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- Verhaltenspsychologisch orientierte Infektionsprävention. Welchen Einfluss hat die subjektive Risikowahrnehmung von Ärzten und Pflegekräften auf ihr infektionspräventives Händehygieneverhalten?
Natur / Technik
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 168
Abb.: 23
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In Deutschland ist die Situation bezüglich der hygienischen Händedesinfektion zur Prävention von Krankenhausinfektionen verbesserungswürdig. Für die Erklärung der sogenannten Non-Compliance (Nichteinhaltung der Händehygiene) gibt es mittlerweile zahlreiche Ansätze. In den letzten Jahren kamen dabei vermehrt psychologische Theorien zur Anwendung. Im Rahmen des Buches geht es darum – auf Basis des sozial-kognitiven Prozessmodelles gesundheitlichen Handelns (Health Action Process Approach, HAPA) – das infektionspräventive Grundverständnis von Ärzten und Pflegekräften zu verstehen. Zudem Erklärungen zu motivationalen und verhaltenspsychologisch relevanten Faktoren des medizinischen Personals zu erlangen und die subjektive Risikowahrnehmung dieser Zielgruppe nachvollziehen zu können.
Textprobe: Kapitel 6.1: Infektionspräventives Verständnis der Ärzte und Pflegekräfte: Um der Herausforderung der Prävention von nosokomialen Infektionen gerecht zu werden, ist für die Entwicklung von Interventionen zur Steigerung des Händehygieneverhaltens entscheidend zu wissen, in welchem infektionspräventiven Mindset sich die potenziellen Schulungsteilnehmer befinden. Hierfür wurden die Einschätzungen zum Verständnis der Infektionsprävention stratifiziert nach Berufsgruppen betrachtet und gemäß der Hypothese untersucht, inwieweit die Themen Infektionsprävention und Händehygiene im Klinikalltag sowohl bei den Ärzten als auch bei den Pflegekräften der MHH grundlegend verankert sind. Für die intensivmedizinisch-tätigen Ärzte und Pflegekräfte der MHH konnte gezeigt werden, dass ein Großteil der Mitarbeiter ein infektionspräventives Verständnis hat. Sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte haben ein Bewusstsein dafür, dass Händehygiene zur Vermeidung von 78 Infektionen im Klinikalltag beiträgt. Somit haben die medizinischen Mitarbeiter der MHH eine ähnlich positive Einstellung zur Infektionsprävention wie andere medizinische Mitar-beiter aus dem Intensivbereich [170]. Darüber hinaus zeigt sich jedoch, dass die Pflegekräfte überzeugter als ihre ärztlichen Kollegen davon waren, dass sie mithilfe der Händedesinfektion zur Vermeidung von Infektionen beitragen. So zeigten sich auch in der Studie von Pittet et al. [26], in der nur Ärzte befragt worden waren, wesentlich höhere Einschätzungen zum infektionspräventiven Ver-ständnis bei den dort befragten Schweizer Ärzten [ebd.]: Über 90% gaben an, dass die Hände-hygiene ein effektives Mittel zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen ist. Aus der Literatur insgesamt ist bekannt, dass Ärzte skeptischer gegenüber der Effektivität und Wirksamkeit der Händehygiene sind als andere Berufsgruppen [106]. Schlussfolgernd sollten Ärzte hinsichtlich dieser infektionspräventiven Grundüberlegung fokussiert und infektions-präventiv noch stärker überzeugt werden. Dies belegen auch die dargestellten Compliance-Verläufe der ITS- und KMT-Stationen der MHH von 2008 bis 2013 [7]. Kapitel 6.2: Motivationale und verhaltensrelevante Faktoren der Ärzte und Pflegekräfte: Im Folgenden wird die Forschungsfrage diskutiert, ob die medizinischen Mitarbeiter hände-hygienische Motivations- bzw. Verhaltensdefizite haben. Kapitel 6.2.1: Motivation: Angesichts der Tatsache, dass das Händehygieneverhalten bereits auf allen Stationen umgesetzt wird, ist es wenig verwunderlich, dass die Mehrheit der Ärzte und Pflegekräfte angeben, dass sie händehygienisch motiviert sind. Diese Ergebnisse sind fast deckungsgleich zu den Einschätzungen der Schweizer Ärzte (77% [26]). Ferner konnte durch Analysen die Tendenz bestätigt werden, dass Pflegekräfte motivierter sind, die Händehygiene umzusetzen. Diese Intention ist für den gesamten Verhaltensprozess wichtig und muss fortführend auf-rechterhalten werden. Zugleich muss die Motivation der Ärzte und Pflegekräfte dafür genutzt werden, um die Bereitschaft zu aktivieren – im infektionspräventiven Sinne – noch besser zu agieren [171]. Allerdings ist diese Aktivierung außerordentlich schwierig, wenn sich die Mitarbeiter einer-seits hochmotiviert fühlen und anderseits davon ausgehen, sich immer leitliniengerecht zu verhalten. Für eine aktive Verhaltensverbesserung ist ein Problembewusstsein erforderlich: Besteht aus Sicht der betreffenden Ärzte und Pflegekräfte kein akuter Handlungsbedarf, werden mutmaßlich auch keine weiteren Bemühungen in diesem Kontext angestrebt [167]. Kapitel 6.2.2: Frequenz: Wie eingangs vermutet, geben beide Berufsgruppen zum Großteil an, dass sie sich immer die Hände desinfizieren. Lediglich ein kleiner Anteil der Ärzte und Pflegekräfte gibt an, sich nicht immer leitliniengerecht zu verhalten. Bei dieser Gruppe der selbstberichteten weniger complianten Mitarbeiter ist das Änderungs- bzw. Verbesserungspotenzial größer, da sie be-reits über diese Form der Selbstwahrnehmung verfügen. In der Gesamtheit zeigt sich, dass sich vor allem die Ärzte leitliniengerechter einschätzen als sie es laut Compliance-Beobachtungen sind [7]. In einer Arbeit von Jenner wurde ebenfalls beschrieben, dass Ärzte ihr eigenes Händehygieneverhalten überschätzen [99]. Die Pflege-kräfte der MHH zeigen auch Überschätzungstendenzen, jedoch ist dieser Unterschied kleiner als bei den Ärzten. Bei den Untersuchungen von O´Boyle et al. konnten ähnliche Tendenzen bei Pflegkräften nachgewiesen werden [116]. Grundsätzlich kann somit bestätigt werden, dass vor allem Ärzte, aber auch Pflegekräfte unrealistische Einschätzungen zum eigenen Händehygieneverhalten haben [172]. Die tendenziell bessere Fähigkeit zur Selbstreflektion der Pflegekräfte kann einerseits gestärkt und anderseits zusätzlich für die Einsicht zur Optimierung der Infektionsprävention genutzt werden [128]. Der Grund für die Überschätzung des ärztlichen Händehygieneverhaltens kann mithilfe der verhaltenspsychologischen Technik des Spiegelns bearbeitet werden [ebd.]. Hierfür eignet sich die Gegenüberstellung der standardisierten Daten und den selbstberichteten Einschätzungen zur Händehygienecompliance. Dabei geht es vor allem um eine sorgfältige Vorgehensweise: Wenn einem Arzt nur eine oder zwei Indikationen der Händedesinfektion genau bekannt sind, ist es unrealistisch, dass er bei den anderen Indikationen korrektes Hände-hygieneverhalten umsetzen wird. Hierfür bietet sich der mehrfach beschriebene Einfluss durch den Input des Händehygienewissens aus den Leitlinien an [105].
Dr. Bettina Lutze, M.Sc., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Hygiene / Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Leipzig. Zuvor hat sie als Doktorandin das PSYGIENE-Projekt (Verhaltenspsychologisch optimierte Förderung der hygienischen Händedesinfektion) begleitet und war als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover tätig.
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