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- Der konstruierte "Andere": Bewusstheit über Differenzkonstruktionen in der Sozialen Arbeit
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Frage nach der Bewusstheit über Differenzkonstruktionen ist ein zentrales Thema in der Sozialen Arbeit. Differenzierte Lebensweisen und ihr Drängen nach Anerkennung in Form von Verminderung auf sie bezogener Diskriminierung und Vorurteilsdenken fordern die Soziale Arbeit auf, über das Konstrukt Normalität und ihre eigene Rolle in einem regulierenden System nachzudenken. Soziale Arbeit befindet sich in dem Dilemma, zum einen ausführende Instanz gesellschaftlicher Normen und Werte sowie institutioneller und struktureller Vorgaben zu sein und andererseits Verantwortung gegenüber den Menschen zu haben, die den Gegenstand der Sozialen Arbeit darstellen. In dem Buch werden vorliegende Rahmenbedingungen beschrieben, die Relevanz der Bewusstheit hervorgehoben, Konstrukte von Normalität und Differenz betrachtet sowie Überlegungen zu möglichen Professionsgrundlagen in Hinsicht auf das gegebene Thema, den Umgang damit und nicht zuletzt auf die eigene Position angebracht.
Textprobe: Kapitel 3, Normalität und Differenz: Definitionen dienen zunächst einem Verständnis von dem, wovon die Rede sein soll. Die Definitionsversuche und Darstellungen, die hier vorgenommen werden, sollen sowohl Verständnisgrundlage als auch bereits kritische Betrachtung sein. Was Normalität ist, scheint zunächst klar zu sein. Betrachtet man den Begriff jedoch genauer und beabsichtigt ihn zu bestimmen, zeigt sich die Kompliziertheit jener Bestimmung in seiner Begründbarkeit, seines Entstehungszusammenhangs und seiner Geltungsanspruchsgrundlage. Ebenso verhält es sich mit den mit der Normalität zusammenhängenden – scheinbar ihr widersprechenden – Differenzen. Wenn nicht eindeutig ist, was normal ist, sind auch jeweilige Abweichungen vom Normalzustand schwer zu bestimmen. Fest steht: ‘Normen und Normalitäten wurden herausgebildet und mit ihnen Abweichungen und Abnormalitäten’ (Sohn, 1999 in Sohn/Mehrtens 1999:7). Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie ‘Normalität’ – Begrifflichkeit und Wirkmächtigkeit – entstanden ist bzw. ‘erschaffen’ wurde und wird und wie sie demnach definiert werden kann. Daraufhin sollen die ‘Anomalien’ in den Blick genommen werden. 3.1, ‘Das ist die Regel’ – Normalität und Norm: ‘Die Gesellschaft schätzt ihren normalen Menschen . Sie erzieht ihre Kinder dazu, sich selbst zu verlieren, absurd zu werden und so normal zu sein’ (Laign, 1972:22). ‘normal ‘der Norm entsprechen regelrecht üblich, gewöhnlich geistig gesund’ (Duden, 1989:489). ‘Normal’ ist ein alltäglicher Begriff und wirkt zunächst wie eine unmaßgebliche Floskel. Er ist jedoch mehr als das – er ist ‘Schlüsselbegriff moderner Kulturen’. (Link, 2009:17) Der Begriff und somit auch das ‘Normale’ an sich kamen zum ersten Mal seit dem 18. Jahrhundert bzw. eher mit dem frühen 19. Jahrhundert in Verbindung mit moderner Massenproduktion, moderner Massendatenerhebung und der statistischen Analysen dieser Daten auf. (vgl. Link, 2009:20) Daraus allein kann geschlossen werden, dass ‘Normalität’ etwas Konstruiertes ist, auch wenn es bisweilen – als ein ‘selbstverständliches Orientierungs- und Handlungsraster (…)[ – ] auch als das ‘Natürliche’ oder das ‘Naturgemäße’ verstanden [wird].’ (Sohn, 1999 in Sohn Mehrtens, 1999:9) Eben aufgrund dieser verschiedenen Verständnisgrundlagen ist eine Definition des ‘Normalen’ so kompliziert. Link führt zur Verständigung über bzw. Definition von ‘Normalität’ sechs Ungleichheiten auf – was Normalität eben zunächst nicht ist: ‘1. Normalität ? Normativität 2. Normalität ? Alltagsroutine/Alltägliches 3. Normalität ? Bio-Homöostase 4. Normalität ? Kybernetik/Technokratie generell 5. Normalität ? ästhetische Banalität 6. Normalität ? konstruierte soziale Wirklichkeit (epistemologisch)’ (Link, 1999 in Sohn/Mehrtens, 1999:31) Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, die einzelnen Ungleichheiten auszuführen und zu begründen. Es soll lediglich klar werden, dass Normalität schwer (be)greifbar ist. Neben den vielen Bezugsmöglichkeiten und Konstituierungsbedingungen soll hier jedoch der Zusammenhang zwischen Normalität und Normativität aufgegriffen werden. Die Ungleichheit von Normalität und Normativität wird erst bei genauerer Betrachtung deutlich. Auch und gerade hier entstehen schnell Überlagerungen und ein funktionales Gleichsetzen. ‘Normativität konstituiert sich über zu Grunde liegende Normen.’ (Seelmeyer, 2008:178) Mit diesen Normen ist ein bestimmter Verbindlichkeitsanspruch verbunden. (vgl. Seelmeyer, 2008:179) Das Normale ist im Gegensatz zurückzuführen auf den Durchschnitt (statistischer Erhebungen etc.). Diese ‘Verdatung’ bildet jedoch gleichzeitig die Grundlage für die normative Normalität. (vgl. Link, 2009:453) Die Normativität wird gewissermaßen zur Normalität ernannt. Von Kindesbeinen an bilden Regeln und Normen die ‘Normalität’ ab und stellen sie gleichzeitig her. Durch institutionelle und nicht-institutionelle Praktiken wird die Normalität ‘garantiert und (re)produziert’. (Sohn, 1999 in Sohn/Mehrtens, 1999:9) ‘Die Norm fungiert ebenso als flexibles Raster, auf das die Leute bezogen werden und sich beziehen können, wie auch als dasjenige, was zwischen dem Normalen und dem Anormalen scheidet’ (ebd.:10). Normen und Regeln wirken dabei direkt und indirekt. Indem Menschen Normen verinnerlichen und sie für sich zur Normalität erheben, wirken sie direkt indirekt, da sie als Normalität gelebt werden, ohne dabei stets genau benannt zu werden. Sie wirken also direkt durch eine indirekte Vermittlung. ‘Die menschliche Szene ist eine Szene von Vorspiegelungen und dämonischen Pseudo-Realitäten: alle glauben [dabei], alle anderen würden daran glauben’ (Laign, 1972:70). Normalität ist also sozusagen das Ergebnis von Normalisierung. Dabei ist normal, was Regel ist und Regel ist, was die Norm bestimmt. Es gibt also sowohl die gesellschaftliche Normalität, bei der normal ist, was die meisten für richtig halten oder tun als auch normative Normen, deren Einhaltung in Anbetracht jener Normalität erwartet wird. (vgl. Dederich in Kessl/Plößer, 2010:178) ‘Die Macht des Normalen oder Normalseins bedeutet, dass sich eine spezifische Vorstellung darüber etabliert hat, was das richtige, geordnete und legitime Leben ausmacht und zugleich, was falsch und nicht normal ist.’ (Schütte-Bäumner in Kessl/Plößer, 2010:84) Die Norm stellt dabei normalitätsregulierendes Mittel und ebenso normalitätserzeugenden Zweck dar. Um die Bestimmung des Normalitätsbegriffs nicht zu sehr auszuweiten, soll mit dem folgenden Zitat eine – wenn auch knappe, jedoch dem Gesamtverständnis zuträgliche – Definition von Link verwendet werden: ‘Abweichend von vorwissenschaftlichen, aber auch von manchen wissenschaftlich vertretenen Auffassungen handelt es sich bei der so präzisierten Normalität nicht um eine ahistorische, jederzeit spontan von der anthropologischen oder gar biologischen Natur generierte Entität, sondern um eine spezifische, historisch-kulturelle Emergenz der westlichen Moderne. Insbesondere ist Normalität nicht identisch mit beliebigen Alltagen, sondern nur mit historisch sehr spezifischen Alltagen – solchen nämlich, die durch Normalisierung der schwindelerregenden Dynamiken der Moderne allererst hergestellt werden müssen’ (Link, 2009:452). Im Vergleich dazu bietet Foucault eine Definition der Norm bzw. ihres Wirkens, die bereits andeutet oder klar werden lässt, welche Aufgabe sie in einem System, wie zum Beispiel Deutschland es ist, hat: ‘Funktion und Existenz der Norm, die als abstrakte Gesamtregel und Maß der Funktionalität der Individuen sowohl ein homogenes Ganzes wie ein abgestuftes System der Differenzierungen, Klassifikationen und Rangordnungen hervorbringt, sind dabei funktional eng an ein ganzes Netz von hierarchisierender Überwachung und Sanktionierung geknüpft, die als zwingendes, panoptisches Auge eine stetige und progredierende Automatisierung und Objektivierung der Machtbeziehungen installieren und sowohl die Abstände zwischen Individuen messen, als ihre Abweichungen von der allgemeinen Norm registrieren und schließlich wie eine Mikrojustiz auch korrigieren: ‘Die Disziplinaranstalten haben ein Strafsystem der Norm geschaffen, das weder in seinen Grundlagen, noch in seinen Wirkungen auf das traditionelle Strafsystem des Gesetzes zu reduzieren ist’ (Foucault, 1976 zitiert nach Buhren, 2009:90)’ (Buhren, 2009:90).
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