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Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Abb.: 13
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Case Management in der sozialen Arbeit ist hierzulande nichts Neues mehr. Seit geraumer Zeit wird diese Methode erforscht und in die Praxis umgesetzt, doch fehlt es an einheitlichen Standards. Selbst über die Begrifflichkeiten herrscht Uneinigkeit. In der Arbeit mit Menschen mit Behinderung gibt es bisher nur wenige Erfahrungen. Dementsprechend wenig Literatur gibt es zu diesem Thema. Diese Studie stellt den Versuch dar, den Lesern und Leserinnen einen informativen Überblick zum Stand der Dinge zu verschaffen. Sie stellt zu diesem Zweck verschiedene Beispiele aus der Praxis sowie Instrumente zur Fallbearbeitung vor. Um den hohen Ansprüchen, die die Arbeit mit behinderten Menschen an die Handelnden stellt, gerecht zu werden, ist es unabdingbar, den Empowerment-Gedanken zu verinnerlichen und in die tägliche Arbeit zu integrieren. Dieser Umstand bewog den Autor, auch dieses Thema ausführlich zu beschreiben.
Textprobe: Kapitel 4.3, Grundsatz der kollaborativen und demokratischen Partizipation: Der zweite Grundwert, der vom Selbstbestimmungsgedanken nicht losgelöst betrachtet werden kann, ist der einer demokratischen und kollaborativen Partizipation (vgl.Pilleltensky 1994, S.360 zit. n. Theunissen / Plaute 2002, S. 26) Er besagt: Wo immer Menschen von Entscheidungen betroffen sind, haben sie ein Recht auf Mitbestimmung! (Galtung 2000, S.109,116, zit. n. ebenda) Personen, die sich am Rand der Gesellschaft befinden oder von individuellen und sozialen Interventionen betroffen sind (Pilleltensky 1994, S.360 zit. n ebenda), sollen sich einzeln oder gemeinsam an der Entscheidungsfindung beteiligen können. Idealerweise wird die Mitbestimmung an Entscheidungen, welche die Interessen der genannten Personen betreffen, im öffentlichen Raum (im weitesten Sinne) ausgetragen. Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen werden im Empowermentansatz vor allem als Bürger mit Rechten, als Experten in eigener Sache gesehen. Der Grundsatz der demokratischen und kollaborativen Partizipation beinhaltet die politische Dimension des Empowerments. Es geht um Bürgerbeteiligung, Betroffenenbeiräte, ziviles Engagement und auch Arbeitskreise mit politischem Mandat, um policymaking . Partizipation fordert die Möglichkeit der Mitgestaltung einer Gesellschaft z.B. durch die Bildung einer Solidargemeinschaft von Menschen mit gleichartigen Interessen. (ebenda) Die Mobilisierung individueller und kollektiver Stärken und Ressourcen, eines gesellschaftskritischen, emanzipierten und kompetenten Protestpotentials, kann einer von gesellschaftlichen Machtgefügen ausgehenden Bevormundung entgegenwirken. Für die Praxis bedeutet dies, dass kollektives und individuelles Empowerment zur Durchsetzung von Selbstbestimmungsinteressen und Autonomiewünschen entsprechender Unterstützungsmaßnamen bedarf. Eine solche wertgeleitete Orientierung kann sich freilich nur dann entfalten, wenn bestimmte Vorraussetzungen eine demokratische Partizipation zulassen. Theunissen und Plaute (2002) merkten dazu an, dass die Strukturen der Entscheidungsfindung in Gesellschaft, staatlichen Organen, Wohlfahrtsverbänden usw. zentralistisch und bürokratisch angelegt sind. Entscheidungen werden von oben herab gefällt und verordnet. Dieser von Galtung (2000, S.16) als strukturelle Gewalt (zit. n. ebenda) bezeichnete Umstand erschwere die Mitbestimmung, Mitgestaltung, wie auch die Förderung der Selbstverantwortlichkeit betroffener Menschen. (ebenda) Damit seien auch beispielsweise die Mitarbeiter in Einrichtungen gemeint. Daher sei es wichtig, eine lebendige Demokratie zu etablieren, welche zwei Grundzüge annehmen könne: In Demokratie A beruhen sämtliche Entscheidungen auf einem Konsens, der aufgrund und am Ende eines alle – Herrschende wie Beherrschte - einschließenden Dialog erzielt wurde. In Demokratie B dagegen basieren die Entscheidungen auf einem Mehrheitsbeschluss nach vorrausgehender Debatte und Abstimmung unter Teilnahme aller - der Herrschenden wie der Beherrschten. (Galtung 2000, S16 zit. n. ebenda) Aus der Sicht von Empowerment hat Modell A den Vorteil, dass es weder eine siegende Mehrheit noch eine unterlegene Minderheit gibt. Es erlaubt eine intensive Suche nach Gemeinsamkeiten. Es gibt keine, z. B. von Gandhi kritisierte Diktatur der knappen Mehrheit . (Galtung 2000, S.25 zit. n. ebenda) Diese konsensorientierte Demokratie eignet sich prinzipiell nicht ausschließlich für kleinere soziale Systeme und Gesellschaften usw., beide Demokratiemodelle können Sinnstiftend wirken. Um eine Benachteiligung von Minoritäten [...] in dem abstimmungsorientierten Demokratiemodell zu vermeiden, bedarf es einer normativen Bezugsbasis, die weltweit auf dem Hintergrund internationaler Abkommen und Bekenntnisse als allgemeine Erklärung der Menschenrechte Ausdruck gefunden hat. (Galtung 1994 2000 zit. n. Theunissen/Plaute 2002 S.28) Die Bedeutung der Menschenrechte kann in diesem Zusammenhang nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das Recht auf Leben und menschenwürdige Behandlung, die Freiheit weltanschaulicher Bekenntnisse und das Diskriminierungsverbot sieht Theunissen (2002) als wichtige Momente der Menschenrechte, als grundlegende und unverhandelbare Grundbedürfnisse menschlichen Seins (vgl. Theunissen / Plaute 2002 S.26ff). 5, Case Management in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung: Seit jüngster Vergangenheit befindet sich die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung im Wandel. Zum einen findet eine umfassende Ambulantisierung der Leistungen statt und zum anderen wurde mit der Einführung des persönlichen Budgets die Beziehung zwischen Leistungsberechtigten, Leistungsanbietern und Leistungsträgern neu definiert. Dieser Umstand macht die Einführung neuer Konzepte nötig. Die Ethnohospitalisierungsbemühungen der vergangenen Jahre und die damit einhergehende Orientierung hin zu gemeindenahen Unterstützungsangeboten erfordern ein individuell angepasstes Koordinationskonzept. Es soll als Schnittstelle zwischen KlientInnen, Personal, anderen Diensten, Sozialleistungsträgern und den politisch Verantwortlichen dienen. Des weitern soll Case Management einen nachvollziehbaren Qualitätsnachweis liefern. Idealerweise reduziert Case Management die Kosten und stellt dennoch eine bedarfsgerechte Unterstützung für die NutzerInnen sicher (vgl. Roters / Möller in Wendt / Locherbach (Hrsg.) 2006. S. 175 ff). 5.4, Aushandeln statt verordnen: Die bereits erwähnten Aushandlungsprozesse sind mit großen Anforderungen an alle Beteiligten im Case Management-Prozess verbunden. Sollte Case Management von oben verordnet werden bestünde die Gefahr, das sich einige dieser Beteiligten von der Prozessgestaltung ausgeschlossen fühlen. Roters und Möller (2006) schlagen deshalb vor, sich zunächst auf einen gemeinsamen Rahmen der Aushandlungsprozesse zu einigen, welcher als Grundlage für Case Management in der Eingliederung dienen kann. (ebenda: S. 185) Hierfür werden von ihnen folgende Kriterien benannt (vgl. ebenda: S. 185): Transparenz: Transparenz bedeutet für die Fall- wie auf für die Systemebene im Rahmen der Hilfeplanung, dass Prozesse und deren Dokumentation für alle Beteiligten nachvollziehbar sind. Transparenz ermöglicht somit wechselseitige Einsichtnahme und bildet die Grundlage einer Rechenschaftslegung, die Rückblicke und Ausblicke auf die Unterstützungsprozesse – mit wechselseitiger Erwartungssicherheit – ermöglicht (vgl. ebenda: S. 186). Kontrakte: Wechselseitige Erwartungen sowie Verpflichtungen und Aufgaben der an der Hilfeplanung Beteiligten müssen verbindlich und schriftlich vereinbart werden. Kontrakte halten auch das Ergebnis von Aushandlungsprozessen und - bei deutlichen abweichenden Positionen - mitunter lediglich den kleinsten gemeinsamen Nenner fest. Im Mittelpunkt steht der Konsens als Basis der weiteren Zusammenarbeit (vgl. ebenda: S. 186). Bedarfsorientierung: Grundlage der Hilfeplanung ist die Orientierung am Bedarf des behinderten Menschen mit dem Ziel einer passgenauen Hilfe. Dies impliziert einen Perspektivwechsel von der Angebotsorientierung zur Personenorientierung. Als Konsequenz bedeutet dies, dass Möglichkeiten bestehen bzw. geschaffen werden müssen, die Erkenntnisse aus den Prozessen auf der Fallebene in die Systemebene zu übertagen (vgl. ebenda: S. 186). Effizienz: Ein verantwortlicher Umgang mit den Kosten der Eingliederungshilfe ist legitime Verpflichtung aller Beteiligten. Als Leitsatz muss dabei gelten: So viele Hilfen wie nötig, so wenig Hilfen wie möglich. Wenn Kosten dabei optimiert werden können, ist dies moralisch und ideologisch nicht anrüchig, solange berufsethische Werte und fachliche Kompetenzen den Maßstab des sozialarbeiterischen Handelns bilden. Hocherfreulich wenn dabei noch ein maßgeschneidertes Leistungsangebot zu einer befriedigenden Lebensführung entwickelt werden kann. (vgl. ebenda: S. 186) Case Management befähigt die KlientInnen, Unterstützungsleistungen selbständig zu nutzen und greift so wenig wie möglich in die Lebenswelt von KlientInnen ein (Neuffer: 2002 S.19). Bei der Einführung von Case Management in der Behindertenhilfe müssen die Handlungskonzepte an die spezifischen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen sowie an die besonderen Anforderungen von Menschen mit Behinderung angepasst werden. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass der Grundgedanke und die daran geknüpften positiven Effekte nicht aufweichen (vgl. ebenda: S. 186). 5.5, Aufbruch mit Methode: Case Management in der Behindertenhilfe verlangt eine gewisse Flexibilität des Konzeptes. Es ist von Nöten, zu den herkömmlichen Konzepten eine Brücke zu schlagen. Doch muss dieser Brückenschlag mit einer transparenten Intention geschehen, mit dem Ziel, die alten Arbeitsweisen schrittweise zu verändern. Case Management birgt die Chance eines Richtungswechsels in der Eingliederungshilfe. Wahrscheinlich wird dabei die Einführung des persönlichen Budgets eine maßgebliche Rolle spielen. Der Kundenbegriff impliziert Autonomie und Mitbestimmung, dies wird strukturelle Veränderungen in der Eingliederungshilfe mit sich bringen. Die noch offenen Fragen und die Skepsis auf Seiten der Betroffenen machen es unabdingbar, die zukünftige Entwicklung bei der Einführung von Case Management wissenschaftlich zu begleiten und die Wirksamkeit sowie die Nutzerzufriedenheit zu dokumentieren. Doch kann das Ziel der Forschung nicht die bloße Dokumentation der Effekte und Konsequenzen sein. Sie soll zusätzlich noch nötige Modifikationen in der Methodik sowie auch im System und den Organisationen der Eingliederungshilfe anregen. Nur so kann Case Management sein Potential auf lange Sicht entfalten. (vgl. ebenda: S. 186) Case Management wird in der Praxis der Eingliederungshilfe daher nur dann erfolgreich etabliert werden können, wenn es gelingt an das Bestehende anzuknüpfen und die zukünftige Richtung gemeinsam zu gestalten (ebenda: S. 186).
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