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- Mobiler Hochwasserschutz in urbanen Gebieten: Ein Überblick und Anwendungsmöglichkeiten einzelner mobiler Hochwasserschutzsysteme
Natur / Technik
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die in den letzten Jahren aufgetretenen Überflutungen in Graz haben die Notwendigkeit eines geeigneten Hochwasserschutzsystems unterstrichen. Besonders in urbanen Gebieten spielt die Anwendbarkeit und Flexibilität solcher Systeme eine wichtige Rolle. Im Vorfeld des Fachbuches wurde eine umfangreiche Recherche zum Thema Mobiler Hochwasserschutz in urbanen Gebieten durchgeführt. Des Weiteren werden die Grundlagen zur Entstehung von Hochwasser in Gebieten mit hohem Versiegelungsgrad erläutert und eine Entscheidungshilfe für die Anwendung von mobilen Hochwasserschutzsystemen unter pluvialen Bedingungen ausgearbeitet. Der Fokus wird dabei auf die Anwendbarkeit der Systeme mit kurzen Vorwarnzeiten gelegt, wie sie in urbanen Gebieten ihre Anwendung finden. Ein besonderes Augenmerk wird dabei den planmäßig mobilen und den notfallmäßigen Hochwasserschutzsystemen gewidmet. Praxisorientierte Maßnahmen bei Überflutungen sowie ein Maßnahmenplan der Stadt Graz werden als Beispiele angegeben.
Textprobe: Kapitel 2.1.5 Arten von Hochwasserereignissen: Im anglo-amerikanischen Raum wird zwischen pluvialem und fluvialem Hochwasserereignissen unterschieden. Pluviales Hochwasser: Pluviale Hochwasser treten meist infolge von Starkregenereignissen wie z.B. Sommergewitter, Schneeschmelze und infolge einer Überlastung des Kanalsystems auf. Nach solchen Starkregenereignissen fließt das Wasser durch urbanes Gebiet in ein Kanalsystem oder in Fließgewässer. Dabei entstehen Überflutungen meist aufgrund zu hoher Versiegelung oder mangelnder Bodendurchlässigkeit. Die Vorwarnzeit ist bei dieser Art von Hochwasser sehr kurz (Jha, et al., 2012). Fluviales Hochwasser: Fluviale Hochwasser entstehen wenn Oberflächenwasser in ein Fließgewässer mündet und dieses bei einem Starkregenereignis aufgrund von Überbelastung über die Uferränder tritt. Durch Messung der Pegelstände im Fließgewässer ist eine lange Vorwarnzeit möglich (Jha, et al., 2012). Laut Patt et al. (2001) können Hochwasser aufgrund ihrer zeitlichen Dauer, Größe und der Art ihres Einzugsgebietes in folgende Ereignisse unterteilt werden: Sturzfluten: Sturzfluten sind lokale, plötzliche auftretende und sehr dynamische Hochwasserereignisse, welche in kleinen Einzugsgebieten durch lokale Starkregenereignisse verursacht werden. Findet der Niederschlag in einem sehr steilen Gelände und in einem sehr kurzen Zeitraum statt, bildet sich die Hochwasserwelle sehr plötzlich. Durch die hohe Energie und Dynamik solcher Wellen, werden auf dem Weg ins Tal Bäume, Sträucher, große Felsbrocken oder sogar ganze Talflanken mitgerissen. Wenn ein kleines Einzugsgebiet welches nur wenige Hektar groß ist, von einem Starkregen betroffen wird, dann können innerhalb kürzester Zeit extreme Oberflächenabflüsse entstehen. Diese Abflüsse sind räumlich begrenzt. Aufgrund ihrer hohen Intensität und Energie, sind solche Ereignisse sehr gefährlich (in Anlehnung an Sowa, 2010). Lokale Überschwemmungen aus Starkniederschlägen: Lokale Überschwemmungen aus Starkniederschlägen entstehen wie Sturzfluten in kleinen Einzugsgebieten aber in ebenem Gelände. Verursacht werden sie durch Starkregenereignisse bzw. Unwetter, die zu lokalen Überflutungen führen. Im Unterschied dazu unterteilt Pagenkopf (2003) Hochwasserereignisse nach ihren Auslösern: - Regenhochwasser - lang anhaltende Niederschläge (zyklonal, orographisch). - Flashfloods - Schauer. - Schmelzhochwässer - Schnee, Gletscher. - Sturmfluten - Meeresflut. - Stauhochwasser - Eisstau, Verklausung, Rückstau an Einmündungen, Windstau. - Katastrophenhochwasser - Dammbruch, Erdbeben, Bergsturz. - Kombinationen. 2.2 Arten von Hochwasserschäden: In Anlehnung an die 1997 verfasste Empfehlung Berücksichtigung der Hochwassergefahren bei raumwirksamen Tätigkeiten der Bundesämter der Schweiz, wird zwischen statischer und dynamischer Überschwemmung unterschieden. Zusätzlich können noch Murenabgänge, Ufererosion und Grundwasseranstieg für Beschädigungen an Nutzungsobjekten verantwortlich sein. 2.2.1 Schäden infolge dynamischer Überschwemmung: Schäden aus dynamischen Überschwemmungen sind durch hohe Fließgeschwindigkeiten (größer 1 m/s) gekennzeichnet. Diese treten meist bei Wildbächen, Gebirgsflüssen und in geneigtem Gelände auf. In flachem Gelände treten hohe Geschwindigkeiten an Engstellen wie z.B. bei Toren, Durchbrüchen und Durchlässen auf. Die primäre Gefährdung erfolgt durch den Strömungsdruck. Der maßgebende Schadensparameter ist als Produkt aus mittlerer Fließgeschwindigkeit und Wassertiefe festgelegt (Loat, et al., 1997). Weiters können durch die hohe Fließgeschwindigkeit Erosionsschäden entstehen. Diese treten meist in Nahbereichen von Hindernissen wie Gebäude oder Pfeiler auf. Aufgrund der hohen Fließgeschwindigkeit bei Engstellen, sind diese besonders auf Erosion beansprucht. In Einzelfällen ist die Stoßwirkung von mitgeführten Objekten (Steine, Schwemmholz etc.) zu berücksichtigen. In der Schutzwasserwirtschaft werden deshalb vor Hochwasserrückhaltebecken sogenannte Grobrechen angeordnet um eine Verklausung (vollständiger Verschluss eines Fließgewässerquerschnitts infolge einer Ablagerung von Treibgut oder Totholz) zu verhindern. 2.2.2 Schäden infolge statischer Überschwemmung: Bei einer statischen Überschwemmung ist die Fließgeschwindigkeit kleiner 1 m/s (Egli, 2002). Der Anstieg der Wassertiefe außerhalb des Gerinnes ist meist relativ langsam. Die statische Überschwemmung tritt in flachem Gelände und entlang von Seen auf. Der maßgebende Schadensparameter ist die maximale Überschwemmungstiefe. Das Ausmaß der Schäden wird durch die Anstiegsgeschwindigkeit des Wassers, die Mächtigkeit der Feststoffablagerungen und die Überschwemmungsdauer beeinflusst (Loat, et al., 1997) 2.2.3 Murenabgänge: Murenabgänge oder auch Mure, Schlammstrom, Schlammlawine oder Geröll-Lawine genannt, treten im Zusammenhang mit Hochwasser in steilen Wildbachgebieten mit meist über 15 % Bachgefälle auf (Loat, et al., 1997). Im Falle eines im Gebirge auftretenden Hochwassers, kann Gesteinsmaterial aus Hangrutschungen, Geschiebe und Geröllmassen sowie Schutthalden in Bewegung geraten und in Wildbächen talabwärts fliesen. Der Fluss kann durch Hangrutsche, Bergschlipfe oder nach Felsstürzen aufgestaut werden, weil sein ursprünglicher Fließweg versperrt wurde (BLW, 2004). 2.2.4 Grundwasseranstieg: Lang andauernde Regenfälle sowie Unwetter mit starken Niederschlägen können zu einem Grundwasseranstieg führen. Ebenso kann der Grundwasserspiegel in der Nähe von Sohl- und Uferbereichen von hochwasserführenden Oberflächengewässern ansteigen. Dieser Anstieg erfolgt meist unbemerkt von unten aus dem Erdreich. Besonders betroffen sind dabei unterkellerte Gebäude, da ein Eindringen des Grundwassers aufgrund des Grundwasserdrucks möglich ist. (BLW, 2004) Verunreinigungen des Wassers in Brunnen sowie Feldvernässungen sind mögliche Folgen eines Grundwasseranstiegs. 2.2.5 Ufererosion: Als Ufererosion wird das Nachbrechen der Uferböschung infolge Tiefen- und Seitenerosion verstanden. Durch schnell fließendes Wasser werden Lockermaterial und Gesteine, welches der Erosionskraft nicht standhält, mitgerissen. Man unterscheidet zwischen Ufererosion und Sohlerosion. In vielen Fällen ist die Ufererosion […] die schadensreichste Art, da Gebäude und Brücken nahe am Gewässer beschädigt werden können. Das entscheidende Sicherheitskriterium für Bauten und Anlagen ist somit ihre Fundationstiefe. Ist diese unzureichend, das heißt geringer als die Erosionstiefe, so ist ein Einsturz unvermeidlich (Loat, et al., 1997). Die internationale Kommission zum Schutz des Rheins unterscheidet bei Hochwasserereignissen zwischen direkten und indirekten Schäden: Direkte Schäden: Der Schaden tritt durch die direkte Einwirkung des Wassers und seiner mitgeführten Stoffe ein. Vernässung und Schmutzeinlagerung führen zu teilweisem bis vollständigem Wertverlust an Gebäudestruktur (Böden, Wände, Decken), Installationen und am Gebäudeinhalt. In Einzelfällen kann auch die Statik betroffen sein (Auftrieb, Erosion, etc.). Mit zunehmender Überschwemmungsdauer breitet sich die Feuchtigkeit auch oberhalb der maximalen Einstauhöhe aus. Dieser Umstand ist insbesondere bei längeren Einstauzeiten zu berücksichtigen. Mit Öl oder Fäkalien kontaminiertes Wasser kann bei Objekten allein durch eingelagerte Geruchsstoffe zu einem Totalschaden führen. Eingelagerte Feststoffe in elektrischen oder mechanischen Apparaten führen zu Betriebsstörungen und können oftmals nicht mit verhältnismäßigem Aufwand entfernt werden. Insbesondere sind auch EDV – bzw. EDV – gesteuerte Anlagen gefährdet. (Sowa, 2010) Indirekte Schäden: Als indirekte Schäden ökonomischer Art werden laut Egli (2002) bezeichnet: - Betriebsunterbrechungen. - unterbrochene Infrastruktur (Ver- und Entsorgung). - Kosten für Provisorien. - sowie der erlittene Marktverlust. Diese können insbesondere im Gewerbe- und Industriebereich die direkten Schäden übersteigen. […]. 3 Mobiler Hochwasserschutz: 3.1 Definition: Laut BWK (2005) werden mobile HWS - Systeme wie folgt definiert: Mobile Hochwasserschutzsysteme umfassen Konstruktionen aus Stahl, Leichtmetall, Holz, Kunststoff oder Gummi, mit denen temporär wasserdichte Konstruktionen hergestellt werden können, durch die sich Bereiche eines Überschwemmungsgebietes vom Hochwasser freihalten lassen. Sie werden nur für die Dauer des Hochwassers aufgestellt. Damit unterscheiden sie sich grundlegend zu konventionellen Hochwasserschutzanlagen, wie Dämme und Mauern, die fest in die Umgebung integriert sind und daher dauerhaft ihre Schutzfunktion erfüllen. Mobile HWS - Systeme lassen sich weiter untergliedern in planmäßige und notfallmäßige mobile Hochwasserschutzsysteme. Letztere werden auch Sandsackersatzsysteme genannt. Zum planmäßigen mobilen Hochwasserschutz zählen alle Systeme, die nur für den Einsatz an einem bestimmten Ort vorgesehen sind, notfallmäßige Systeme können an beliebigen Orten aufgestellt werden. 3.2 Rechtliche Grundlagen: Planmäßig mobile Hochwasserschutzsysteme unterliegen den gleichen rechtlichen Bedingungen wie der des stationären Hochwasserschutzes. In Österreich sind die rechtlichen Grundlagen für den Hochwasserschutz - im Wasserrechtsgesetz (WRG 1959). - im Wasserbautenförderungsgesetz (WBFG 1985). - in den technischen Richtlinien für die Bundeswasserbauverwaltung (RI-WA-T 2006). - sowie im Forstgesetz, Raumordnungs- und Baugesetz verankert. Das Raumordnungs- sowie das Baugesetz werden von den jeweiligen Bundesländern geregelt. Da der mobile Hochwasserschutz nur einen Teil der Gesamtkonzeption eines Hochwasserschutzsystems darstellt, ist die Genehmigung des mobilen HWS – Systems Gegenstand des Genehmigungsverfahrens für die Gesamtkonzeption. In der Regel ist hierfür ein Planfeststellungsverfahren und eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß dem UVP – Gesetz erforderlich. Weiters sind bei der Bemessung und konstruktiven Gestaltung anerkannte Regelwerke, DIN – Normen und Empfehlungen zu berücksichtigen (BWK, 2005). Die EU – Hochwasserrichtlinie 2007/60/EG über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, behandelt das Thema Überflutungen aus Abwassersystemen ausdrücklich nicht. (HWRL, 2007) 3.3 Anwendungsbereiche: Mobile Hochwasserschutzelemente lassen sich laut BWK (2005) nach Schutzfunktion und Anwendungsbereich wie folgt unterscheiden: - Schutz bestehender Gebäudekomplexe. - Einzelobjektschutz. - Schutz unbebauter Flächen. 3.3.1 Schutz bestehender Gebäudekomplexe: Recherchen einer Studie des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (2000) ergaben, dass sich der Einsatz mobiler Hochwasserschutzelemente in Österreich und Deutschland überwiegend auf städtische Siedlungsgebiete mit hoher Bebauungsdichte beschränkt. Solche Maßnahmen können lokal begrenzt oder als Ergänzung bestehender baulicher Anlagen wie zum Beispiel die Sicherung von Durchlässen für Wege, getroffen werden. Die Finanzierung für kommunale Hochwasserschutzprojekte erfolgt dabei aus öffentlicher Hand. Im Gegensatz dazu wird der Objektschutz für Einzelgebäude wie zum Beispiel Dammbalkensysteme zur Verschließung von Gebäudeöffnungen, meist privat finanziert. Aufgrund von beengten Platzverhältnissen werden ufernahe Altstadt- sowie gefährdete Siedlungsgebiete durch den Einsatz mobiler Elemente nachträglich vor Hochwasserereignissen geschützt. 3.3.2 Einzelobjektschutz: Unter Einzelobjekte versteht man Gebäude, welche nicht innerhalb eines geschlossenen Siedlungsverbands situiert sind.
Christian Baumgartner, Dipl. Ing., wurde 1984 in Vorau geboren. Sein Studium an der Technischen Universität Graz schloss der Autor im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad Diplomingenieur erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor praktische Erfahrungen bei unterschiedlichen Baufirmen welche er in seine Veröffentlichungen einfließen lässt. Weiters beschäftigt sich der Autor intensiv mit dem Thema Eigenleistungen im Einfamilienwohnhausbau .