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- Der Arbeitsbegriff hinter den Hartz IV-Gesetzen und Auswirkungen auf Sozialstaat und Grundrechte
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 94
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Fakt ist: Arbeitslosigkeit bzw. Hilfebedürftigkeit durch das Fehlen von Erwerbsarbeit und Erwerbseinkommen entwickelt sich auch in der BRD immer offensichtlicher zu einem gesamtwirtschaftlichen wie politisch-gesellschaftlichen Problem von gigantischem Ausmaß. Wie reagiert der Staat auf diese Entwicklung? Welche Vorstellungen und Erwartungen gehen insbesondere mit dem vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, den sog. Hartz IV – Gesetzen, einher und was bedeutet die Reformpolitik für Sozialstaat und Demokratie? Die vorliegende Abhandlung nähert sich diesen Fragen über eine Auseinandersetzung mit dem Arbeitsbegriff sowie dem Verhältnis von Staat und Ökonomie, um schließlich den Blick auf praktische Auswirkungen gegenwärtiger Sozialpolitik auf die Grundrechte von Leistungsbeziehern nach SGB II und XII zu richten.
Textprobe: Kapitel 2.2, Globales Kapital versus nationales Recht? Über das Verhältnis von Wirtschaftssystem und Grundgesetz: ‘In dem Moment [...], in dem sich die Wirtschaft global ausbreitet, entzieht sie sich zunehmend der bisherigen Ordnungsfunktion des Nationalstaates’. ‘Die Ordnung des Wirtschaftslebens muss den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen’. Wenn man den Begriff der sozialen Marktwirtschaft einmal offen betrachtet, so lässt sich leicht zu dem Schluss kommen, dass dieser Satz aus Art. 151 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) neben dem Prinzip der Umverteilung eigentlich unverzichtbare Grundlagen für ein soziales Wirtschaftssystem jeglicher Art beinhaltet. Im Grundgesetz für die BRD ist ein solcher Satz nicht zu finden. Dies könnte u.a. daran liegen, dass der Parlamentarische Rat 1949 davon ausging, mit dem GG lediglich eine provisorische Verfassung festzulegen, oder damit zusammenhängen, dass im Gegensatz zu den zahlreichen Programmsätzen und Verfassungsaufträgen der WRV im GG vorrangig unmittelbar geltendes Recht geschaffen werden sollte. ‘Als der Parlamentarische Rat das Grundgesetz verabschiedete, war dessen Anspruch recht bescheiden. Es sollte eine provisorische Ordnung sein, welche nur für die Übergangszeit bis zur Wiederherstellung der deutschen Einheit gelten sollte. Diese Spanne wurde damals als eher kurz eingeschätzt’. Während die WRV einen eigenen Abschnitt mit ausdrücklichen Regelungen und Aussagen zur Ordnung der Wirtschaft enthält, ist das GG dem nicht gefolgt. ‘Im Parlamentarischen Rat kam man überein, in das Grundgesetz nur die klassischen Grundrechte aufzunehmen und die Regelung der Sozialordnung der Zukunft zu überlassen’. Das Mitte der 40er Jahre u.a. von Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard konzipierte Modell der sogenannten sozialen Marktwirtschaft hat die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland bis heute geprägt. Seit seiner Einführung ab 1948 wird das System stark mit der Entwicklung von Wohlstand und sozialem Frieden in Verbindung gebracht. Seit einigen Jahren wird jedoch immer drastischer deutlich, dass sich die soziale Marktwirtschaft – und somit auch das Sozialstaatsmodell – in einer fundamentalen Krise befindet. So scheint der Staat zum einen aktuell kaum mehr in der Lage, seine Umverteilungsaufgaben zu bewältigen, zum anderen werden soziale Sicherungsmechanismen zunehmend als problematisch für den internationalen Wettbewerb in Frage gestellt und zum Hemmnis für den Wirtschaftsstandort Deutschland erklärt. Die gegenwärtige Krisensituation wurde allerdings nicht allein durch einen wirtschaftlichen Abschwung herbeigeführt, sie ist vielmehr genauso das Ergebnis langjähriger Fehlentwicklungen in Politik und Ökonomie. Fraglich ist deshalb, inwieweit die Krise der Wirtschafts- und Finanzwelt als Krise des Sozialstaats inszeniert wird. Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das deutsche Konzept sozialer Marktwirtschaft hat neben allgemeinen Globalisierungsprozessen mittlerweile die Europapolitik, die seit Gründung der Europäischen Union 1992 durch den Vertrag von Maastricht stetig an Bedeutung gewinnt. ‘Mit zunehmender europäischer Integration gerät auch die Sozialpolitik der Mitgliedsstaaten stärker in einen gemeinschaftsweiten Wettbewerb, und der Druck auf die Sozialsysteme steigt’. Der verfassungsrechtliche Diskurs über die Wirtschaftsordnung erhält durch neue, gemeinschaftsrechtliche Rahmenbedingungen ebenfalls eine weitere Dimension. ‘Dem Gemeinschaftsrecht wird man angesichts der wirtschaftspolitischen Zielbestimmungen beziehungsweise der Vorgaben über die Förderung von Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit durchaus das Leitbild einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu entnehmen haben. Was dieses ‘Leitbild’ prägt zeigt ein kurzer Blick in den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). Als zuvorderste Aufgabe der Gemeinschaft wird hier die ‘Errichtung eines gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion’ aufgeführt. Dazu ist die Schaffung eines Binnenmarktes vorgesehen, der durch die Beseitigung von Hindernissen für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist. Außerdem ist für verschiedenen Bereiche eine gemeinsame Politik bestimmt, u.a. für Handel, Landwirtschaft und Verkehr, sowie eine Sozialpolitik mit einem europäischen Sozialfonds. Art. 3 Abs. 1 i.) EGV sieht ‘die Förderung der Koordinierung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Verstärkung ihrer Wirksamkeit durch die Entwicklung einer koordinierten Beschäftigungsstrategie’ vor. Art. 4 des EGV legt die Einführung einer Wirtschaftspolitik fest, ‘die auf einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, dem Binnenmarkt und der Festlegung gemeinsamer Ziele beruht und dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist’. Der EU-isierungsprozess an sich basiert hauptsächlich auf ökonomistischem Kalkül und konzentriert sich vorrangig auf wirtschaftspolitische Zielsetzungen Soziales erscheint – wie andere politische Teilaspekte – vergleichsweise nebensächlich. Auch wenn mit dem Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE) und dem Vertrag von Lissabon bisher beide Versuche, der Europäischen Union eine einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit zu geben an ihrer Ratifizierung gescheitert sind, ist zweifellos davon auszugehen, dass Handlungsfähigkeit und Kompetenzen der EU – unabhängig von Widerstand aus einzelnen Mitgliedstaaten – auf lange Sicht weiter ausgebaut werden. Die Rolle Deutschlands bei der EU-Weiterentwicklung wird im 1992 zum ‘Europaartikel’ umgewidmeten Art. 23 GG definiert. So wirkt die Bundesrepublik zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einem dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. In Verbindung mit der Tatsache, dass der Bund hierzu per Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen kann, stellt sich die Frage, inwieweit der Einfluss von Gemeinschaftsrecht und -gewalt überhaupt noch beschränkt ist. Neben der enthaltenen Forderung nach einem Grundrechtsschutz für den Bereich der EU ermächtigt Art. 23 GG ‘den Gesetzgeber nicht zu einem beliebigen 'Ausstieg' aus der Verfassung. Er berechtigt den Gesetzgeber nicht dazu, die essentiellen, die Identität der geltenden Verfassung betreffenden Strukturen aufzuheben. [...] Die deutsche Wirtschaftsverfassung behält in jedem Fall auch neben dem Gemeinschaftsrecht ihre Relevanz’.
Stefan Petzold, geb. 1982, ist Diplom-Sozialarbeiter und gelernter Kaufmann und lebt derzeit in Frankfurt am Main. Nach einer Ausbildung bei Bertelsmann in Stuttgart studierte er Sozialarbeit an der Fachhochschule Frankfurt am Main mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Gesellschaft sowie Sozialberatung zu Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe. Stefan Petzold ist gegenwärtig in der interkulturellen sozialen Arbeit tätig, befasst sich aber weiterhin mit der aktuellen Arbeitsmarktpolitik und den damit verknüpften Änderungen bei den Sozialleistungen.
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