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- Das Problem der Wahrnehmung in Donald Davidsons Theorie des Geistes
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2021
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In modernen philosophischen Theorien des Geistes wie auch in der empirischen Anthropologie und Tierforschung werden Wahrnehmungen als gewöhnliche mentale Episoden aufgefasst. Es wird davon ausgegangen, dass auch kleine Kinder und Tiere Wahrnehmungen und Gefühle erfahren können. Donald Davidson postuliert in seiner Theorie des Geistes und der Sprache jedoch, dass Wahrnehmungen nicht zum gewöhnlichen geistigen Haushalt dazugerechnet werden sollten. Davidsons Theorie beschränkt die grundlegenden Facetten des Geistes auf diejenigen Wesen, die einer natürlichen Sprache mächtig sind, muss also aufgrund der fehlenden Sprachfähigkeit negieren, dass Tiere und Kinder unter zwei Jahren über einen Geist verfügen – ein sehr problematisches Postulat. Den Inhalten dieser Theorie wird in diesem Buch nachgegangen, sie wird kritisch beleuchtet und es werden Lösungsvorschläge entwickelt, mit denen Davidsons Aussagen relativiert werden können.
Textprobe: Kapitel 1.1.3 Rationalität als Kohärenz: Der Holismus propositionaler Einstellungen: Das Konzept der Rationalität spielt in Davidsons Theorie eine zentrale Rolle. In vielerlei Hinsicht ist Rationalität jedoch ein schwer greifbares Konzept. Ob ein bestimmtes Wesen Rationalität besitzt, mag im Einzelfall schwer zu beurteilen sein. Ein Kriterium, das von Davidson als ausreichend für die Feststellung von Rationalität angeführt wird, ist das Verfügen des Wesens über propositionale Einstellungen. Da propositionale Einstellungen immer bloß in einer großen Menge auftreten, nie isoliert, besteht zwischen dem Verfügen und Nicht-Verfügen über propositionale Objekte ein enormer Unterschied. Jede Art propositionaler Gedanken, so Davidson, erfordere den Besitz des Konzepts objektiver Wahrheit, welches nur durch Kommunikation und das Wissen von fremden Geistern (minds) erlangt werden könne. Eine mit Dritten geteilte Welt ermögliche den Schluss, dass das Erlangen von Wissen nicht vom Subjektiven ins Objektive – vom introspektiven Wissen über den eigenen Geist, hin zu Wissen über Tatsachen in der Welt – voranschreite, sondern holistisch entstehe. In der Folge ist jegliches Wissen interpersonell begründet, und kann nicht ohne sprachliche Kommunikation, gemeinsame Stimuli, sowie Triangulation erreicht werden. Nicht jede Form von Wissen kann als gleich sicher angenommen werden, und so räumt Davidson ein, dass regelmäßig einzelne Annahmen, die über die Welt getroffen werden, schlichtweg falsch seien. Ein globaler Skeptizismus bezüglich der Wahrheitsgehalte von Gedanken sei jedoch aus theoretischen Gründen nicht möglich, da die Rationalitäts- bzw. Kohärenznormen, des Mentalen verbürgten, dass die meisten Überzeugungen, die in einer kohärenten, holistischen Menge an Überzeugungen vorkommen, wahr seien. Die Kohärenz eines Systems an Überzeugungen garantiere nicht nur weitläufige Wahrheit, sie verdeutliche auch, dass die Möglichkeit eines Fehlers – und auch des Erkennens eines Fehlers – in hohem Maße von einem großzügigen Angebot (supply) an Wahrheiten abhänge: Je mehr Fehler gemacht werden, desto mehr Richtiges muss vorliegen, welches den Fehlern Substanz verleiht und das Erkennen von Fehlern erst ermöglicht. Eine propositionale Einstellung wird gemäß Davidson genau dann verstanden, wenn sie in systematische Zusammenhänge mit anderen propositionalen Einstellungen gebracht werden kann. Eine einzelne propositionale Einstellung lässt sich nicht isoliert verstehen. In der Rolle des Radikalen Interpreten müsse sich daher Stück für Stück in das holistische System der Überzeugungen des Gegenübers hineingearbeitet werden. Eine teleologische Erklärung von Verhalten – die in intentionalem Vokabular von Wünschen und Überzeugungen des Akteurs spricht – muss aus diesen propositionalen Einstellungen ein kohärentes Bild erzeugen, um intelligibel zu werden. Dabei müssen die logischen Relationen zwischen Propositionen, so weit wie nur möglich, bewahrt werden, um dem holistischen Charakter propositionaler Einstellungen gerecht zu werden und um eine kohärente Erklärung dessen zu liefern, was im Licht der Überzeugungen und Wünsche des Akteurs vernünftig erscheint. Eine einzelne Überzeugung verdankt ihren Inhalt und ihre Wahrheit zum Teil ihren Relationen zu anderen wahren Überzeugungen. So setzt die Überzeugung Ich sehe eine Schlange – ob diese nun wahr ist oder falsch – beispielsweise Überzeugungen darüber voraus, was eine Schlange ist, was ein Tier ist, dass es physikalische Objekte gibt, und weitere mehr. Jede einzelne Überzeugung stützt sich für die Möglichkeit ihrer Identifikation auf einen großen Hintergrund wahrer Überzeugungen, besonders auch da der Inhalt eines Konzepts nicht unverändert bleibt, wenn es in unterschiedlichen Überzeugungen eine Rolle spielt. Je größer jedoch das System, mit dem eine Überzeugung kohäriert, umso sicherer kann man ihre Wahrheit unterstellen. Da es keine isolierten Überzeugungen gibt, argumentiert Davidson, weist jede einzelne mindestens einige Indizien auf, die zugunsten ihrer Wahrheit sprechen. Davidson besteht mit seiner holistischen Theorie der Propositionen darauf, dass nichts als ein Grund oder Begründung für eine Überzeugung gelten könne, außer eine weitere Überzeugung. Damit stellt er sich gegen jede Forderung nach einer ultimativen Quelle von Rechtfertigung – wie beispielsweise Wahrnehmungen – und weist somit einen der Grundpfeiler des Empirismus strikt zurück. In diesem Punkt stimmt er Richard Rorty zu, welcher sagt: nothing counts as justification unless by reference to what we already accept, and there is no way to get outside our beliefs and our language so as to find some test other than coherence. Eine Schlussfolgerung, die Davidson auf der Basis seiner holistischen Konzeption des Mentalen ziehen kann, ist, dass das Mentale aufgrund seiner inhärenten Normativität irreduzibel ist. Die Rationalitätsnormen des PoC setzen eine Erklärung des Mentalen strikt von den Möglichkeiten und Methoden der Naturwissenschaften ab. Im Licht dieser Darstellungen von Rationalität – verstanden als gleichbedeutend mit dem Besitzen propositionaler Einstellungen – stellt sich die Frage, wann davon ausgegangen werden kann, dass ein Wesen in diesem Sinne rational ist. Dies ist für Davidson keine rein empirische Frage, da philosophisch fraglich sei, was als Beweis dafür gelten könne, dass ein Wesen propositionale Einstellungen besitzt. Davidson führt an, dass das Stattfinden von Denken und Deliberieren, Hypothesen annehmen, testen und verwerfen, wie auch Wünschen, Hoffen und Glauben hinreichende Beweise dafür wären. Auch das Scheitern in diesen Aktivitäten – das Handeln wider dem besten eigenen Urteil oder das Annehmen von Überzeugungen trotz unzureichender Beweislage sind nach Davidson je hinreichende Beweise, um von einem rationalen Wesen sprechen zu können, da das Scheitern an Rationalitätsnormen ihr Bestehen voraussetze. Ohne den Abgleich mit den sprachlichen Äußerungen eines Wesens bleibt für Davidson das Problem bestehen, dass das Vorliegen von geistigen Aktivitäten nicht bestätigt werden kann. Fundamental ist jedoch all diesen Beweisgrundlagen gemein, dass es sich jeweils um den Besitz von propositionalen Einstellungen handelt, welche durch ihre Kohärenz Rationalität abbilden.
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