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- Der „geschlagene Mann". Männliche Opfer im Kontext häuslicher Gewalt
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Abb.: 10
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ziel dieses Buches ist es, auf das Thema Männer als Opfer von häuslicher Gewalt aufmerksam zu machen und so letztlich auch zu einer Enttabuisierung beizutragen. Das weithin verbreitete Klischee Mann als Täter und Frau als Opfer soll wissenschaftlich fundiert aufgebrochen werden. Als Einstieg dient die Erläuterung von Ursachen und Folgen häuslicher Gewalt, die für betroffene Männer häufig eine doppelte Opferrolle mit sich bringen: Sie sind Opfer der erlebten Gewalt und Opfer der gesellschaftlich vorherrschenden Rollenbilder und -erwartungen. Wie weit häusliche Gewalt gegen Männer verbreitet ist, wird anhand des aktuellen Forschungsstandes sowie mittels Statistiken aus Beratungsstellen eruiert. Darüber hinaus diskutiert die Autorin, ob bei Gewalt in einer Partnerschaft überhaupt von dem Täter und dem Opfer gesprochen werden kann. Neben gesetzlichen Schutzmaßnahmen und politischen Interventionen zeigt die Autorin aktuelle Hilfe- und Beratungsangebote wie sogenannte Männerhäuser auf und weist auf die Spezifika bei der Beratung männlicher Opfer hin. Abschließend werden Mängel im Hilfesystem aufgedeckt und Handlungsempfehlungen für eine bedarfsgerechtere Ausgestaltung gegeben.
Textprobe: Kapitel IV, Wer ist bei Gewalt in der Partnerschaft Täter? Wer ist Opfer?: Eine weitere Frage stellt sich danach, ob bei Vorfällen häuslicher Gewalt eine Trennung in Täter und Opfer überhaupt sinnvoll bzw. möglich ist. Dies soll nun geklärt werden. 1, Kritik an den Bezeichnungen Täter und Opfer: Als Täter wird im heutigen Sprachgebrauch jemand bezeichnet, der eine als Unrecht empfundene Handlung begangen hat. Dabei darf dieser Begriff z. B. im juristischen Bereich aufgrund der Unschuldsvermutung erst dann verwendet werden, wenn die Person rechtskräftig verurteilt wurde. Bis dahin gilt sie je nach Verfahrensschritt als Beschuldigter, Angeschuldigter oder Angeklagter. Im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff des Opfers meist nicht auf eine Handlung, durch die jemand einen Schaden erleidet, sondern auf die ganze Person. Aus diesem Grund ist die Verwendung des Opferbegriffs umstritten. Die Verwischung der Konturen durch die Bezeichnung einer ganzen Person als Opfer führt zu einer inflationären Verwendung nach dem Motto Sind wir nicht alle irgendwie Opfer? . Für Betroffene scheint der Begriff zudem eine stark negative und passive Konnotation zu haben und Assoziationen von Schwäche, Hilflosigkeit, Dummheit oder einem Verliererimage zu fördern. Befragte Opfer konnten sich mit Begriffen wie Verletzter , Geschädigter oder verletzte Person besser identifizieren. Darüber hinaus ist der recht statische Opferbegriff wenig geeignet, um das Verhalten zwischen Menschen zu beschreiben. Es ist eher eine idealtypische Festschreibung, die der Vereinfachung dient, politisch genutzt werden und individuell zu Festschreibungen führen kann. […] [E]s gibt kaum Menschen, die ausschließlich Opfer sind, Menschen sind dies mehr oder weniger, zeitweise und auf unterschiedlichen Bewusstseinsebenen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Täterbegriff. Und bei Männern sind beide noch einmal offensichtlicher vermischt . So stellt sich die Frage, ob es sinnvoller ist, ebenso wie das Forschungsteam der Pilotstudie Gewalt gegen Männer bei Gewalthandlungen zwischen Menschen Begriffe wie z. B. Gewaltausübender oder Gewaltbetroffener zu nutzen. Obwohl sich die Autorin bewusst ist, dass die Begriffe Opfer und Täter bestimmte Schubladen und Blickrichtungen öffnen und kein Mensch nur Täter oder Opfer ist, schließt sie sich im Rahmen dieses Buches den Ausführungen von Lenz für die Beibehaltung der Begriffe an: Jenseits der persönlichen Entscheidung jedes Betroffenen, welche Bezeichnung er für sich selbst als angemessen betrachtet, ist es aus einer geschlechterpolitischen Perspektive gerade wegen der mit dem Begriff [des Opfers] verbundenen Assoziationen wichtig, auf diesen widerständigen Begriff zu bestehen. Er zielt – wie kein anderer Begriff – in den Kern des tradierten Verständnisses von Männlichkeit und fungiert mit einem hohen Aufklärungs- und Erkenntniswert. Trotz der berechtigten Vorbehalte gegenüber dem Opferbegriff ermöglicht dieser die Situationen von Gewalt, Ausbeutung und Misshandlung, die Männern zugemutet werden, überhaupt sichtbar und damit beschreibbar zu machen . 2, Häusliche Gewalt als Partnerschaftsgewalt: Die dichotome Kategorisierung in Opfer und Täter ermöglicht einerseits eine einfachere Einordnung der Betroffenheit von Gewalthandlungen, führt aber andererseits häufig zu einer Ausblendung des Kontextes. Wie beschrieben, sind Menschen selten nur Opfer oder nur Täter. Gewalt als soziales Geschehen ist […] durch Interaktion – also Wechselseitigkeit, wenngleich nicht wechselseitige Gewalttätigkeit – gekennzeichnet. Die Entwicklung einer spezifischen Gewaltdynamik ist also von dem Verhalten beider Partner abhängig. So weist auch das Opfer keineswegs nur ein hinnehmendes, paralysiertes Verhalten auf, sondern es moduliert durch sein Verhalten die gewalttätige Beziehungsdynamik mit. Opfer zu sein bedeutet zudem nicht, nicht auch gleichzeitig Täter sein zu können, so dass die Zuschreibung des ‚Opferstatus‘ auch kein ‚Beweis‘ für die moralische Integrität des Opfers als gesamte Person ist. Wie nahe das Opfer- und Tätersein beieinander liegt, ist gerade bei Formen verbaler Gewalt zu beobachten. Partnerschaftliche Konflikte werden insgesamt häufig mit Inputs von beiden Seiten gespickt, so dass auch beide Partner für ihr Nicht-Verhalten oder Verhalten die Verantwortung tragen.
Jasmin Alzinger ist Sozialpädagogin, B.A. (DH) und Diplom-Juristin (Univ.) mit den Schwerpunkten Soziale Dienste in der Justiz und Strafrecht. Aktuell ist sie in der forensischen Psychiatrie am Klinikum am Europakanal in Erlangen tätig. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Regensburg studierte die Autorin Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart. Als begleitender Ausbildungsbetrieb fungierte die Sozialberatung Stuttgart e. V., eine Beratungsstelle für Straffällige mit Angeboten zur Gewaltprävention. Dort kam die Autorin erstmals mit Männern als Opfer von häuslicher Gewalt in Berührung, die aus Mangel an Angeboten bei einer Beratungsstelle für Täter Hilfe suchten. Diese in Gesellschaft und bei Fachleuten kaum beachteten Opfer weckten das besondere Interesse der Autorin, die sich bis dahin vor allem der Täterarbeit widmete. Die folgende Initiierung eines Gewaltschutzprojektes für Männer besiegelte schließlich ihren Entschluss, sich wissenschaftlich fundiert mit dem Thema Männer als Opfer im Kontext häuslicher Gewalt auseinanderzusetzen.
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