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- Die Diskrepanz zwischen Angeboten und Hilfe-Erwartungen bei Menschen mit affektiven Psychosen. Eine qualitative Studie aus dem Rhein-Erft-Kreis
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im ambulanten betreuten Wohnen ist die fachlich beste Versorgung von Menschen mit affektiven Psychosen essenziell. Doch zeigen sich vielerlei Diskrepanzen und Schwierigkeiten in diesem Bereich. So gibt es eine fachliche Sicht der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen, eine fachliche Sicht der Psychotherapeuten und Psychiater/Neurologen, eine fachliche Sicht der gesetzlichen Betreuer und strukturelle Gegebenheiten (beispielsweise in geographischer und anthropogeographischer Hinsicht). Jede Region, die untersucht werden könnte, weist hier Besonderheiten auf, die sich durchaus unterscheiden. Was sich jedoch nicht unterscheidet, ist die Tatsache, dass Nutzerinnen und Nutzer der Versorgungssysteme kaum oder gar nicht befragt werden. Die Verbesserung von Angeboten ohne Einbeziehung der tatsächlichen und potentiellen Nutzerinnen und Nutzer ist jedoch unentbehrlich, um Menschen die bestmögliche Hilfe und Versorgung bereitstellen zu können. Diese Forschung soll Einblick in die Diskrepanz zwischen Versorgung und Hilfewünschen geben und zum Diskurs anregen.
Textprobe: Kapitel 5 Sampling: Das Sampling beschreibt die Probenahme und umfasst damit sämtliche Überlegungen zu den Interviewpartnern und deren Relevanz für die Studie. Das Sampling umfasst weitergehend jedoch nicht nur die Wahl der Interviewpartner (Fallauswahl) aus einer Gruppe (Fallgruppenauswahl), sondern auch die Auswahl von Material bei der Interpretation (Auswahl des Materials, Auswahl im Material) und bei der Darstellung von Ergebnissen (Präsentationsauswahl) (Flick 2014: 155). Weiterhin umfasst es auch die Überlegungen dazu, ob es verschiedene Untergruppen innerhalb der Gesamtgruppe der potentiellen Interviewpartner, also der Menschen mit einer affektiven Psychose nach ICD-10, gibt und wie diese möglicherweise zu erreichen sind. Tatsächlich unterscheidet sich die Gruppe der Betroffenen hinsichtlich ihrer Symptomatik in sich. So sind Menschen in einer manischen Episode deutlich agiler und daher auch eher bereit an einem Interview teilzunehmen als solche, die gegenwärtig eine depressive Episode inklusive der Herabsetzung des Antriebes erleben. Menschen, die bisher [nur] eine Episode erlebt haben und danach nie wieder mit ihrer Erkrankung konfrontiert werden sind schwer erreichbar, da sie die gängigen Hilfesysteme nicht benötigen und somit kein Kontakt hergestellt werden kann. Ebenso schwer ist es, diejenigen Menschen zu erreichen, die eine so schwerwiegende Episode erleben, dass sie Angebote einer Klinik wahrnehmen und dadurch nicht erreicht werden können. Die verschiedenen Überlegungen wurden nachfolgend in einer Grafik dargestellt. Hierbei soll deutlich werden, dass lediglich eine anteilige Gruppe innerhalb der Gesamtgruppe der Menschen mit affektiven Psychosen erreicht werden kann […]. Es gibt eine große Vielfalt innerhalb der Symptomatik-Gruppe der affektiven Psychosen, die Gründe für eine potentielle Erreichbarkeit sind jedoch oft ähnlich. Tatsächlich ist es einigen Interviewpartnern nach eigener Angabe ein Anliegen, von ihren Erfahrungen berichten zu können und Teil an einer Forschung zu sein, gleichwohl gibt es auch Menschen, denen es Stress bedeutet, eine fremde Person zu treffen und persönliche Dinge preiszugeben. Auch besteht die Möglichkeit, dass Befürchtungen bestehen, durch das Erzählen in eine depressive Episode zu geraten, da auch nicht-gelungene Ereignisse auftauchen können, oder die generelle Konfrontation mit einer für das persönliche Leben so schwerwiegenden Diagnose23 Ablehnung bewirkt (vgl. Bräunig 2010: 32f.). Aus der Gesamtheit der Menschen mit affektiven Psychosen ist letztlich nur eine kleine Gruppe überhaupt direkt erreichbar. Sicherlich besteht die Möglichkeit, über Zeitungsannoncen, Flyer und Aushänge in Geschäften des öffentlichen Lebens weitere Menschen mit affektiven Psychosen zu erreichen und über das Forschungsvorhaben zu informieren, jedoch wird dies aufgrund des Aufwands nicht in Betracht gezogen. Für diese qualitative Forschung wird eine Anzahl von fünf bis neun Interviews angepeilt und mit sechs durchgeführten Interviews auch erreicht. Die Gruppe der Interviewpartner generiert sich im Fall der vorliegenden Abschlussarbeit aus der Gruppe derjenigen Menschen, die aktuell in einer stabilen, oder weitgehend stabilen Situation sind, und daher bereit sind, von ihren Erfahrungen zu berichten (In Abb.3 als Gruppe 8) dargestellt). Dennoch ist dies kein Manko, da auch hier eine große Bandbreite abgebildet werden kann, weil es in Bezug auf Geschlecht, Alter, Nationalität und sonstige andere Merkmale keinerlei Beschränkungen gibt. Eine weitere Möglichkeit wäre das Schneeballprinzip gewesen, was Flick als Weg […] von Fall zu Fall […] beschreibt (Flick 2014: 148 f.). So gesehen ist die Gruppe der Befragten zwar in einigen Eigenschaften ähnlich, was eine Maximierung der Ähnlichkeit der Daten bedingen kann, gleichzeitig sind die Befragten jedoch auch so verschieden, als dass es eine Ausleuchtung fundamentaler Unterschiede bedeuten kann (vgl. Glaser und Strauss 2008: 65) […]. Wie in der Tabelle dargestellt, ergibt sich im Prozess der Gewinnung von Interviewpartnern eine Erweiterung der Adressaten der Bewerbung des Forschungsvorhabens. In einem ersten Schritt richtet sich die Aufmerksamkeit an die Anbieter des Ambulant Betreuten Wohnens. Es werden Telefonate geführt und Werbung in den Mitarbeiterteams gemacht. Da die Response-Quote niedrig ist, wird die Gruppe der Nutzer der Sozialpsychiatrischen Zentren im nächsten Schritt angesprochen. Ebenfalls geschieht dieses über Telefonate mit den Leitungen und der Bewerbung des Vorhabens durch Aushänge. Sowohl in der Gruppe der Nutzer des Ambulant Betreuten Wohnen, als auch der Nutzer der Sozialpsychiatrischen Zentren wird den Interviewpartnern mitgeteilt, dass eine mündliche Bewerbung im Kreis der ihnen bekannten potentiellen Interviewteilnehmer für das Forschungsvorhaben einen Gewinn bedeuten kann. Hier melden sich zwei Interessenten, ziehen ihr Angebot zu einem Interview jedoch aus persönlichen Gründen wieder zurück. 6 Forschungsethische Aspekte: Der Begriff Ethik, der aus dem Griechischen […] stammt, bedeutet etwa das Verhalten im Gefüge, das die Sitte betrifft. Hierzu gehört, gerade in der sozialwissenschaftlichen Forschung das Verhalten des Wissenschaftlers mit der Thematik, mit den Subjekten und mit der eigenen Forschung. Das bedeutet, dass sich einem Thema, welches bearbeitet und beforscht werden soll, respektvoll und ehrlich begegnet werden soll. Auch die Subjekte, die auch als Beforschte bezeichnet werden, sollen so behandelt werden, dass sie weder geschädigt noch einem Risiko ausgesetzt werden, was Miethe und Gahleitner (2010) als Risikominimierung und Prinzip der Nichtschädigung bezeichnen (Miethe und Gahleitner (2010) in Bock und Miethe (2010): 574 576 f.). Dieser Bereich bedeutet für jede Forschung spezifische Herausforderungen und Bemühungen seitens der Forschenden (ebd.: 574). Im vorliegenden Falle dieser Abschlussarbeit wird die Mithilfe von Menschen benötigt, die an einem spezifischen Krankheitsbild leiden, um die Forschung überhaupt durchführen zu können. Subjektive Wahrnehmung, also letztlich sehr private Informationen, werden im Rahmen der Interviews zur Verfügung gestellt, damit die Arbeit geschrieben werden kann. Diese in einem freiwilligen Rahmen angebotene Offenheit, Zeit und Auskunft der Interviewpartner erfordert ein Höchstmaß an Anerkennung. Das bedingt auch einen respektvollen Umgang mit den Interviewpartnern, der Werte wie Ehrlichkeit, Offenheit, wertschätzende Neugier, Verbindlichkeit, Pünktlichkeit und auch Bereitschaft zur Kritik beinhaltet. Doch über die basalen Eigenschaften hinaus gibt es insbesondere im Fall der Krankheitsbilder die Herausforderung, dass durch das Erzählen über Krisen und allein die ungewohnte Interviewsituation mit einem Unbekannten möglicherweise negative Erlebnisse oder Traumata auftauchen, die eine Krise oder Re-Traumatisierung auszulösen vermögen (vgl. Rapolter 2009: 33f. vgl. Baker 2011: 86ff. vgl. Miethe und Gahleitner (2010) in Bock und Miethe (2010): 578). Hier gibt es sicherlich keinen umfassenden Schutz, die einzelnen Interviewsituationen erfordern Wachsamkeit und von vornherein das Angebot an die Interview-Partner, dass jederzeit Pausen, Unterbrechungen oder auch ein Abbruch möglich ist, um Sicherheit und Kontrolle nicht beim Interviewer zu belassen, sondern auf beiden Seiten darzustellen (vgl. Bräunig 2009: 47). Tatsächlich gibt es mehrere Interviews, bei denen Pausen eingelegt werden und die Interview-Partner äußern, dass manche Erinnerungen sehr starke Emotionen auslösen, so dass eine starke Verschlechterung der aktuellen Situation droht. Über diese menschliche Komponente hinaus gibt es jedoch auch für Forschungsarbeiten relevante ethische Aspekte, die von hoher Bedeutung sind. Das betrifft insbesondere den Datenschutz (Miethe und Gahleitner (2010) in Bock und Miethe (2010): 575 f.). Zwecks Aufklärung über den Datenschutz, wurde vor jedem Interview in einem Vorgespräch und vor der eigentlichen Aufnahme darüber aufgeklärt, was mit den Interviews geschehen wird, und dass alle Daten anonymisiert behandelt werden, um Rückschlüsse auf einzelne Personen zu verhindern. Um die gewonnenen Daten weiterverarbeiten zu können, wurde darüber hinaus eine Einverständniserklärung entwickelt und den Interview-Partnern vorab zur Unterschrift vorgelegt, um die Nutzungsrechte der Aussagen zu erhalten und Unsicherheiten zu vermeiden. Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) hat auf ihrer Internetpräsenz einen Kodex mit verschiedenen Punkten erarbeitet, die einen Standard für Ethik setzen sollen. Hier werden neben den bereits erwähnten Punkten explizit Anforderungen an die Forschenden gestellt (§1 Integrität und Objektivität), sowie an die Berücksichtigung und den Schutz der Beforschten (§2 Rechte der Proband/innen), aber darüber hinaus auch an die Publikation an sich, an Begutachtungen und den beruflichen Umgang mit Studierenden, Mitarbeiter/innen und Kolleg/innen . Für diese Abschlussarbeit sind insbesondere die Punkte der Integrität und Objektivität, sowie der Rechte der Proband/innen von großer Bedeutung. Unter §1 Nr. 7 wird darauf hingewiesen, dass die Arbeit als Forschender […] das Leben ihrer Mitmenschen beeinflussen[..] kann, und sich hieraus eine soziale Verantwortung ergibt, derer die Arbeit unterstellt werden soll und muss. Ergänzend ist auch die Aussage Przyborski und Wohlrab-Sahrs (2014) zu betrachten, nach der die […] glaubwürdigen Beweggründe für ein Interesse der Forscher an der persönlichen Sichtweise der Untersuchungsteilnehmer wichtiger […] sei, als ein weitergegebenes Detailwissen über den wissenschaftlichen Hintergrund des Projektes (Przyborski, Wohlrab-Sahr 2014: 62). Für die vorliegende Arbeit habe ich während jedem Arbeitsschritt die Frage der Ethik und Verantwortung im Umgang gestellt und die Arbeitsprozesse darauf abgestimmt. Alle Absprachen mit den Interviewpartnern waren und sind bindend, die Informationen die gegeben wurden entsprechen allesamt der Wahrheit und es wurde zu keinem Zeitpunkt versucht, unlautere Vorteile zu ziehen. Hingewiesen sei abschließend auch auf Flick (2014), der zur qualitativen Forschungsethik festhielt: Jedoch entfalten ethische Fragen ihre Dynamik erst im Feld und im Kontakt mit konkreten Personen und Institutionen. (Flick 2014: 69) Zusammen mit der weitergehenden Überlegung, dass in der Forschung oftmals ein Konflikt zwischen Erkenntnisinteresse der Forscher und persönlichem Interesse der Forschungsteilnehmer auftritt, ergibt sich ein Bild der Wichtigkeit ethischer Fragen für Forschung an sich und qualitative Sozialforschung im Besonderen.
Carsten Schliwa wurde 1989 in Bocholt geboren. 2017 schloss er sein Studium der Sozialen Arbeit an der Technischen Hochschule in Köln mit dem Bachelor ab. Bereits vor, aber insbesondere während des Studiums vertiefte er seine Interessen im Rahmen der praktischen Arbeit mit Menschen mit verschiedenen psychischen und physischen Behinderungen.
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