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  • Die paritätische Doppelresidenz: Eignung der wechselseitigen Kinderbetreuung in Folge elterlicher Trennung

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kinder sind unsere Zukunft. Dieser Satz ist häufig zu hören, wenn politische Debatten über Familie und Jugend geführt werden. Dennoch ist er unvollständig. Die Belange der Kinder sind nicht nur Zukunftsmusik, sie sind Gegenwart. Das Leben in ihrer Familie, Streit zwischen ihren Eltern, Versöhnungsversuche und letztendlich doch die endgültige Trennung verbunden mit einem völlig neuen Leben ist ihr Alltag, ihre Realität. Und auch wenn Eltern die Verantwortung für ihre Kinder mit der Loslösung vom Partner nicht abgeben, sondern vielmehr bewusster wahrnehmen sollten als je zuvor, überlagert die eigene Gefühlswelt häufig diese ihnen obliegende Pflicht. Somit liegt es dann in der Entscheidungsgewalt von Richtern und Richterinnen mit der Hilfe von fachkundigen Sachverständigen und den zugrunde liegenden Gesetzestexten, das weitere Leben der Kinder maßgeblich zu gestalten. In Zahlen ausgedrückt waren im Jahr 2011 rund 148.200 minderjährige Kinder von der Scheidung ihrer Eltern betroffen (vgl. Statistisches Bundesamt 2013: 50). Eine Sorgerechtserklärung wurde für 135.000 von ihnen abgegeben (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 7). Selbst ungeachtet der Familien, deren Trennung nicht statistisch erfasst wird, betrifft die offizielle Regelung des Sorgerechts und künftigen Aufenthalts eine Vielzahl von Kindern. Aufgrund der bedeutungsschweren Thematik und den genannten Zahlen beleuchtet dieses Buch eine Möglichkeit, der Pflicht zur Sorge und der Regelung des Aufenthalts für die eigenen Kinder infolge einer Trennung nachzukommen. Die paritätische Doppelresidenz, also die zeitlich annähernd gleiche Betreuung des Nachwuchses von beiden Eltern, findet zunehmend Einzug in die Gerichtssäle und Köpfe der Eltern. Somit stellt sich für die vorliegende Studie die Forschungsfrage, ob dieses Betreuungsmodell als gerichtlicher Standard für Beschlüsse in Sorgerechtsfällen geeignet erscheint und ob dessen Anwendung an Voraussetzungen geknüpft sein sollte.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.3 Theoretische Schlussfolgerungen für die Forschungsfrage: Die Frage, ob die paritätische Doppelresidenz als gerichtlicher Standard für Beschlüsse in Sorgerechtsfällen geeignet erscheint und ob dessen Anwendung an Voraussetzungen geknüpft sein sollte, wird nun mittels der dargebotenen rechtlichen Grundlagen überprüft. In sämtlichen Normen, sei es auf internationaler, nationaler oder deutscher Ebene, ergibt sich ein Anspruch des Kindes, von seinen Eltern gepflegt und erzogen zu werden, sowie regelmäßige persönliche Beziehungen und Kontakte zu erhalten. Auch wird stets die Verantwortung deutlich, welche Mutter und Vater für ihre Kinder grundsätzlich inne haben. Es ist die Aufgabe des Staates, über diese Verantwortung zu wachen. Bevor also ein Beschluss zur Regelung der Betreuung – in welcher Form auch immer - gefasst wird, ist auf das Einvernehmen der Eltern hinzuwirken. Hier sind zunächst alle vorhandenen Mittel auszuschöpfen. Dazu zählt beispielsweise der richterlich angeordnete Besuch einer Beratungsstelle. Die Wiederherstellung eines verantwortungsbewussten Handelns der Eltern sollte dabei das Ziel jeder Maßnahme sein. Es muss versucht werden, den Eltern die Bedeutung ihrer Haltung und Einstellung gegenüber ihrem ehemaligen Partner im Hinblick auf die Konsequenzen für das gemeinsame Kind bewusst zu machen. Können sie dennoch ihre Konflikte nicht eindämmen und droht dadurch womöglich ein Kontaktabbruch zu einem Elternteil, ist auch die Eröffnung eines Verfahrens nach § 1666 BGB in Betracht zu ziehen, um an die elterliche Pflichterfüllung zu erinnern. Dies ist eine wenig verbreitete Alternative, welche aber als verhältnismäßig angesehen werden könnte, wenn man davon ausgeht, dass ein Beschluss mit richterlich festgelegten Umgangszeiten eine dauerhafte Fremdbestimmung und damit ein langfristiger Eingriff in die Elternautonomie darstellt (vgl. Prestien 2013: 12). Im Idealfall führt die drohende Überprüfung der Erziehungsfähigkeit der Eltern zu einem Perspektivwechsel und ermöglicht eine erneute Verantwortungsübernahme für die Bedürfnisse des Kindes, anstatt auf den Konflikten der Paarebene zu verharren. Es sei erwähnt, dass dies keine gängige Methode darstellt und nur selten als Wahlmöglichkeit im Repertoire der Richter vorgesehen ist. Ist der Versuch erfolglos, zwischen den Eltern ein Einvernehmen herzustellen, erscheint das Wechselmodell grundsätzlich den Rechten des Kindes zu genügen. Es ermöglicht ihm, den regelmäßigen Kontakt sowie vorhandene Beziehungen aufrecht zu erhalten und Pflege als auch Erziehung von beiden Elternteilen zu erhalten. Allerdings wird in keinem Gesetz explizit deutlich, dass bei pflegerischer und erzieherischer Zuwendung durch Mutter und Vater eine zeitlich gleiche Betreuungsaufteilung zwingend notwendig ist. Es kann argumentiert werden, dass die Eltern durch Art. 3 GG gleichberechtigt sind und demnach auch das Recht haben, ihre Kinder zu gleichen Teilen zu betreuen (vgl. Mandla 2010: 507). Dies stellt jedoch eine elternfokussierte Betrachtung dar. Es soll nicht um die gerechte Aufteilung des Kindes an jeden Elternteil gehen. Aus diesem Grund muss eine rechtliche Prüfung aus der Perspektive der Kinder stattfinden. Alle Paragraphen, welche die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu den Eltern als Recht des Kindes einfordern, stehen unter der Voraussetzung, dass dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Schwab sieht die Verbindung von Umgang und Kindeswohl wie folgt: Der Umgang zwischen Kind und Eltern dient zweifellos dem Kindeswohl dann, wenn die getrennt lebenden Eltern sich auf ein vernünftiges Arrangement einigen und den Bedürfnissen des Kindes und des umgangssuchenden Elternteils in einiger Harmonie Rechnung tragen (2010: 370). Da für das Wohl des Kindes keine Legaldefinition existiert, müssen weiterführend die bereits herausgestellten Verfahrensschritte eingehalten werden. Die Beleuchtung der Auswirkungen einer Entscheidung auf das betroffene Kind durch einen unabhängigen Experten und das Kind selbst, als auch die einzelfallabhängige, vorrangige Berücksichtigung der kindeswohldienlichen Erwägungen (vgl. Maywald 2009: 20). Hier wird erneut die Notwendigkeit deutlich, das Kind an dem Verfahren zu beteiligen, um seine Interessen und Bedürfnisse im Sinne seines Wohls erkennbar werden zu lassen. Zudem ist das Kind als Subjekt und aktiver Gestalter seiner Lebenswelt zu sehen und hat das Recht, in das es betreffende Verfahren einbezogen zu werden. Dies kann durch die vorgesehene richterliche Anhörung und der Hinzuziehung eines Verfahrensbeistandes mitunter gewährleistet werden. Durch die Anhörung müssen die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes, wie auch die Beziehung zu seinen Eltern deutlich werden können. Es ist fraglich, ob ein lediglich juristisch ausgebildeter Richter eine solch psychologische Einschätzung vornehmen kann. Die Schilderung von Mandla: muss man sich tatsächlich vorstellen, dass dort drei in Roben gekleidete Erwachsene von einer Richterbank herunter auf ein Vorschulkind geblickt und nach seinem Intimleben gefragt haben? , verdeutlich das notwendige Feingefühl und eine entsprechend geeignetes Setting für ein solches Vorhaben (2010: 508). Denkbar wäre ein Gespräch in der gewohnten Umgebung des Kindes, bei seiner Mutter und/oder seinem Vater zu Hause und auf Augenhöhe. Zudem ist eine Anhörung lediglich eine Momentaufnahme, während sich das Leben in der sozialen Einheit der Familie wandelt. Wichtig erscheint für eine tatsächliche Partizipation deshalb die Hinzuziehung eines psychologischen Sachverständigen wie auch die Flexibilität, einmal verfasste Beschlüsse den sich verändernden familiären Umständen anpassen zu können. Grundsätzlich muss auch die Aus- und Weiterbildung von Familienrichtern bezüglich zusätzlicher, psychologischer Aspekte überdacht werden, um sicherzustellen, dass ihnen die Grundlagen zum Umgang mit den davon betroffenen Menschen und ihren Konflikten vermittelt wurden (Rudolph 2007: 69). Des Weiteren sollte ein Verfahrensbeistand regelmäßig hinzugezogen werden, um die Vertretung des Kindesinteressen bei einem sorge- oder umgangsrechtlichen Verfahren zu sichern. Es kann bemängelt werden, dass ein jeder als Verfahrensbeistand bestellt werden kann, ohne besondere fachliche Qualifikationen oder menschliche Kompetenzen aufzuweisen. Auch endet die Tätigkeit des Verfahrensbeistands mit der Beendigung des Verfahrens, womit es schwierig wird, einen eventuellen Änderungsbedarf der getroffenen Regelungen zu erkennen. Weitere Zweifel äußert Schürmann an dem Schutz eines Kindes vor elterlichen Konflikten allein durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes (vgl. 2012: 234). Da Eltern wie auch ihre Kinder als Beteiligte im Verfahren zu sehen sind und sich ihre Interessen durchaus unterscheiden können, kommen Mutter und Vater nicht immer als gesetzlicher Vertreter in Frage. Der Verfahrensbeistand kann zwar laut Gesetz die Belange des Kindes vertreten, ist jedoch nicht sein gesetzlicher Vertreter. Somit kann er unter anderem weder Willenserklärungen für das betroffene Kind abgeben oder entgegennehmen, noch Zustellungen empfangen. Um jedoch in nur geringem Maße in die Elternautonomie einzugreifen, hat sich der Bundesgerichtshof an dieser Stelle gegen die Bestellung eines Ergänzungspflegers ausgesprochen. Vielmehr reiche die Rolle des Verfahrensbeistandes aus, um die kindliche Interessen zu vertreten (vgl. ebd.: 238f). Rechtsprechung und Literatur sind überwiegend der gleichen Ansicht. Folglich bleibt es zu untersuchen, wie Beteiligte mit divergierenden Verfahrenszielen die gesetzliche Vertretung des Kindes realisieren können (ebd.: 239). Die paritätische Doppelresidenz ist als eine Alternative zu dem sonst üblichen Residenzmodell im Sinne der Kinderrechte denkbar. Allerdings ist zwingend darauf hinzuweisen, dass ein richterlicher Beschluss niemals einen Idealfall darstellen kann. Zudem muss das zu wählende Modell einer Prüfung des Kindeswohls standhalten. Dies gilt allerdings sowohl für das Residenz- als auch für das Wechselmodell. Es können Gründe vorliegen, welche den Umgang mit einem oder sogar beiden Elternteilen ausschließen. Dementsprechend ist die Anwendung eines Betreuungsmodells stets unter das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu stellen. Insbesondere die Tauglichkeit für das von dieser Regelung betroffene Kind ist dabei zu prüfen.

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