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  • Die bildungspolitische Debatte im Kontext der Neurowissenschaften: Handlungsorientierter Unterricht aus Sicht der Hirnforschung

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Idee für diesen Beitrag entstand aus dem in den Massenmedien vorzufindenden Diskurs zwischen Neurowissenschaft und Erziehungswissenschaft. Spätestens mit Veröffentlichung der zweiten PISA-Studie im Jahre 2004 haben führende Hirnforscher für zusätzliche Unruhe in der bildungspolitischen Debatte gesorgt. Der Handlungsorientierte Unterricht als modernes Konzept, das an kaufmännischen Berufsschulen den Status eines ‚offiziellen Leitkonzepts‘ erhielt, wird in diesem Beitrag angesichts der Ergebnisse aus der Hirnforschung untersucht. Falls der Handlungsorientierte Unterricht mit den neurowissenschaftlichen Erkenntnissen kompatibel ist, bedeute dies, dass dieses viel versprechende Unterrichtskonzept als ‚extern‘ validiert anzusehen ist.

Leseprobe

Kapitel 4, Rezeption lernpsychologischer und neurowissenschaftlicher Erkenntnisse in der Pädagogik: 4.1 Allgemeine Bemerkungen: Die Zielsetzung dieses Kapitels besteht darin, aus Sicht der Pädagogik auf die grund-legenden Verwertungsmöglichkeiten neurowissenschaftlicher Erkenntnisse hinzu-weisen. Bevor die Rezeptionsansätze und -modelle im Einzelnen vorgestellt werden, sind meines Erachtens einige allgemeine Bemerkungen sinnvoll, um die aktuellen Diskussionen zu diesem Thema nachvollziehen zu können. Der Lernbegriff wurde bereits unter verschiedenen Aspekten in Verbindung mit zwei Gedächtnismodellen beleuchtet. Dabei fällt die große Schnittmenge zwischen dem pädagogisch-psychologischen und dem neurowissenschaftlichen Verständnis auf, was daran liegen könnte, dass sich beide Ansätze gegenseitig beeinflusst haben. Beide Disziplinen – Psychologie und Neurowissenschaften bzw. Neuropsychologie – haben mit der Analyse und Prognose von menschlichem Verhalten ein gemeinsames Forschungsinteresse. Durch die Begründung der Neuropsychologie als einem Teilgebiet der Neurowissenschaften wird das gemeinsame Forschungsanliegen offiziell repräsentiert (vgl. SCHNEIDER/HOMMEL 2001, S.126). In den 1950er Jahren hat die Psychologie Eingang in die Pädagogik gefunden, wobei vor allem im Bereich der Lerntheorien mit den behavioristischen Erkenntnissen von Pawlow und später Skinner die grundsätzliche Kluft zwischen Psychologie und geisteswissenschaftlicher Pädagogik deutlich wurde. Im Gegensatz zu den ausschließlich mit Tierversuchen argumentierenden Forschern des Behaviorismus, sind die Neurowissenschaftler mittels moderner nicht-invasiver Verfahren wie PET und fMRT heute in der Lage, ihre Erkenntnisse direkt aus klinischen Studien zu gewinnen. Konfrontiert mit dem daraus resultierenden Erkenntnisfortschritt, gerät die Erziehungswissenschaft zunehmend in die Defensive und in einen Erklärungsnot-stand, der sich seit der Veröffentlichung der zweiten PISA-Studie im Jahr 2004 und die darauf folgende umfangreiche Berichterstattung in den Medien weiter zugenommen hat. Durch das mittelmäßige Abschneiden deutscher Schüler und wegen der angeblichen Rückständigkeit des deutschen Bildungssystems wird die Pädagogik zunehmend mit Forderungen konfrontiert, sich für einen verstärkten Wissensimport zu öffnen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu intensivieren (vgl. BECKER 2006, S.64). Wie stark sich diese Forderungen auf wissenschaftlicher und politischer Ebene bereits manifestiert haben, lässt sich an verschiedenen Stellen aufzeigen. So hat sich das bereits erwähnte, von Spitzer geleitete ZNL, das in wesentlichen Teilen von der baden-württembergischen Landesregierung finanziert wird, zur Aufgabe gesetzt, neue richtungsweisende Impulse für das deutsche Schulsystem im Bereich der Lehr-Lern-Forschung vorzugeben (vgl. BECKER 2006, S.98). Um die Situation, in der sich die Pädagogik momentan befindet, besser verstehen und einschätzen zu können, wird im folgenden Kapitel ein Rückblick auf die deutsche Bildungspolitik der 1960er Jahre unter dem Einfluss psychologischer Lerntheorien gegeben. 4.2 Psychologische Lerntheorien: Die bildungspolitische Großwetterlage in Deutschland war in den 1960er Jahren von Diskussionen geprägt, die sich mit der drohenden ‘Bildungskatastrophe’ auseinandersetzten, in deren Zentrum die Forderung nach empirischer erziehungswissenschaftlicher Forschung, insbesondere im Bereich des Lehrens und Lernens, sowie eine Verwissenschaftlichung der Lehrerbildung standen (vgl. RADTKE 2003, S.111ff.). In Folge dieser ‘Gesinnung’ erfreute sich die psychologische Lernforschung großer Popularität und führte zu einer Aufnahme psychologischer Lerntheorien in die Pädagogik. Insofern weist die damalige Situation durchaus Parallelen mit der aktuellen Diskussion auf. Damals vertraten einige Psychologen und Pädagogen die Ansicht, dass man ‘aus den empirisch-experimentell erzeugten Erkenntnissen über Lernvorgänge, neue, wissenschaftlich abgesicherte Lehrkonzeptionen und -methoden ableiten’ könne (BECKER 2006, S.65). ‘Wissenschaftlichkeit bzw. die wissenschaftliche Methode wurde zur allein noch vertretbaren Legitimationsgrundlage für Lehrplan, Didaktik und konkrete Unterrichtsarbeit’ (TERHART 2000, S.21). Im Bereich der Didaktik wurde von vielen Wissenschaftlern der Fokus auf die Neugestaltung von Lehrmethoden gelegt, die als einzusetzendes Mittel angesehen wurden, um Lernziele zu erreichen. Als wissenschaftlicher Bezugsrahmen wurde die psycho-logische Lernforschung angesehen, auf deren Grundlage die Lehrmethoden entwickelt werden sollten (vgl. BECKER 2006, S.66). TERHART (1983) gliedert die Neubestimmung der Lehr-Lern-Forschung in drei Phasen. Der ersten Phase liegt die vorherrschende behavioristische Lernauffassung zu-grunde, dass der richtige Input für den richtigen Output sorgt (vgl. BECKER 2006, S.67). Daraus folgt, ‘daß die Methoden des Lehrens aus den Gesetzen des Lernens abzuleiten sind’ (TERHART 1983, S.63). Die Unterrichtsmethode nimmt die Rolle eines Transportmittels ein, welche auf den Ideen des amerikanischen Psychologen Skinner und seinen Lernexperimenten mit Tieren beruhen (vgl. BECKER 2006, S.67). Vor allem das von Skinner (1954) initiierte programmierte Lernen stieß in pädagogischen bzw. didaktischen Modellen seiner Zeit auf große Resonanz (vgl. BECKER 2006, S.68 vgl. BOWER/HILGARD 1983, S.278f.). Ein Hauptanliegen des programmierten Lernens liegt darin, die zu lösenden Aufgaben in möglichst kleine Schritte bzw. Lerneinheiten aufzuteilen, um ein individuelles Lernen zu ermöglichen. Jeder Schüler kann in seinem Lern-Tempo Aufgaben lösen und Lernerfolge erzielen, die sich als ‘positive Verstärker’ günstig auf künftige Lernprozesse auswirken. Ein weiteres Anliegen gegenüber herkömmlichen Unterrichtsmethoden sah Skinner in der Notwendigkeit einer unmittelbaren Rückmeldung des Lehrers, ob die Schüler-antwort richtig oder falsch sei (vgl. BECKER 2006, S.69f.). Da sich die Umsetzung eines solchen unmittelbaren Feedbacks in einem herkömmlichen, vom Lehrer ge-steuerten Unterricht nicht verwirklichen lässt, bestand die Lösung für Skinner in ‘Lehrmaschinen’, die mittels Lehrprogrammen im Multiple-Choice-Verfahren den Lehrer als zentrale Instanz überflüssig machen sollten. Jedoch begrenzten die damals vorhandenen technischen Möglichkeiten seine ‘Vision’, einen programmierten Unterricht zur Schulrealität werden zu lassen (vgl. EBD., S.70).[…]

Über den Autor

Björn Widmann, Dipl.-Betriebswirt (FH) und Dipl.-Handelslehrer, wurde 1973 in Pforzheim geboren. Nach einer kaufmännischen Berufsausbildung und dem Erwerb der Fachhochschulreife begann sein akademisches Wirken mit dem Studium der Außenwirtschaft an der Fachhochschule in Reutlingen. Nach fünf Jahren beruflicher Tätigkeit im Bereich Marketing/Vertrieb bei namhaften Firmen begann ein neuer Berufsabschnitt, der den Autor an die Universität Hohenheim führte, um mit dem Studium der Wirtschaftspädagogik seiner neuen Aufgabe - dem Lehrerberuf - nachgehen zu können. Neben der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung wählte er das Fach Evangelische Theologie aus. Nach erfolgreichem Universitätsabschluss im Jahr 2008 und anschließendem Referendariat an einer Beruflichen Schule in Stuttgart widmet er sich seither mit großer Freude und Hingabe der anspruchsvollen Aufgabe des Lehrerberufs im beruflichen Bildungswesen.

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