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Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 134
Abb.: 36
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Bilderbuch ist oft die erste Textsorte auf dem Weg zur literarischen und kulturellen Sozialisation. Der umfangreiche Einsatz im Elternhaus, in Kindertagesstätten, Grundschulen und anderen Bildungseinrichtungen zeigt die Bedeutung dieser Textsorte, die neben ihrer Funktion als Kommunikations- und Interaktionsmedium auch Normen, Werte und Rollenbilder vermittelt. In einer sich rasch globalisierenden Welt und Gesellschaft spielt die Entwicklung interkultureller Kompetenz eine beachtliche Rolle. Wieso also nicht das Bilderbuch als eines der zentralen Kindermedien zur interkulturellen Bildung einsetzen? Die Studie widmet sich unter anderem folgenden zentralen Fragen: Was versteht man unter interkultureller Sensibilisierung? Welche Rolle spielt sie in Bezug auf das Lernen und die Sozialisation im Kindesalter? Wie muss/kann ein Kinderbilderbuch aufgebaut sein, um interkulturell zu sensibilisieren? Wie werden Erkenntnisse aus der Bilderbuchforschung in der Realität umgesetzt? Anhand ausgewählter Bilderbuchbeispiele werden verschiedene Qualitätskriterien anschaulich und gut verständlich betrachtet, analysiert und diskutiert.
Textprobe: Kapitel 2.3.2 Die Rolle des Bilderbuches in der kindlichen Sozialisation: Wer in der gemalten Welt zu sehen gelernt hat, der wird auch seine Umwelt mit neuen Augen sehen. Beginnend mit diesem Zitat soll im Folgenden darauf eingegangen werden, welchen Stellenwert das Bilderbuch in der sozialen Entwicklung des Kindes einnimmt. Während in den vorigen Kapiteln psychologische Aspekte im Vordergrund standen, soll nun die Funktion des Mediums in Bezug auf die gesellschaftliche Orientierung des Kindes dargestellt und erläutert werden. Dietschi Keller sieht die Kinder- und Jugendliteratur, zu der das Bilderbuch zweifelsohne gehört, als Teilprozess der gesellschaftlichen Sozialisation, in dessen Angebot die individuellen Bedürfnisse des Lesers erkannt und kanalisiert werden. Auch Kretschmer weist auf die Bedeutung des Bilderbuches als soziale Entwicklungshilfe hin, indem er den Einfluss auf die Herausbildung von Empathie – durch das Einfühlen in die Perspektive des anderen, sowie die Übernahme fremder Empfindungen – mit Hilfe des Bilderbuches betont. Durch die Darstellung und Beschreibung ausgleichender Welten, sowie durch Vorbildcharaktere, deren Handlungen als Identifikation fungieren, schaffe das Bilderbuch Anreize für das betrachtende Kind, sich positiv in der realen Umwelt zu verhalten. Um diese Wirkung zu maximieren, sollte bei der Erstellung des Bilderbuches die Orientierung an der Erfahrungswelt des Kindes im Mittelpunkt stehen, damit es je nach dessen individuellen Fähigkeiten die Möglichkeit hat, in umfassendem Maße von der Botschaft des Buches zu lernen und zu profitieren. Dabei ist unter anderen auch zu beachten, dass das Kind zunächst seinen momentanen emotionalen Zustand auf die Geschehnisse in seiner Umgebung überträgt – ist es selbst traurig, so empfindet es beispielsweise auch die Figuren in einem Buch als traurig, auch wenn dem gar nicht so ist. Logische Schlussfolgerung ist, dass die intendierten Emotionen innerhalb einer Bilderbuchgeschichte das Kind im Grunde nicht erreichen können, was in besonderem Maße im Hinblick auf die Darstellung komplizierter Charakterzüge (wie Schadenfreude, Mitleid, Trauer etc.) zu beachten ist. Hier spielt die Bezugsperson eine wesentliche Rolle, da es ihre Aufgabe ist, zu erkennen, inwiefern das Kind die Intention des Buches zu verstehen in der Lage ist, beziehungsweise ob Erklärungsbedarf besteht. Denn auch wenn nicht jede Emotion verstanden wird, haben […} die Bilder von Menschen, Tieren, Dingen […] für das Kind so viel Wirklichkeitscharakter, daß sie echte Partner sein können . Dies zeigt deutlich, dass ein Bilderbuch mehr als ein paar bunte Seiten zwischen zwei Pappeinbänden darstellt und für das Kind durchaus elementar in seiner Entwicklung sein kann. Auch wenn die Gefahr der Überbewertung der erzieherischen Funktion des Bilderbuches besteht, sei doch die herausragende Rolle des Bilderbuches hervorzuheben, da es dem Kind Sichtweisen eröffnet, die es im realen Leben oft nicht erwerben kann. Damit ist auch die Orientierung in einer Umwelt gemeint, die zunehmend durch immer vielfältigere Kultureinflüsse geprägt ist. Laut Blei-Hoch sind es oft die fehlenden Berührungspunkte und die daraus resultierende Koexistenz der Individuen, die Spannungen, Vorurteile und zum Teil auch Diskriminierung zur Folge haben kann. Im Gegensatz zu der Auffassung vieler Erwachsener sind bereits Kinder im Vorschulalter für diese Spannungen sensibilisiert und reagieren mit starren Ansichten bis Ablehnung auf Kinder mit Migrationshintergrund – wie sie es zuvor bei Erwachsenen oder Gleichaltrigen beobachtet haben. Auch hier, so Blei-Hoch, kann das Bilderbuch […] als Hilfsmittel zur Förderung der Toleranz und des Verständnisses für unsere multikulturelle Gesellschaft dienen. So wird erneut die Prägnanz interkultureller Bildung im Kindesalter verdeutlicht, welche bereits im Kapitel 2.1.3 diskutiert wurde und zu dessen Gelingen das Bilderbuch, wie unter anderem durch Blei-Hoch dargelegt, einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Auch Thiele ist der Auffassung, dass das Bilderbuch allzu oft lediglich als schöne Nebensache diene und seine Bedeutung insbesondere auch für die soziale Entwicklung des Kindes unterschätzt werde. Zur Begründung führt er Forschungsergebnisse an, die den Einfluss von Bilderbüchern auf die Einstellungs- und Meinungsentwicklung von Kindern verdeutlichen und erläutert in vielen seiner Arbeiten die Frage nach der Kindgemäßheit von Bilderbüchern, die es anschließend zu betrachten gilt. Kindgemäß, das bedeutete (zum Teil bis in die Gegenwart hinein) für die Produktion von Bilderbüchern oft die Darstellung einer sprichwörtlichen Bilderbuchwelt ohne Ecken und Kanten und fern von jeglichen Konflikten. Dass auch die Lebenswelt von Kindern zum Teil durch Ängste, Konflikte oder Notsituationen bestimmt wird, mit denen sie umzugehen erlernen müssen, schlägt sich in der Entwicklung von relevanten Buchangeboten zu ungenügend nieder. Viele Pädagogen sind der Auffassung, dass ein realistisches Abbild der Welt (inklusive Tabus und Negativaspekten) den Schonraum Kindheit zerstöre und sehen in der Ausblendung und Verdrängung dieser Aspekte eine gängige Schutzmaßnahme.
Saskia Rudolph, M.A., wurde 1985 in Chemnitz geboren. Ihr Magisterstudium der Interkulturellen Germanistik, Psychologie und Rechtswissenschaft an der Technischen Universität Dresden schloss sie Ende 2009 erfolgreich ab. Heute ist sie als freiberufliche Fachautorin, -lektorin und Dozentin in den Bereichen Pädagogik und Bildung tätig (www.satzanfang.de). Die Thematik des interkulturellen Lernens im Kindesalter beschäftigt sie bereits seit vielen Jahren - ob im Sprachunterricht im Kindergarten, dem Unterrichten an einer finnischen Grundschule oder der Forschung an der Universität.
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