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- Das Liederbuch in der Grundschule: Eine multidimensionale Bestandsaufnahme
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 500
Abb.: 75
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Obwohl das Schulliederbuch nach wie vor einen starken Einfluss auf das Singen in deutschen Grundschulen hat, wurde es bislang in der musikpädagogischen Schulbuchforschung kaum berücksichtigt. Das Anliegen dieser Studie besteht somit darin, diese Lücke zu schließen und das Schulliederbuch ins Licht des wissenschaftlichen Interesses zu rücken. Die systematische Betrachtung des mehrdimensionalen Beziehungsgefüges der Akteure rund um das Medium liefert differenzierte Antworten auf die Frage: Inwiefern nehmen die Dimensionen Entwicklungsgeschichte, Bildungspolitik und Schulpraxis, Wissenschaft sowie Verlagswesen Einfluss auf das Liederbuch der Grundschule und wie ist dieser aus musikpädagogischer Sicht zu bewerten? Für einen größtmöglichen Erkenntnisgewinn werden drei empirische Forschungsmethoden (qualitive, quantitative und hermeneutische Verfahren) nach dem Ansatz der ‘Mixed Methods’ miteinander verknüpft und in ein umfassendes Design eingebunden.
Textprobe: Kapitel 3.1.1.3, Von den kirchlichen Gesangbüchern zu den Schulliederbüchern von Ludwig Erk: Als Schulliederbücher dienten zunächst die Kirchengesangbücher, denn die Kirchenlieder und Choräle waren bis zum Ende des. Jahrhunderts ein wichtiger Unterrichtsgegenstand des Gesangunterrichts. Das weltliche Lied galt hingegen lange Zeit als für zu unanständig, denn es verdarb - so Rainer Lorenz - die Zukunft der Kinder. Mit der europäischen Singbewegung, die aus dem ‘erstark[ten] Selbstbewusstsein des Bürgertums und [der] damit verbundene[n] zunehmende[n] Demokratisierung des öffentlichen Lebens ‘ entstand, gewann das weltliche Lied vor allem seit der zweiten Hälfte des Jahrhunderts dennoch immer mehr an Bedeutung - auch in der Volkserziehung. Der Wunsch nach dem weltlichen, häuslichen Lied entstand bereits in der Mitte des Jahrhunderts und manifestierte sich in den Sammlungen der ‘Ersten Berliner Liederschule‘, die für den laienhaften Sänger geeignete neue Kompositionen enthielten. Erst in der Zeit danach prägte Johann Gottfried Herder im Zuge der Aufklärung den Begriff des ‘Volksliedes‘, als ein im wesentlichen Kern schönes, allgemein verbreitetes und altes Lied. Er gab damit einen entscheidenden Anstoß für den Beginn der Entwicklung des weltlichen Liedes. Nach einer strengen Auswahl auf der Basis ästhetischer Gesichtspunkte stellte Herder eine grundlegende Liedersammlung zusammen, die er 1778-1779 unter dem Titel ‘Volkslieder‘ herausgab. Sie enthielt zwar keine notierten Melodien, brachte aber gemäß Georg Schünemann die ‘Befreiung aus trockener Schulstubenluft‘ mit sich. Eine Liedersammlung ebenfalls ohne Melodien, die bezüglich des Begriffes ‘Volkslied‘ ganz im Sinne Herders zusammengestellt wurde, erschien wenige Jahre später (1806-1808) mit dem Titel ‘Des Knaben Wunderhorn‘ von Achim von Arnim und Clemens Brentano. In der Folge strebten in der ‘Zweiten Berliner Liederschule‘ bekannte Komponisten wie Johann Friedrich Reichardt (1752-1814), Johann Abraham Peter Schulz (1747-1800) und Carl Friedrich Zelter (1758-1832) das ästhetische Ideal der ‘Natürlichkeit‘ als Ausdruck des Ursprünglichen im ,Schein des Bekannten‘ an. Das Schullied als eine eigenständige, von anderen zu unterscheidende Liedart, hat seinen Ursprung im Philanthropismus. Es handelt sich dabei nach Willi Gundlachs Auffassung um ‘ein Lied für das Kind, das erstmals weltliche Inhalte einbezog und in mehrfacher Hinsicht unmittelbar auf die Schule bezogen war‘. Willi Gundlach unterscheidet drei Formen des Schulliedes: - Prinzipiell war jedes Lied, das in der Schule gesungen wurde und den Erziehungsgrundsätzen entsprach, ein Schullied. Im Philanthropismus galten ferner folgende Kriterien: Das Lied sollte musikalisch einfach, leicht zu erfassen sowie volkstümlich im Sinne der Zweiten Berliner Liederschule sein, während die Liedtexte unter der Loslösung von kirchlichen Inhalten die natürliche Umwelt des Kindes einbeziehen sollten (Tages- und Jahreszeiten, Tiere, Pflanzen). Es zählte die Verknüpfung von Kindgemäß-Natürlichem und Belehrendem. - Lieder, die das Schulleben und die Schule thematisieren, zählten ebenfalls zu den Schulliedern. Sie waren Ergebnis des aufklärenden Gedankens ‘alle Lebensbereiche des Kindes im Liede zu spiegeln ‘ und der ‘Bemühungen das weltliche Lied in die Schule hineinzuziehen‘. Das ‘Mildheimische Liederbuch‘ (1799) von Rudolf Zacharias Becker ist hier das beste Beispiel. - Übungslieder waren Schullieder zur Stimmbildung der Kinder. Es handelte sich z.T. um eigens dafür komponierte Lieder, aber auch um andere Lieder, die sich dafür eigneten. Besonders geprägt wurde es von Johann Jacob Walder, der es erstmals im Jahre 1770 veröffentlichte. Der Philanthropismus hatte aber auch im gesamten Schulliederbuch grundlegende und fortwährende Anregungen und Änderungen bewirkt. Eckard Nolte formuliert das Ziel des philanthropischen Liederbuches als Zusammenfassung von Liedern, die inhaltlich möglichst alle Seiten des menschlichen Lebens in all seinen Lebenslagen, Ereignissen, Berufen, Ständen, aber auch in der Vermittlung von grundlegendem Wissen der Zeit berücksichtigt. ‘Das Lied solle [dabei] eine Art Spiegel der Realität sein [...].‘ Aus diesem Anliegen resultierte der Wunsch nach einer detaillierten Rubrizierung der Lieder, die mit der Einteilung des Registers von zeitgenössischen Kirchengesangbüchern aufallende Ähnlichkeit aufwiesen, so dass diese offenbar eine Vorbildfunktion einnahmen. Als Beispiele seien hier Johann Bernhard Basedows ‘Erste philanthropische Liedersammlung 1774‘ mit der Anordnung der Lieder nach Tages-, Jahres- und Lebenskreisen und das ‘Mildheimische Liederbuch‘ (1799) von Rudolph Zacharias Becker genannt. Letzteres wurde mehrfach aufgelegt und vereinte in der achten und letzten Ausgabe im Jahre 1837 die Vertonungen von 800 Gedichten durch sämtliche bekannte Komponisten des späteren 18. Jahrhunderts, wie Johann Abraham Peter Schulz, Johann Adam Hiller, Hans Georg Nägeli, Carl Friedrich Zelter u.a.. Nach Gottfried Weisserts Erkenntnissen stammten darin fast alle Lieder aus der Zeit zwischen 1770 und 1800, wobei viele dieser Kompositionen mit lehrhaften Texten und natürlichen, anmutigen und frischen Melodien auch in den Schulen gesungen wurden. Doch es war nicht nur für den Schulgebrauch gedacht, sondern richtete sich auch an die Allgemeinheit, an jeden Menschen in der Zeit der Spätaufklärung. Das ‘Mildheimische Liederbuch‘ sticht mit seiner großen Anzahl an Melodien hervor. Getreu der Annahme, dass Becker ein konkretes Liederbuch als Vorlage wählte, sieht Gottfried Weissert aufgrund der Ähnlichkeit in Zielbeschreibung, Rubrizierung und Spezialisierung darin eindeutig August Ludwig Hoppenstedts (1763-1830) Sammlung ‘Lieder für Volksschulen‘. Diese ist bereits 1793 erschienen und gilt als das erste Liederbuch, das im heutigen Sinne als Schulliederbuch verstanden werden kann. Durch den Gesang als ‘menschliche Grundäußerung‘ sollte der Aufklärungsgedanke an jeden herangetragen werden, denn ‘im gemeinschaftlichen Singen und im Gesang des Einzelnen lagen große pädagogische Möglichkeiten, die ausgenutzt werden mussten‘. Im beginnenden 19. Jahrhundert erschienen mehrere Liederbücher für den schulischen Gebrauch, die bearbeitete Volkslieder und zunehmend auch neuere Kompositionen enthielten, ‘denen ein erzieherischer Wert im Sinne sittlich-moralischer Werte zugeschrieben wurde‘. In der Vorrede des zweiten Heftes der ‘Auswahl der bessern deutschen Volkslieder‘ zunächst für Schulen (1821) von Johann Gottfried Hientzsch zeigt sich die vorherrschende Einstellung zum Singen in der Schule besonders deutlich und geht über die Vermittlung der ‘Lust und Liebe zum Singen‘ hinaus: ‘Jedes einzelne Lied sowie die ganze Sammlung will anständige Heiterkeit, unschuldigen Frohsinn, will fromme, dankbare Liebe und Achtung gegen Gott, den großen Geber alles Guten, gegen Eltern und Verwandte, die irdischen Wohltäter, und gegen Vorgesetzte und Obrigkeiten, die treuen Fürsorger und Anordner im Staate, wecken, vermehren und mit Fleiß unterhalten.‘ Diese allgemeine Zielsetzung des Schulgesangs, die sich ebenso auf die meisten Schulliederbücher dieser Zeit niederschlug, bestand weniger in der ‘Gemüts- und Herzensbildung‘ nach Pestalozzi, sondern in der Erziehung der Untertanen zur ‘Gleichheit der Gesinnung ‘. Die folgende Auflistung nennt einige der wichtigsten Liederbücher für den schulischen Gebrauch: - ‘Musikalisches Volksschulengesangbuch‘ (1821, 1824) von Carl Gottlieb Hering. - ‘Musikalischer Jugendfreund‘ (um 1820) von Friedrich Wilhelm Lindner. - ‘Deutsche Volkslieder für Volksschulen‘ (um 1820) von August Zarnack. - ‘Auswahl der bessern deutschen Volkslieder zunächst für Schulen ‘ (1821) und ‘Neue Sammlung zwei- drei- und vierstimmiger Schullieder von verschiedenen Komponisten‘ (1. Heft 1827) von Johann Gottfried Hientzsch. - ‘120 ein-, zwei-, drei- und vierstimmige Lieder zur Vermeidung der geschriebenen Notenbücher, ausgewählt, für Kinderstimmen eingerichtet und in drei Heften herausgegeben von dem Breslauschen Schullehrer-Verein‘ (1821-32) vom Breslauer Schulliederverein. - ‘Liederbuch für Schulen‘ (1819, 1822) und ‘Musikalisches Schulgesangbuch‘ (1. Teil 1821 und 1828, 2. Teil 1826) von Karl Gotthelf Gläsers. - ‘Musikalisches Schulgesangbuch, nach einer genauen Stufenfolge vom Leichtern zum Schwerern in 3 Heften geordnet‘ (1. Heft 1824, 2. Heft 1827, 3. Heft 1830) von Ernst Anschütz. - ‘Liederkranz für Volksschulen‘ (1839-41) von Ludwig Erk und Wilhelm Greef. - ‘Deutscher Liederhort I-III‘ (1893-1894) von Franz Magnus Böhme und Ludwig Erk. Ludwig Erk gilt als der erfolgreichste Herausgeber von Schulliederbüchern, als ‘Schöpfer des modernen Schulliederbuches‘ und bedeutendster Musikpädagoge seiner Zeit. Neben seinem zentralen Liederbuch, dem ‘Liederkranz I-III‘ (1839-41), erschienen u. a. innerhalb eines kurzen Zeitraumes und meistens in Zusammenarbeit mit seinem Schwager Wilhelm Greef die Liederbücher ‘Singvögelein‘ (ab 1842), ‘Kindergärtchen‘ (1843) und ‘Sängerhain‘ (1849-51). Die Liederbücher waren mit ihren unvergleichlich hohen Auflagen von einem außergewöhnlichen Erfolg gekrönt, denn sogar die Tochterveröffentlichung vom ‘Liederkranz‘, das ‘Singvögelein‘, erreichte gemäß Willi Gundlachs Erkenntnissen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Gesamtauflage von 1,2 Millionen verkauften Heften. Erstmals gelang es, ein Liederbuch in größerer Auflage für Kinder herauszubringen. Eine Begründung dafür findet sich in den preiswerten Einzelheften, die ‘das Bewährte und Beliebte mit viel Sinn für die Praxis‘ in sich vereinten und das einstimmige Volkslied in den Mittelpunkt rückten, während der bisher praktizierte mehrstimmige Chorgesang in den Hintergrund gedrängt wurde.
Sina Hosbach (geb. Bernack) ist 1984 in Berlin geboren. Nach Abschluss des Masters of Education begann die Autorin ihr Promotionsstudium und erhielt 2013 vom Fachbereich für Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation der Universität Hildesheim die Doktorwürde. Derzeit ist sie als Redakteurin beim AOL-Verlag unter dem Dach der AAP Lehrerfachverlage GmbH mit den Schwerpunktfächern Mathematik und Musik tätig.
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