die Motive des organisierten Sports, sich finanziell und personell am außerunterrichtlichen Schulsport zu beteiligen, sind immer mit Blick auf eine bildungstheoretische Legitimation zu prüfen. Dies sind Beweggründe wie das Werben um Vereinsmitglieder, die Talentsichtung oder die Generierung von Nachwuchs im Trainer- und Schiedsrichterwesen. Im Mittelpunkt muss auch beim außerunterrichtlichen Schulsport der Mehrwert für den Lernenden und nicht der Mehrwert für den Vereinssport stehen. Um dies zu erreichen, sollte somit bei Kooperationsprojekten keinesfalls eine unreflektierte Übernahme, Inkludierung oder Adaption von Vereinssport oder Vereinstraining in den Schulalltag vorgenommen werden. Historisch betrachtet zeigen die Entstehung und das Interesse an Kooperationsformen jedoch lediglich einen Profiteur: den DSB, heute DOSB. Der organisierte Leistungssport als Aushängeschild für Politik und Prestige ist hierbei das wohl gewichtigste Argument. Die [erste] offizielle Aufforderung an die Schulbehörden, die schulische Leibeserziehung um den Faktor Leistungssport zu erweitern, kam im Jahre 1967 vonseiten des DSB (Adolph, 1979). In Nachahmung des Systems der Talentsuche und -förderung der UDSSR und mit Blick auf die Olympischen Spiele 1972 im eigenen Land führte der DSB in seiner Resolution zur Förderung des Leistungssports an, dass Leistungsstreben und Wettkampf einen wesentlichen Beitrag zur Bildung und Erziehung junger Menschen liefert und somit die Möglichkeiten schulischer Leibeserziehung erweitert. Am 7. Juni 1972 wurde dann von DSB, dem Bundestag, der Deutschen Sportkonferenz und der KMK ein Aktionsprogramm für den Schulsport verabschiedet mit der Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Schule und Verein, der Talentsuche und -förderung durch die Schulaufsichtsbehörden und die Fachverbände, der Einrichtung von Sportzügen an ausgewählten Schulen sowie der Gründung von Sportgymnasien und Zentralschulen für Hochleistungssport (vgl. ebd. S. 28 ff.). Der Wandel von Schule als Halbtagsinstitution hin zur Ganztagsschule brachte weitere große Veränderungen für beide Kooperationspartner. Diese Änderungen stellten die Schule vor die Herausforderung, das Nachmittagsangebot unter anderem mit außerunterrichtlichem Schulsport zu gestalten, während für viele Vereine das Trainingsangebot am Nachmittag wegfällt und sich auf die Abendstunden nach Ende der Ganztagsschule konzentriert. Da liegt es auf der Hand, dass diese Veränderung hin zu Ganztagsschule auch die Kooperationen zwischen Schule und Verein beflügelt und der Ganztagsunterricht sich für Sportangebote des organisierten Sports, durchgeführt von Vereinstrainerinnen und -trainern, öffnet. Die unterschiedlichen Studien kommen alle zu ähnlichen Ergebnissen und zeigen, dass über zwei Drittel aller Schulen mit knapp 65.000 Sportvereinen in Deutschland kooperieren (vgl. unter anderem Breuer & Wicker, 2008 Laging & Stobbe, 2011). Hierbei werden gemeinsame Angebote vor allem im Bereich des außerunterrichtlichen Schulsports gemacht. Der organisierte Sport beklagt immer wieder, in solchen Kooperationen nicht als gleichwertiger, pädagogisch bedeutsamer Partner akzeptiert zu werden (vgl. Derecic, Krüger, & Neuber, 2013, S. 35). Andererseits muss der Vereinssport, welcher innerhalb des außerunterrichtlichen Schulsports agiert, offen mit der Kritik reduzierter pädagogischer Ansprüche umgehen und durch pädagogische Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen Bereitschaft zeigen, auf die fachdidaktischen Ansprüche der für den Schulsport richtungsweisenden Lehr- und Bildungspläne der jeweiligen Bundesländer einzugehen und sie entsprechend umzusetzen. Sich auf die Erkenntnisse der Sprint-Studie (Altenberger & Höss-Jelten, 2006) berufend schreiben die Autoren dem außerunterrichtlichen Schulsport eine Brückenfunktion im Bereich von Kooperationen zwischen Sportvereinen und Schulen zu. Dies ermöglicht Sportvereinen eine aktive Mitgestaltung, durch welche Kinder und Jugendliche für den Vereinssport begeistert und gewonnen werden können. Solche Kooperationsformen sind sehr vielfältig und teilweise je nach Bundesland unterschiedlich. Eine solche Kooperation stellt die Ausbildung zum Schülermentor, in anderen Bundesländern auch Sporthelfer (Kap. 2.2.1) genannt, dar (vgl. ebd. S. 251 f.). Die Verantwortung für die motorische Entwicklung durch Bewegung, Sport und Spiel tragen beide Seiten gemeinsam. Sie können einander nicht ersetzen, doch gegenseitig unterstützen und gemeinsam dazu beitragen Kinder und Jugendliche zu lebenslangem Sporttreiben zu motivieren und qualifizieren (DSB, 2006, S. 259). Man sollte sich keinesfalls damit zufriedengeben, wenn Trainerinnen und Trainer oder Mentorinnen und Mentoren Trainingsinhalte, -methoden und -prinzipien aus ihrem Vereinstraining in eine Schulsport-AG oder eine Bewegte Pause eins zu eins übernehmen. Ein Training, aus Zweckmäßigkeit der Leistungsverbesserung, bis hin zur Wettbewerbsfähigkeit verliert die Lernenden aus den Augen. Dies kann beobachtet werden, wenn Sportlehrende in ihrer Freizeit im Leistungssport aktiv sind und Trainingspraktiken aus dem Leistungssport unreflektiert in ihren Sportunterricht übernehmen. Eine solche einseitige Rationalisierung führt dazu, dass der Sportunterricht in solchen Fällen nicht mehr seinem Erziehungs- und Bildungsauftrag gerecht wird. Sind elementare Inhalte des Vereinssports wie Training mit dem Sportunterricht beziehungsweise dem außerunterrichtlichen Sport denn überhaupt vereinbar? Ein klares Ja , wenn dabei reflektiert vorgegangen wird. Mit der Begrifflichkeit Training verbinden die meisten Vereins- und Leistungssport. Doch auch innerhalb des Schulsports findet sich unter anderem durch die Perspektive Das Leisten erfahren und reflektieren (MKJS, 2016a, S. 8) ein Aspekt, welcher durch Training erfahren und erlebt werden kann. Hinzu kommt, dass die Trainingswissenschaft bereits seit einigen Jahren von einem offeneren Trainingsbegriff spricht, welcher unterschiedlichste Anwendungsfelder wie etwa Erlebnissport, Gesundheitssport, Fitnesssport, Rehabilitationssport, aber auch Schulsport einschließt (vgl. Hottenrott & Neumann, 2016). Training als Teil des Sportunterrichts kann nur über sport- und trainingspädagogisch[e] Zugänge sowie methodisch-didaktisch[e] Überlegungen (Pargätzi & Schiemann, 2018, S. 3) gelingen, mit dem Ziel, dass die Schüler ein Training reflektieren und darüber hinaus auch eigenständig kritisch reflektiert trainieren können (ebd.). Nach den Rahmenrichtlinien des DOSB und den Richtlinien für Aus- und Fortbildung der Landessportbünde ausgebildete Lizenztrainerinnen und -trainer bringen sportfachliche Kompetenz und ein Grundwissen zum Erwerb von Handlungsfähigkeit im Sport mit, doch ohne Einblicke in die Inhalte und die didaktischen Prinzipien des jeweils aktuell gültigen Lehr- und Bildungsplans stellt sich die Frage nach der Legitimation solcher Sportangebote während der Schulzeit, für welche diese Curricula eine Verbindlichkeit darstellen. Selbiges sollte dann auch für Mentorentätigkeiten an der Schule gelten, weshalb bei der Ausbildung zum Schülermentor eine Vermittlung der Grundidee des Bildungsplans Sport selbstverständlich sein sollte. Ein Qualifizierungskonzept für Lehrende, wie in Nordrhein-Westfalen für die Sporthelferausbildung installiert, ist hierbei unerlässlich (mehr dazu in Kap. 2.2.1.1). Bei allen Synergien, welche Kooperationsmaßnahmen zwischen Schule und Verein mit sich bringen, darf letzten Endes der organisierte Vereinssport mit seinen festgelegten Formen, Normen und Inhalten sowie seinen Verbandstrainern nicht auf den Sportunterricht oder den außerunterrichtlichen Sport unreflektiert übertragen werden. Schulsport ist ein pädagogisch ausgewählter, akzentuierter und modifizierter Sport (vgl. Kurz, 2000). In den Worten von Balz und Frohn (2019, S. 4) muss das Heft des Handelns […] in den Händen der Schule bzw. Lehrkräfte bleiben, die dafür pädagogisch Verantwortung tragen und professionelle Kompetenz besitzen.
Michael Gerstner ist u.a. als Sportlehrer tätig. Seit 2014 ist er zusätzlich als Lehrbeauftragter und seit 2020 als abgeordneter Lehrer an der PH Schwäbisch Gmünd innerhalb der Lehramtsausbildung in der Abteilung Sport und Bewegung beschäftigt. Dabei liegen seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre bei der mehrperspektivischen Praxis-Theorie-Verknüpfung, Umsetzungsmöglichkeiten des Bildungsplans im Sportunterricht, sowie mehrpersepktivischen Vermittlungsansätzen im außerunterrichtlichen Schulsport. Systemüberschneidungen und Interessenskonflikte zwischen schulischem und organisiertem Sport erkannte der Autor auch innerhalb seiner eigenen Sportsozalisation und seinen Vereinstätigkeiten. Dieses Spannungsfeld, speziell im außerunterrichtlichen Schulsport beleuchtet der Autor mit seiner Forschungsarbeit, anhand einer Bestandsanalyse der Schülermentorenausbildung Sport in Baden-Württemberg.
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