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- Deutsche Sprache, schwere Sprache: Ursachen für die Problematik beim Erwerb der Zweitsprache Deutsch bei türkischen Kindern
Pädagogik & Soziales
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» Buch bewerten Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 164
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die empirische Studie zeigt auf, welche Ursachen für die Probleme der türkischen Kinder beim Erwerb der Zweitsprache Deutsch aus der Sicht der türkischsprechenden MuttersprachenlehrerInnen sowie der Eltern von türkischen SchülerInnen angegeben werden und welche Rolle die Muttersprache beim Erwerb der Zweitsprache spielt. Zu diesem Zweck führte die Autorin acht teilstandardisierte Leitfaden-Interviews mit jeweils vier MuttersprachenlehrerInnen und vier Elternteilen von türkischen SchülerInnen. Die Analyse der geführten Interviews basiert auf der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring. Abschließend wurden die Ergebnisse aus den Gesprächen mit den MuttersprachenlehrerInnen und die Aussagen der Eltern miteinander verglichen und zusammengefasst. Dieses Buch nimmt bei der Erstellung und Auswertung der Interviews Bezug auf die Langzeitstudie zum Thema ‘Spracherwerb in der Migration’ von der Linguistin Dr. Katharina Brizic.
Textprobe: Kapitel 2, Sprache des Menschen: Die Sprache kann als eines der bedeutendsten Grundbedürfnisse des Menschen bezeichnet werden. Die Fähigkeit eine Sprache zu erwerben ist angeboren und sie kann sich im Laufe der kindlichen Gesamtentwicklung und ihrer Reifung zu einem ‘funktionierenden’ System entwickeln. Sie wird in der Gemeinschaft mit anderen erworben und gebraucht. Sprachstörungen können den Prozess des Sprachsystems behindern und erschweren. Die Sprache ist das wichtigste Kommunikationsmittel, welches dem Austausch von Informationen und der Erfüllung von kognitiven und emotionalen Fähigkeiten dient. Menschen können mit ihrer erworbenen Sprache eine Beziehung zu anderen aufbauen, mit ihnen interagieren und kommunizieren (Informationsaustausch). Sie schafft eine Gemeinschaft unter den SprecherInnen. Die Sprache erzeugt eigene Gedanken, Emotionen können vermittelt, Kreativität und Fantasie ausgedrückt und Normen und Werte übermittelt werden. Durch sie kann Persönlichkeit und Identität entwickelt und zum Ausdruck gebracht werden (vgl. Rieder 2001, S. 20). Das folgende Zitat definiert die Sprache als ein Symbolsystem: ‘Sprache ist ein Symbolsystem, mithilfe dessen ein Individuum in der Lage ist, sowohl die äußere Welt als auch ihre innere Welt, sowie die Beziehung zwischen beiden zu beschreiben. Sprache ist eine eigene Welt, die zwischen dem Individuum und ihren äußeren Bedingungen vermittelt’ (Skutnabb-Kangas in Boeckmann 1997, S. 22). Die Sprache hilft die Welt bzw. die Realität zu erfassen und zu verarbeiten. Es entsteht ein starker Kontakt zwischen dem Menschen und seiner Umgebung bzw. seiner Umwelt (der äußeren Welt). In der Linguistik (Sprachwissenschaft) wird die Sprache als das Inventar an Wörtern, welche dem Menschen zur Verfügung stehen (Wortschatz bzw. Lexikon) und durch die Regeln der Grammatik (Kombination von Wörtern in einem Satz) gekennzeichnet sind, verstanden (Günther/Günther 2007, S. 31f.). Problembereich Sprache: Ein Kind, das keine Sprache intakt entwickeln kann und sie daher nicht ausreichend versteht, wird nicht die Möglichkeit bekommen seine Gedanken, Ideen, Gefühle und Wünsche auszudrücken. Als Ergebnis können Probleme vor allem in der Schule auftauchen. So kann durch Sprachprobleme z.B. eine starke Aggressivität entwickelt und Gewalt angewendet werden. Kinder können aber auch zu schüchternen und introvertierten Menschen werden, welche sich aus der Umgebung zurückziehen. Außerdem werden die schulischen Leistungen durch die Sprachschwierigkeiten negativ beeinflusst. Kinder können aus diesen Gründen die Motivation und die Freude an der Schule und den unterschiedlichen Fächern verlieren. Diese negativen Aspekte sollen aufzeigen, dass es sehr wichtig ist, Kinder beim Erwerb von Sprachen intensiv zu unterstützen. Dieses Kapitel soll mit einem türkischen Sprichwort von Mustafa Kemal Atatürk abgerundet werden: ‘Bir lisan, bir insan – Iki lisan, iki insan’ (‘Wer eine Sprache beherrscht, der ist nur ein Mensch wer aber zwei Sprachen beherrscht, gilt als zwei Menschen.’). Dieses Sprichwort zeigt sehr gut, dass Sprachen eine große Bedeutung bei der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung des Menschen zugemessen wird. Bilinguale Kinder, die beide Sprachen ausreichend entwickeln, können zwei Identitäten entwickeln. Sie können sich durch zwei verschiedene Sprachen ausdrücken. Außerdem wird durch die Beherrschung mehrerer Sprachen die Kommunikation und Kooperation mit verschiedenen kulturellen Gruppen ermöglicht. Jede Sprache, sowohl Minderheiten- als auch Prestigesprache, die ein Kind erwirbt sollte als ‘ungeschliffener Diamant’ angesehen und durch Förderung, auch im Elternhaus und im schulischen Bereich, zum Strahlen gebracht werden. 2.1, Muttersprache und Erwerb der Zweitsprache: In diesem Kapitel werden die zentralen Begriffe der vorliegenden Studie definiert: Die Muttersprache ist jene Sprache, welche die erste Bezugsperson spricht und die vom Kind im Umgang mit dieser Bezugsperson, die diese Sprache beherrscht, wie z.B. die Mutter, der Vater oder Geschwister, erworben wird. Es kann natürlich vorkommen, dass die Muttersprache des Kindes nicht mit der Sprache der Mutter ident ist. Aus diesem Grund wird der Begriff Muttersprache durch den Begriff Erstsprache, der in der Literatur bevorzugt wird, ersetzt. Wenn ein Kind von Geburt an zwei Sprachen erwirbt, da beide Elternteile jeweils eine andere Sprache beherrschen und sprechen, werden diese als ‘Muttersprache’ und ‘Vatersprache’ bezeichnet, oder als zwei Erstsprachen (vgl. Triarchi-Herrmann 2003, S. 32). Die erste Sprache, welche das Kind in seinen ersten Lebensjahren erwirbt, kann, wie schon erwähnt, ebenfalls als Erstsprache (L1 = first language) bezeichnet werden. Bei der Muttersprache bzw. Erstsprache kann zwischen einer starken und schwachen Sprache unterschieden werden. Die L1 kann, muss aber nicht, die starke Sprache sein. Die Lebensumstände eines Kindes, in denen es aufwächst, entscheiden, welche Sprache als L1 erworben und bevorzugt wird. Durch eine Veränderung der Lebensumstände kann es dazu kommen, dass die Sprache, welche zuerst erworben wurde, wieder vergessen wird (vgl. Günther/Günther 2007, S. 56). Ein weiterer wichtiger Begriff ist die Zweitsprache (L2 = second language), die nach der L1 erworben wird und zumeist die Umgebungssprache darstellt. Die Sprache, die außerhalb der Familie gesprochen wird, wie z.B. im Kindergarten, in der Schule, im Hort, auf Spielplätzen, etc., wird als Umgebungssprache bezeichnet. Der Begriff Zweitsprache wird meistens in Verbindung mit der sukzessiven Zweisprachigkeit gesetzt. In den ersten drei Lebensjahren wird die L1 erworben und ca. nach dem dritten Lebensjahr werden die Kinder (im Kindergarten, in der Schule) mit der Zweitsprache konfrontiert. Die zweite Sprache wird oft aus der Notwendigkeit zum Bestehen in einer neuer Gesellschaft und Kultur erlernt. Sie hat eine sehr wichtige Funktion, da durch sie verschiedene Alltagssituationen kommunikativ bewältigt werden können (vgl. Günther/Günther 2007, S. 57). Bezüglich der L1 und L2 ist es ebenfalls wichtig, auf die ‘starke’ Sprache und ‘schwache’ Sprache einzugehen und diese zu erklären. Zydatiß weist darauf hin, dass zweisprachige Personen nicht immer ‘ein gleich hohes Kompetenzniveau in den beiden Sprachen’ (= balancierte Zweisprachigkeit) (Zydatiß 2000, S.55) erreichen können. Eine balancierte Zweisprachigkeit kann erreicht werden, wenn der sprachliche Input, also Sprachanregungen, qualitativ und quantitativ gleich sind. Häufig wird jedoch ein Ungleichgewicht zwischen der L1 und der L2 beobachtet (vgl. Dittmann 2002, S. 93). Dies liegt daran, dass eine der beiden Sprachen in der Umwelt der Person stärker vertreten ist. Diese Personen haben meistens eine ‘starke’, d.h. dominante und eine ‘schwache’ Sprache. Die ‘starke’ Sprache wird im Gegensatz zur ‘schwachen’ in gewissen Situationen und Bereichen besser beherrscht, daher intensiver eingesetzt und deshalb auch laufend professionalisiert (vgl. Zydatiß 2000, S. 55). Jede Person kann in der ‘dominanten Sprache’ einen erweiterten und differenzierteren Wortschatz entwickeln und äußert sich deshalb lieber in dieser Sprache. Die Sprachfähigkeit in der schwachen Sprache entwickelt sich meistens langsamer und Menschen haben bei der Kommunikation große Schwierigkeiten damit, die passenden Wörter zu finden (vgl. Triarchi-Herrmann 2003, S. 36). Welche Sprache als stark und welche als schwach bezeichnet werden kann, hängt nach Leist Villis (o.J.) von verschiedenen Faktoren ab: Lebensalter und Sprachverteilung in der Familie, Land, in dem sich die Person aufhält, sprachliche Kontakte, Gesprächsthemen, sprachliche Ebene (Klang der Sprache, Ausdruck von Emotionen) und persönliche Motivation. Meistens wird der Umgebungssprache, nämlich der Sprache jenes Landes, in dem ein Kind lebt und aufwächst eine größere Bedeutung beigemessen. Dies liegt daran, dass Kinder unter dem Einfluss mehrerer Faktoren stehen: Die Intensität der sprachlichen Reize, mit denen das Kind täglich konfrontiert wird, die Zahl der Gebrauchsmöglichkeiten beider Sprachen, welche das Kind in seiner Umgebung hat (die Kommunikation und das Spielen mit den Spielkameraden, der Besuch des Kindergartens und der Schule) und ebenfalls die Einstellungen und die Gefühle des Kindes und der Personen im Umfeld zu den gesprochenen Sprachen. Die Umgebungssprache des Kindes kann meistens als ‘starke’ Sprache bezeichnet werden, da es mit dieser öfter konfrontiert ist. Damit es zu keiner Unterdrückung der Erst- bzw. der Familiensprache durch die Umgebungssprache kommt, wird empfohlen, in der Familie ausschließlich die Familiensprache zu sprechen. Außerdem kann die schwächere Sprache durch den muttersprachlichen Unterricht in der Schule oder durch längere Aufenthalte im Land der Familiensprache, z.B. bei den Großeltern, gefördert werden (vgl. Dittmann 2002, S. 93).Viele Einzelfallstudien können belegen, dass ein Wechsel zwischen der ‘starken’ und der ‘schwachen’ Sprache stattfinden kann, wenn z. B. die sprachliche Umgebung des Kindes längerfristig wechselt (vgl. Triarchi-Herrmann 2003, S. 106). 2.2, Zweisprachigkeit (Bilingualismus): Der Begriff Zweisprachigkeit soll anhand eines Zitates erklärt werden: ‘Zweisprachigkeit ist die wahlweise Verwendung von zwei oder mehr Sprachen durch eine Person’ (Triarchi-Herrmann 2003, S. 19). ‘Für mich ist eine Person zweisprachig, wenn sie über die Fähigkeit verfügt, sich ohne größere Schwierigkeiten in zwei Sprachen mündlich oder auch schriftlich ausdrücken zu können. Diese Fähigkeit muss sie aufgrund ihrer eigenen psychischen, emotionalen und soziokulturellen Voraussetzungen sowie durch den ständigen und intensiven Kontakt mit einer zweisprachigen Umgebung entwickelt haben’ (Triarchi-Herrmann 2003, S. 20). Zweisprachigkeit, auch Bilingualismus genannt, bedeutet wie folgt, dass eine Person zwei Sprachen verstehen und sprechen kann. Das bilinguale Verstehen und Sprechen hängt jedoch von verschiedenen Komponenten ab: 2.2.1, Bedingungsfaktoren: Da wären zu Beginn die Gefühle und Einstellungen, also der emotional-affektiver Faktor, die eine sehr große und wichtige Rolle bei der sprachlichen und emotionalen Entwicklung des Kindes spielen. Eine negative Einstellung führt dazu, dass das Kind sich für eine der Sprachen schämt. Dadurch könnte es zu einer Sprachentwicklungsverzögerung, Sprachweigerung bzw. auch zu Verhaltensauffälligkeiten kommen. Bei einer positiven Einstellung ist das Kind jedoch stolz auf seine Sprache und ist motiviert beide Sprachen zu hören und zu erlernen. Die Sprachentwicklung wird dadurch unterstützt und gefördert (vgl. Triarchi-Herrmann 2003, S. 103f.). Auch die soziale Schicht und der soziökonomische Status der Familie haben einen großen Einfluss auf die Zweisprachigkeit des Kindes. Man nennt jene Faktoren auch noch die soziokulturellen Faktoren. Die einzelne Kultur und die Beziehungen zwischen diesen sind dabei von großer Bedeutung. ‘Insbesondere ist es wichtig, welche Gefühle und Einstellungen die Sprecher der Mehrheitsgesellschaft der Kultur der jeweilig anderen Sprachen entgegenbringen’ (Triarchi-Herrmann 2003, S.102 f.) und ob sie Toleranz und Akzeptanz gegenüber dieser aufzeigen. Dieser soziokulturelle Faktor kann sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss auf die Sprachentwicklung des Kindes haben. Wenn das Prestige einer Sprache sehr gering ist und wenn diese von den Personen in der Umgebung nicht geschätzt wird, kann das Kind das Interesse an der ‘nicht-geschätzten’ Sprache verlieren und zeigt demnach keine Motivation diese zu lernen (vgl. Triarchi-Herrmann 2003, S. 36 und Dittmann 2002, S. 93). Die sprachliche Umwelt und die damit zusammenhängenden sprachlichen Bedingungen (Sprachinput) sind bedeutungsvoll. Der Wortschatz kann erweitert, die Struktur der Sprache internalisiert und die Aussprache gefördert werden, wenn das Kind von seiner Umgebung genügend sprachliche Reize erhält und dadurch zur Kommunikation angeregt wird. Außerdem spielen auch die linguistischen Beziehungen zwischen den beiden Sprachen eine große Rolle. Hier geht es um Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Strukturen beider Sprachen. Die Kontrastivhypothese besagt, dass Sprachen, die sich z.B. in der Wortstellung ähneln, leichter zu lernen sind als andere. Klein jedoch stimmt dem nicht zu. Er meint, dass genau dort Fehler auftauchen, wo sich die Sprachen in den Strukturen ähneln und große Unterschiede in den Strukturen leichter erlernt werden können (vgl. Klein 1992 in Jeuk 2003, S. 14f.).
Nese Nesrin Kilinc wurde 1989 in Hainburg an der Donau, Niederösterreich, geboren und hat türkische Wurzeln. Nach Abschluss des Gymnasiums wusste die Autorin, dass sie einen Beruf ausüben möchte, der auf die Zusammenarbeit mit Kindern abzielt. 2007 begann sie ihr Lehramtsstudium für Volksschulen an der Pädagogischen Hochschule Wien und schloss dieses im Jahre 2010 mit dem akademischen Grad ‘Bachelor of Education’ erfolgreich ab. Die Autorin ist seit 2010 im Schuldienst tätig und unterrichtet seit 2013 als Klassenlehrerin in Mannersdorf am Leithagebirge, Niederösterreich. Das Thema des Buches spielt für die Autorin eine sehr große Rolle, da ihre Muttersprache Türkisch ist und sie die Vorteile, die Nachteile sowie die Schwierigkeiten in zwei verschiedenen ‘Sprachwelten’ aufzuwachsen, selbst kennengelernt hat.
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