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Pädagogik & Soziales

Christiane von Reth

Bessere Frühförderung durch psychomotorische Entwicklungsförderung im Wasser

ISBN: 978-3-95934-636-8

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Abb.: 9
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Mit dieser Arbeit wird ein Konzept zur psychomotorischen Entwicklungsförderung im Wasser vorgelegt, das zur Prävention und Rehabilitation in die Angebotsstruktur der Frühförderung integriert werden kann. Es soll gezeigt werden, welche Chancen der Entwicklungsförderung ein solches Angebot für nahezu alle Formen und Ausprägungen von Behinderungen sowie für jede Altersstufe bietet und weshalb die psychomotorische Entwicklungsförderung im Wasser deshalb verstärkt als ergänzende Maßnahme in der Frühförderung eingesetzt werden sollte. Der Arbeit wird das Paradigma der Entwicklungsförderung zu Grunde gelegt, das weder der Therapie noch der Pädagogik vollständig zugeordnet werden kann, sondern ein eigenständiges Paradigma bildet. Daher werden keine vorwiegend therapeutischen Aspekte in den Mittelpunkt gestellt, wie der Titel dieser Arbeit zunächst vermuten lässt. Vielmehr fließen Aspekte aus den Bereichen Therapie und Pädagogik in die vorliegenden Überlegungen zu einem Konzept der psychomotorischen Entwicklungsförderung im Wasser ein.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Psychomotorische Entwicklungsförderung: 4.1, Entstehung der Psychomotorik in Deutschland: Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts beobachtete Ernst J. Kiphard, im Rahmen seiner Arbeit am Westfälischen Institut für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Heilpädagogik in Gütersloh, dass sich im Sport das freie bzw. unmerklich gelenkte Spielgeschehen sowie ein fröhliche[s] Miteinander (Kiphard in: Zimmer 1999, 16) weitaus positiver auf die psychische Verfassung und das Selbstbewusstsein der dort behandelten Kindern auswirke, als leistungsbezogener Wettbewerb. Daraus folgerte er, dass durch die Übungen im leiblichen Bereich ein besonders guter und kindgemäßer Zugang zum Psychischen gelingt (Kiphard 2000, 12). Aus dieser Erkenntnis entwickelte er, gemeinsam mit dem Kinderpsychiater Helmut Hünnekens, das Konzept der psychomotorischen Übungsbehandlung bei entwicklungsrückständigen Kindern . In Ermangelung geeigneter psychomotorischer Testverfahren entwickelte er zudem Verfahren, die über eine Organ- und Funktionsdiagnostik hinausgehen (Schilling 1993, 55) wie 1970 den Trampolin-Koordinationstest (TKT), 1974 den Körperkoordinationstest für Kinder (KTK) und 1975 das sensorische Entwicklungsgitter (Schäfer 1998, 82). Dabei unterstützten ihn seine Mitarbeiter Ingrid Schäfer und Georg Kesselmann, sowie der Psychologe Friedhelm Schilling. Kiphard unterschied in der von ihm begründeten Übungsbehandlung neun Übungsgruppen, die in ontogenetischer Sequenz, je nach funktionellem Reifungszustand für jede Teilretardierung gesondert angeboten werden (Kiphard in: Irmischer & Fischer 1993, 82). Diese beinhalteten Übungen für zahlreiche motorische und sensorische Teilbereiche (vgl. ebd., 82). Ziel des Ansatzes war, funktionelle Reserven und Kompensationsmöglichkeiten im Zentralnervensystem zu aktivieren (Kiphard in: Fischer 1991, 19). Die Aufgliederung in verschiedene Teilbereiche zeigt die anfänglich noch stark medizinisch-klinische Orientierung seines Konzepts. Sie stieß sowohl in der Diskussion um die Ganzheitlichkeit von Fördermaßnahmen, wie auch in der Entwicklungspsychologie auf Kritik (vgl. Irmischer & Fischer 1993, 82), da eine derartige Aufteilung Gefahr läuft, lediglich Fertigkeiten im Sinne einer Symptombehandlung zu üben, die sich nicht von der Fördersituation in den Alltag übertragen lässt. Trotzdem fand der Gedanke, durch Bewegung und ihren hohen Motivationsgrad eine ganzheitliche Förderung von Kindern zu erzielen, schnell eine breite Anhängerschaft und übte Einfluss auf andere pädagogische und therapeutische Konzepte wie z.B. die Ergotherapie aus (vgl. Eggert 2000, 10). Die Bildung des Aktionskreis spezielle Bewegungspädagogik und psychomotorische Therapie 1974 führte durch Kongresse und Veröffentlichungen, sowie Entwürfe für berufsbegleitende Fortbildungen und Studiengänge zu einem immer stärkeren Interesse in der Fachwelt und schließlich zur Gründung des Aktionskreis Psychomotorik e.V. am 1. April 1976. Dies war der Beginn der wissenschaftlichen Fundierung von Psychomotorik (vgl. Schäfer 1998, 84). Durch das Engagement von Schilling konnte sich das Fachgebiet Motologie , das sich mit Motorik als Grundlage der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit des Menschen, ihrer Entwicklung ihrer Störungen und deren Behandlung beschäftigte (Schilling in: Fischer 2004, 18), im Jahre 1983 als Studiengang der Philipps-Universität Marburg etablieren. Das Fachgebiet wurde unterteilt in die beiden Praxisbereiche Motopädagogik und Mototherapie , deren Basis die Motogenese mittels Motodiagnostik darstellt (vgl. Fischer 2004, 18). Eggert weist darauf hin, dass sich der Terminus Motopädagogik gegen die ursprüngliche Bezeichnung Psychomotorik durchgesetzt habe, man in neuester Zeit aber wieder von diesem abweiche und zu dem international verbreiteten Begriff der Psychomotorik zurückkehre (Eggert 2000, 10). Viele Autoren wie z.B. Zimmer ziehen den Terminus Psychomotorik vor, da dieser die enge Verknüpfung des Körperlich-Motorischen mit dem Geistig-Seelischen verdeutlicht (Zimmer & Circus 1990, 33). Heute orientiert sich die Psychomotorik an Erkenntnissen der Motogenese und deren Beeinträchtigung (Fischer 1991, 19) und stellt anhand umfassender motodiagnostischer Verfahren individuelle Konzepte zur Förderung der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung auf. Als Grundlage der Förderplanung dienen weniger die Schwächen, als vielmehr die Stärken und Interessen des Kindes. In der neueren Fachliteratur finden sich konstruktivistische sowie ökologisch - systemische Einflüsse. So wird in der ökologisch - systemischen Perspektivenerweiterung (Fischer 2004, 27) nicht mehr das Kind allein in den Mittelpunkt gestellt, sondern in Anlehnung an die systemische Entwicklungstheorie nach Bronfenbrenner im Kontext seiner sozialen Umwelt betrachtet, die dessen Entwicklung beeinflusst und auf die das Kind selbst Einfluss nimmt (vgl. 2.3.2.1). Die Veränderung in einem System hat meist Veränderungen in anderen Systemen zur Folge. Damit gewinnt auch im Mikrosystem der Psychomotorikgruppe die Beziehung zwischen Kind und Therapeuten bzw. Pädagogen an Relevanz, weil Kompetenzen und Interessen des Kindes die Förderung wesentlich mitbestimmen und eine ganzheitliche Förderung nur unter Einbezug des komplexen Bedingungsgefüges der individuellen Entwicklung möglich ist. Diese Beziehung ist für den Therapeuten bzw. Pädagogen ebenfalls notwendig, um das Kind und sein Handeln zu verstehen: Balgo fordert eine Akzeptanz ohne Forderung (Balgo in: Fischer 2004, 158), da er aus der Perspektive des Konstruktivismus heraus Auffälligkeiten und Störungen des Kindes als Teil seiner Persönlichkeit auffasst (vgl. Fischer 2004, 158). Konstruktivistisch betrachtet gibt es nicht die einzig wahre Wirklichkeit und daher ist eine Auffälligkeit eine subjektive Konstruktion des Beobachters. Das Handeln eines Kindes kann durchaus einen Sinn ergeben, der sich dem Beobachter bei oberflächlicher Betrachtung möglicherweise nicht gleich offenbart, sich ihm aber, im Zusammenhang mit verschiedensten Systemen und Sinnkonstruktionen, aus den Augen des Kindes betrachtet, erschließen kann. Es entsteht also eine Wechselwirkung zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten (Zimmer 1999, 48). Daher ist geboten, zu beobachten, wie wir beobachten (ebd., 48) und sich darüber bewusst zu sein, dass man keine objektive Wirklichkeit, sondern eigene Konstrukte über die Wirklichkeit betrachtet. Obwohl diese Sichtweise keine Aussagen über inhaltlich-thematische Angebote (Fischer 2004, 163) in der Psychomotorik macht und eine Förderung auf den ersten Blick sogar mangels objektiv feststellbaren Förderbedarfs sinnlos erscheint, ist die Leistung des Ansatzes unverkennbar. Der Therapeut bzw. Pädagoge ist nicht mehr länger Helfer des Kindes oder Anleiter in der Fördersituation. Stattdessen übernimmt er im partnerschaftlichen Dialog die Rolle des reflektierten Moderators oder Kommunikationsspezialisten (ebd., 160) und strukturiert den Förderkontext so, dass das Kind seine individuelle Entwicklung optimal durch eigenes Handeln im sozialen Kontext gestalten kann. Dieser Paradigmenwechsel in der Psychomotorik (Eggert 2000) führte zu einem Umdenken in Theorie und Praxis. Das Denken in der Psychomotorik ist heute nicht mehr linear-kausal ( Ich mache Psychomotorik – also muss ich auch durch mehr Bewegung mehr Entwicklungsanreize auslösen , Eggert 2000, 13), sondern hat sich hin zu einem vernetzten, prozessualen Denken entwickelt (ebd., 13). Entwicklung wird nun als wechselseitiger Interaktionsprozess zwischen dem aktiv handelnden Kind und seiner sozialen und materialen Umwelt betrachtet (vgl. Fischer1993, 86). 4.2, Das Menschenbild der Psychomotorik: Die Psychomotorik geht von einem ganzheitlichen Menschenbild aus und legt damit eine Einheit von Körper, Seele und Geist zugrunde (Fischer 2004, 31). Bewegung, Kognition und Emotion stehen demnach immer in Wechselwirkung miteinander (vgl. ebd., 31). An jeder Handlung ist immer der ganze Mensch beteiligt (Zimmer 1999, 27). Er wird als Subjekt betrachtet, das handelnd, untrennbar verbunden mit Wahrnehmungsprozessen, und im Gesamtzusammenhang seiner Lebenswelt und Vorerfahrungen, die seinen unmittelbaren Entwicklungskontext darstellen, durch Erkundungs- und Handlungsprozesse Wissen über die Welt erwirbt und sein Wissen in Veränderungsstrategien umsetzt (Fischer 2004, 44). Angetrieben wird er dabei von seinem Streben nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung und seinem Bedürfnis nach einem sinnvollen und erfüllten Dasein (vgl. Zimmer 1999, 27). Er ist Akteur seiner Entwicklung (Kautter et al. 1995) und somit nicht passives Produkt seiner Umwelt (Fischer 2004, 39), sondern entwickelt sich sowohl durch sein aktives Handeln als auch durch Umwelteinflüsse.

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