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- Die persönliche Zukunftsplanung im Bundesteilhabegesetz. Entspricht das Umsetzungsvorhaben der Sozialpolitik den individuellen Wünschen der betroffenen Menschen?
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2019
AuflagenNr.: 1
Seiten: 178
Abb.: 23
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das vorliegende Buch befasst sich mit einem der aktuellsten sozialpolitischen Themen der deutschen Eingliederungshilfe, der persönlichen Zukunftsplanung im neuen Bundesteilhabegesetz (BTHG) und analysiert die tatsächlichen bzw. praxisnahen personenzentrierten Ansätze in der neuen Sozialgesetzgebung. Zur näheren Erörterung der durch die Sozialpolitik intendierten Personenzentrierung im BTHG wird in dieser Forschungsarbeit die Handlungsmethode Persönliche Zukunftsplanung (PZP) untersucht. Dafür werden die Entstehungskontexte, die Grundsatzziele und die resultierende Anforderungen der Methode zum einen und des neuen Gesetzes zum anderen durchleuchtet und die Implementierungsstände am Beispiel einer Einrichtung der Behindertenhilfe in Rheinland-Pfalz analysiert und bewertet. Diese Studie zentriert dabei die Grundfragestellung, ob die individuellen Wünsche der Betroffenen bzgl. ihrer persönlichen Zukunftsplanung im Einklang mit oder in Konkurrenz zu dem sozialpolitischen Umsetzungsvorhaben stehen.
Textprobe: Kapitel 3.2 Paradigmen, Betreuungskonzepte und Menschenbilder im gesellschaftlichen und zeitlichen Wandel der Sozialen Arbeit: Damit die zuvor dargestellten sozialpolitischen Veränderungen seit der Nachkriegszeit in Deutschland besser eingeordnet und für den weiteren Themenverlauf adaptiert werden können, ist an dieser Stelle ein kleiner Exkurs vorweg, in die Historie vor und während des Nationalsozialismus, mit Blick auf die Menschenbilder mit Sichtweisen auf Arme und behinderte Menschen, unabdingbar: Dieser Personenkreis ist in der Vergangenheit unterschiedlich anerkannt und unterstützt wor- den, häufig geprägt von einem christlichen Menschenbild und der Fürsorge, ohne eine nachhaltige Gesellschafts- oder Sozialstruktur dabei zu konstruieren. Erst zu Zeiten der Industrialisierung ist ein eindeutigeres System der Bedürftigenhilfe aufgebaut worden . Kirchliche und private Wohlfahrtsverbände, sowie Privatpersonen, Hilfsvereine und Kommunen haben Hilfe für Bedürftige geleistet, um die kapitalistische Gesellschaft aufrechterhalten zu können (vgl. Sagebiel 2014: S. 1). In Deutschland selbst ist seit 1924 das Fürsorgegesetz in Kraft getreten, ehe die Zeit des Nationalsozialismus eine negativ-prägende wird: Massen von Hilfsbedürftigen sind fortan durch den Missbrauch der Sozialen Diagnose selektiert worden, um die Ideologie des Nationalsozialismus durchzusetzen. Sie sind als >>unbrauchbare Rasse<< separiert, ausgesondert und zum Teil getötet worden (vgl. Böhling 2012: S. 12). Ein negatives Menschenbild über Minderheiten, wie Arme und behinderte Menschen, ist zu dieser Zeit eindeutig identifizierbar und prägt somit auch die Betreuungskonzepte von Selektion und Separation. In der Nachkriegszeit sind auch weiterhin separierende und von Exklusion geprägte Strukturen im Menschenbild und Betreuungskonzepten von Menschen mit Behinderung ersichtlich (vgl. Kapitel 3.1), während der Begriff Exklusion erst deutlich später gesellschaftsfähig in seiner Bedeutung wird. Sind bereits unterschiedliche Wechsel der Paradigmen für benachteiligte Menschen in der Historie klassifizierbar, so kann fortan der Wandel von Separation, Exklusion hin zur Integration und der aktuell noch immer andauernden Inklusionsdebatte beschrieben werden. Hinter jedem Paradigmenwechsel verbirgt sich eine verändernde Sichtweise auf Menschen mit Behinderung. Damit einhergehend begründen sich neue Betreuungskonzepte und Veränderungsprozesse in der Sozialen Arbeit. Eine exakte zeitliche Abspaltung der unterschiedlichen Paradigmenepochen gelingt nur schwerlich, lassen sich auch in einschlägiger Fachliteratur kaum eindeutige Jahreszahlen recherchieren. Nach Klauß (2015) liegt ein Indiz dafür in der historischen Gegebenheit genau solcher immer wiederkehrenden Paradigmenwechsel, in der die Grenzextreme Exklusion und Inklusion die Menschen bewegen (vgl. S. 15). Nach seiner Ansicht haben sich Menschen daran gewöhnt soziale Probleme durch separierende Teilhabe zu lösen. Als Alltagsbeispiele fungieren hierbei Sonderschulen und Werkstätten für geistig behinderte Menschen, aber auch ein Krankenhaus, in dem kranken Menschen separiert werden (vgl. ebd.: S. 18 f.). Solche systemischen Parallelen lassen sich nicht nur bei der Exklusion zeichnen, sondern kön- nen auch auf das Schlagwort Integration adaptiert werden, wenn beispielsweise in der aktuellen Flüchtlingsdebatte der Bundesregierung über die Integration ausländischer Mitbürger in Deutschland debattiert wird. Dabei ist Integration in den 1980er Jahren noch ein echtes Fremdwort gewesen (vgl. von-Rymon-Lipinski 2015: S. 209). Durch die immer wieder aufkommende und derzeit im Rahmen vom Bundesteilhabegesetz anhaltende Inklusionsdebatte, kommt es scheinbar erneut zu einem Paradigmenwechsel. Hierbei geht es um das Verhältnis von Angebot und Nachfrage und der sogenannten Fallsteuerung in Bezug auf sozialrechtlichem und vergaberechtlichem Paradigma (vgl. König/Wolf 2017: S. 26). Mit den verschiedenen Paradigmenwechseln gehen auch daran angepasste Betreuungskonzepte einher, die ihre Anfänge in der Nachkriegszeit durch das Errichten bzw. Erhalten und dem Ausbau von großen Komplexeinrichtungen haben. Seit den 1950er Jahren haben sich teilstationäre Modelle herausgebildet, die auch heute noch als Sonderkindergärten, -schulen, sowie Tages- und Werkstätten bekannt sind (vgl. Rohrmann 2011: S. 32). In den letzten Jahren ist der Trend von Wohn- und Betreuungskonzepten dann wiederum vielmehr auf die sogenannte Ambulantisierungswelle aufgesprungen, die im Zuge der vollständigen Implementierung des neuen Bundesteilhabegesetzes, jedoch wieder aufgelöst werden wird (vgl. Kapitel 2: Leistungsunterscheidung der Eingliederungshilfe). Auf diese Veränderungen und Anpassungen lässt sich das Drei-Phasen-Modell der Weiterentwicklung für Versorgungssysteme von Menschen mit Behinderung anwenden, welches auch Parallelen zu den Erkenntnissen und Darstellungen der sozialpolitischen Entwicklung aufweist, die im vorherigen Teilkapitel dargestellt worden sind. Nach diesem klassifiziert sich die erste Phase unter dem Schlagwort Institutionsreform im Sinne eines klassisch-medizinischen Modells. Die folgende Phase bezieht sich auf die Förderung der Tüchtigkeit von Menschen mit Behinderung und wird als De-Institutionalisierung bezeichnet, ehe die letzte Phase, dem Supported Living , dem Verständnis von Inklusion sehr nahe kommt (vgl. Scherer 2014: S. 222). Durch die Veranschaulichung dieses beispielhaften Modells kann ein Eindruck auf die Sichtweise von der Prägung der Menschenbilder an die Betreuungssysteme seiner Zeit aufgezeigt und nachvollzogen werden. Im Bereich der Menschenbilder im Zusammenhang mit Betreuungskonzepten sind in diesem Kontext auch die Wertevorstellung und Klärung von Auftragslagen hinzuzuziehen, die sich ebenfalls an den Wandel anpassen. Groß und Hövermann (2015) beobachten seit Mitte der 1980er Jahre eine neoliberale Wende in der deutschen Sozial- und Wirtschaftspolitik. Klassische Aufgaben des Sozialstaates werden dabei auf die individuell Betroffenen übertragen und somit ihnen die Verantwortung zugeschrieben (vgl. S. 42). Eine These dabei kann die steigende Anzahl von Bedürftigen sein. Jedoch reicht die monetäre Solidarität der Bürger für die Finanzierung professioneller Gesundheits- und Sozialsysteme nicht weiter und vollumfänglich aus. Betroffene Menschen werden dadurch im Menschenbild als selbstverantwortlich und befähigt angesehen – gemäß der Leitidee des Empowermentkonzeptes – und sollen auch in Zukunft nur noch notwendige und auf den Bedarf zugeschnittene Hilfen erhalten. Ein tieferer Einblick in die Entstehung und den dazugehörigen Grundsatzzielen wird in Kapitel 5.1. Rechnung getragen. Zusammenfassend zeigt sich aber bereits an dieser Stelle, dass das Menschenbild von Beeinträchtigten künftig mehr in den Fokus der Personenzentrierung, von der Fürsorge hin zur Assistenz, auch im Sinne der Eigenverantwortlichkeit, verschoben wird, im Vergleich zu vorherigen Sichtweisen. Ein Wandel von Institutionszentrierung, hin zur Personen- und Sozialraumorientierung, werden auch für die Professionellen der Sozialen Arbeit Herausforderungen darstellen und die Veränderung von Sichtweisen auf Menschenbilder und Betreuungskonzepten notwendig werden lassen (vgl. Scherer 2014: S. 223 f.). Denn auch in dieser Hinsicht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland ein Wandel vollzogen, der auch eine Veränderung in der Auftragsklärung/-lage mit sich zieht. Sind in den 1970er Jahren – einhergehend mit dem Normalisierungsprinzip – die Lösung sozialer Probleme hauptsächlich auf Kritik und Veränderung der Gesellschaft fokussiert, wodurch die Soziale Arbeit immer mehr als politische Beeinflussung verstanden worden ist, so entwickelt sich Anfang der 1980er Jahre zunehmend eine Auflösung dieser Konzepte hin zu therapeutischen Ansätzen (vgl. Bader 1999: S. 17). Die Motivation liegt unterdessen darin, die Beeinträchtigten und Hilfsbedürftigen zu kontrollieren, während die Gesellschaft in Form des Staates als Mandatgeber der Sozialen Arbeit auftritt. Die Soziale Arbeit fungiert somit auf der einen Seite als Kontrolle und zugleich aber auch als wirksame Hilfe für die Betroffenen. Dieses Spannungsfeld wird als >>doppeltes Mandat << der Sozialen Arbeit bezeichnet und findet seither Anwendung im Rahmen der Professionalisierung dieses Berufsfeldes (vgl. Schmid-Noerr 2012: S. 93). Mit zunehmender Zeit kristallisiert sich eine dritte Erhebung immer deutlicher heraus, die sich nunmehr bemüht, parallel zur verstärkten Entwicklung der Professionalität in den 1990er Jahren, auf das eigentliche Feld sozialer Praxis rück zu besinnen (vgl. Bader 1999: S. 18). Anstelle des doppelten Mandats, kann fortan von einem >>Trippelmandat << als Weiterentwicklung gesprochen werden. Demnach besteht nicht nur eine Verpflichtung hinsichtlich dem Staat und dem hilfsbedürftigen Menschen, sondern auch gegenüber der eigentlichen Profession (vgl. Schmid-Noerr 2012: S. 95). Legale und legitime Forderungen und Verpflichtungen werden somit auch beim Paradigmenwechsel hin zum Bundesteilhabegesetz auf den Prüfstein gestellt werden und sich dadurch die Anforderungen an alle drei Bezugsrahmen des Trippelmandats neu ausrichten, die es von den Betroffenen und Beteiligten auszubalancieren gilt.
Mario Müller, geb. 1988 in Landau/Pfalz, ist seit 2006 in verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Eingliederungshilfe tätig. Der Autor schloss die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger ab und studierte berufsbegleitend Sozialpädagogik & Sozialmanagement an der FHM Bielefeld/Köln, wobei er seinen Abschluss mit Auszeichnung erwarb. Derzeit ist er als Bereichsleiter für den Wohnbereich im St. Paulus Stift Herxheim verantwortlich und als freiberuflicher Dozent, u. a. für die Fachschule für Sozialwesen der Diakonie Mosbach und für die IUBH Internationale Hochschule, tätig. Durch seine berufliche und akademische Vita interessiert sich der Autor für Sozialforschungsbereiche in der Behindertenhilfe und teilt seine Erkenntnisse durch verschiedene Buch- und Fachverlagspublikationen. Kontakt: diefenbach.mueller@web.de
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