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  • Die ehemalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika: Kulturelle und sprachwissenschaftliche Relikte des Deutschen in Namibia

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Abb.: 15
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Warum sprechen manche Menschen mitten in einer afrikanischen Republik Deutsch? Nach wie vor bezeugen heute Schilder in deutscher Sprache die damalige Kolonialherrschaft des Deutschen Reiches in Namibia. Viele deutsche Straßennamen erinnern an eine Zeit, die nunmehr fast hundert Jahre zurückliegt. Die Untersuchung ist in drei Teile untergliedert. Der erste Teil ist ein kurzer historischer Abriss über die kulturelle Etablierung und Entwicklung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Dabei werden wichtige Ereignisse und Gegebenheiten besprochen, die in der weiteren Studie von Bedeutung sind. Der zweite Teil beschäftigt sich mit kulturologischen und sprachwissenschaftlichen Aspekten. Der Schwerpunkt liegt hier auf anthropozentrischen Erscheinungen sowie auf den Bereichen Identität und Ethnizität der deutschsprachigen Minderheit, sowohl während der Kolonialzeit als auch im heutigen Namibia. Der dritte Teil beinhaltet ausgewählte Aspekte und sprachliche Beispiele, anhand denen Besonderheiten der deutschen Sprache in Namibia aufgezeigt, analysiert und mit dem Deutschen in Deutschland verglichen werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 1.3.2, Das deutschsprachige Schulwesen in Namibia: In Namibia gibt es 18 Kindergärten und Horte, an denen Deutsch gesprochen und gelehrt wird, von denen sich zehn in Windhoek befinden. Von den 43 Schulen in Namibia, an denen Deutsch unterrichtet wird, befinden sich 20 in Windhoek. Die Schulen heißen meistens Sekundarschule (Secondary School), Oberschule (High School) oder Privatschule (Private School). Beim letzteren Schultyp ist für gewöhnlich auch eine Grundschule eingerichtet. Auffällig ist, dass keine der Schulen eine typisch deutsche Bezeichnung wie Gymnasium, Realschule oder Gesamtschule trägt. Bei der Verteilung der Bildungseinrichtungen wird deutlich, dass die Hauptstadt Namibias für die Deutschsprachigen der wichtigste Kultur- und Lebensstandort darstellt und somit zahlenmäßig auch am dichtesten von Deutschsprachigen besiedelt ist: Schätzungsweise über die Hälfte der Deutschsprachigen lebt in der Hauptstadt (Pütz 1995*: 251). Was die Beschaffenheit des Deutschunterrichts im Lehrplan betrifft, bieten fünf Schulen nur Deutsch als Muttersprache an, 31 Schulen bieten nur Deutsch als Fremdsprache an, und sieben Schulen haben beide Fächer im Angebot, jeweils staatliche und private Schulen zusammengenommen (ibidem: 8f.) Unabhängig davon ist die Frage, welche Sprache als Unterrichtssprache in allen anderen Fächern eingesetzt wird. An staatlichen Schulen wird ab der vierten Klassenstufe nur auf Englisch unterrichtet, während bis einschließlich zur dritten Klassenstufe gleichzeitig ein Zweig in einer anderen Unterrichtssprache angeboten werden kann, zum Beispiel auf Deutsch oder in einer indigenen Sprache. Der Grund für diese Einschränkung liegt darin, dass der namibische Staat den staatlichen Schulen nur für die ersten drei Schuljahre der Grundschule zusätzliche finanzielle Mittel für diese didaktische Herausforderung zur Verfügung stellt (Maier 2007: 14). Dafür herrscht an allen namibischen Grundschulen zusammengenommen eine große Vielfalt an Sprachen: Insgesamt wird in 13 Unterrichtssprachen gelehrt, davon sind drei europäisch und zehn indigene Sprachen (Brock-Utne 1997: 241). Privatschulen dürfen selbstverständlich von dieser Gesetzesregelung abweichen und machen dies auch meistens, indem zum Beispiel deutschsprachige Schulen Deutsch als Unterrichtssprache auch für ältere Jahrgänge anbieten, manchmal sogar bis zum Abitur. An allen deutschsprachigen Schulen belegen die Schüler eines der Fächer Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Muttersprache. (Springer 2009: 1) Vor allem Privatschulen bieten gezielt internationale Schulabschlüsse an. Darunter fallen das NSSC (Namibian Senior Secondary Certificate), das in Namibia und Südafrika anerkannt wird, sowie die DIAP (Deutsche Internationale Abiturprüfung), die in Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg und der Schweiz als Hochschulzugangsberechtigung akzeptiert wird (Fischer 2007: 26). Was den Nachwuchs an Deutschlehrern in Namibia anbelangt, herrscht gravierender Personalmangel. (Göbel 2007: 3) Zu wenige Studenten schreiben sich in die Studiengänge Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Muttersprache an der Universität in Windhoek ein, weshalb nicht ausreichend Lehramtsabsolventen zur Verfügung stehen, die diese Lücke schließen könnten (Gretschel 2007: 10). Selbst unter diesen ohnehin wenigen Studenten steuern viele einen Beruf in der freien Wirtschaft an (Kanzler 2007: 23). Die deutsche Sprache wird immer mehr nur ein Mittel zum Zweck. Die Pragmatik siegt auch hier wieder über die Identität, in diesem Fall geht es um Deutsch. Der dominierende, pragmatische Gedanke zeigt sich in alltäglichen Situationen, auch im schulischen Bereich. So schreibt Miriam Göbel, eine Deutschlehrerin an der Delta-Oberschule in Windhoek, über eine muttersprachliche Deutschschülerin: Ein Vater berief sich in Gesprächen immer wieder auf seinen Stolz dem Deutschen gegenüber: Er bewunderte Goethe, Schiller und viele mehr, hob deutsche Tugenden hervor – kurzum, er war auf seine deutsche Herkunft stolz. […] Seine Tochter wechselte eben in die 11. Klasse. Plötzlich tauchte sie im Fach Deutsch als Fremdsprache auf. Sie versprach sich davon mehr Punkte mit deutlich weniger Aufwand. Am Abend erfuhr der Vater von der versuchten Fachwahl seiner Tochter. Doch anstatt sie entsetzt zur Rede zu stellen, schalt er die Schule: Man müsse das ja wohl verstehen: Ihr Freund sei nun mal englischsprachig, die anderen Freunde ebenso und da läge ihr Deutsch nicht. Warum solle sich seine Tochter anstrengen, wenn es doch auch einfach ginge? (Göbel 2007: 3). Handelt es sich hierbei um einen partiellen Identitätsverlust eines deutschen Muttersprachlers, im dem Fall der Tochter, die von anderssprachigen Menschen negativ beeinflusst und zu einem Identitätswechsel verleitet wird? Oder ist der Tochter die deutsche Sprache ohnehin gleichgültig und ist es eher die Verlogenheit des Vaters, der sich anfangs als Deutscher über alles sieht, um später seinen herkunftsbezogenen Standpunkt abzuschwächen? Fest steht, dass sowohl für den Vater als auch für die Tochter die deutsche Sprache nur ein Kommunikationsmittel ohne tiefgründigere Bedeutung ist, zumal es ausreicht, Deutsch als Fremdsprache zu lernen, um sich mit einem entsprechenden fremdsprachlichen, also nicht muttersprachlichen, Idiolekt mit anderen Deutschsprachigen verständigen zu können. Dieses Beispiel zeigt, dass interkulturelle Relationen im kommunikativen Bereich zwischen Menschen verschiedener Sprachgemeinschaften nicht zwangsläufig zu einer positiven Erfahrung der Beteiligten führen muss. Das vorgelegte Beispiel ist kein Einzelfall, der den Rückgang der deutschen Sprache und deren Bedeutung für die Deutschsprachigen dokumentiert. Die Anzahl deutschmuttersprachlicher Schüler sinkt beständig: Seit Jahren ist die Gesamtzahl deutschsprachiger Schüler in Namibia rückläufig und die jährlichen Neuanmeldungen für Klasse 1 sind besonders in Windhoek erheblich zurückgegangen […]. Habe es im Jahr 1988 noch 2400 und vor fünf Jahren noch 2000 muttersprachlich deutsch Schüler an den AGDS-Mitgliedsschulen gegeben, so sei deren Zahl inzwischen auf 1850 geschrumpft […] (Fischer 2008). Die Gründe für diesen Rückgang beruhen nicht nur auf Änderungen der Mentalität der Deutschsprachigen gegenüber ihrer Muttersprache, sondern sind gleichwohl Folge von demografischen Veränderungen. So bedrohen Geburtenrückgang, Abwanderung und die Wahl von staatlichen Schulen mit Englisch als Unterrichtssprache, vor allem wegen der hohen Gebühren für Privatschulen mit Deutschunterricht, den strukturellen Zusammenhalt der deutschstämmigen Sprachgemeinschaft (ibidem). Das namibische Schulsystem basiert auf pragmatischen Kompromisslösungen, die dazu führen sollen, keine der Bevölkerungsgruppen im Land zu benachteiligen und Chancengleichheit zu ermöglichen. Das Englische als Unterrichtssprache an allen staatlichen Schulen ab der vierten Klassenstufe ist dabei Dreh- und Angelpunkt dieses politischen Mittelweges im Bereich der Didaktik. Folglich kann dies zu einer bedrohlichen Schrumpfung des Deutschtums zur Folge haben, dem jeder einzelne Deutschsprachige allerdings aktiv gegensteuern kann. 1.3.3, Deutschsprachige Institutionen und Betriebe in Namibia: Die vielfältigen deutschsprachigen Institutionen, die man in Namibia vorfindet, spiegeln das breite Spektrum des Identitätsbewusstseins der Deutschsprachigen wider, weshalb hier nur ein kurzer Überblick darüber vermittelt wird. Die Aktivität dieser Einrichtungen bezieht sich dabei in erster Linie auf kulturelle, gesellschaftliche, soziale, sportliche oder didaktische Bereiche des Lebens. Meist handelt es sich um Vereine, Stiftungen, Clubs, Vereinigungen, Gemeinschaften oder weniger formelle Gruppenkreise, die eine bestimmte Thematik innerhalb ihrer Polykultur verfolgen. Manche Einrichtungen bilden Dachvereine, wie zum Beispiel die AGDS (Arbeits- und Fördergesellschaft der Schulvereine in Namibia) oder der DKR (Deutscher Kulturrat), um bestimmte Interessen gebündelt und gleichgerichtet zu vertreten. Die Suche nach einer deutschsprachigen Partei in der Auflistung bleibt hingegen ohne Erfolg (Allgemeine Zeitung 2008: 7-16). Daneben werben auf Gewinn ausgerichtete Betriebe mit angeblich deutscher Unternehmensphilosophie oder sogar mit deutschen Wurzeln für ihre Waren oder Dienstleistungen in den drei Spezialbeilagen der Allgemeinen Zeitung. Viele Deutsche Namen prägen das Bild in den Anzeigen. Deutsche Traditionen werden gepriesen, aber was genau diese Traditionen ausmacht, wie sie sich gestalten, und ob es sich bei diesem oder jenem Betrieb überhaupt um deutsche Traditionen im engeren Sinne handelt, bleibt unklar und unterliegt der subjektiven Interpretation des Lesers oder des Kunden. Welche symbolische Bedeutung die deutschen Waren haben, liegt im Ermessen der Kunden. Kulinarische Köstlichkeiten wie das typisch deutsche Büffet im Hotel Deutscher Abend (Allgemeine Zeitung 2007: 18) oder Deutsche Markenprodukte im Supermarkt Woermann Brock (Allgemeine Zeitung 2007*: 13) bereiten wohl außer einer Gaumenfreude noch warme Gedanken an ein Deutschland in Europa. Prinzipiell gibt es in Namibia alles zu kaufen, was ein Deutscher braucht. Sogar deutsche Autos wie Mercedes, Audi und VW kann man etwa im Autohaus Windhoek erwerben. (ibidem: 14) Primär handelt es ich um Waren und Dienstleistungen, die offensichtlich eine gehobene, zahlungskräftige Kundschaft ansprechen sollen. Vor allem deutschsprachige Kunden werden gezielt beworben, zumal fast alle Anzeigen in den Beilagen auf Deutsch verfasst sind. Alles wirkt so deutsch wie in Deutschland, bis auf die Postleitzahlen und Telefonnummern der Unternehmen.

Über den Autor

Leszek Jaworowski wurde 1984 in Warschau geboren. Nach dem Abitur in Germering studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sein Studium der Amerikanischen Geschichte schloss der Autor erfolgreich mit dem Magister ab. An der Universität in Warschau absolvierte er seinen Master in Übersetzungswissenschaften. Anschließend besuchte er die Postgraduiertenstudiengänge in Finanzwissenschaft und Pädagogik an der Hochschule für Biowissenschaften in Warschau.

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