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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2021
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Angebotsvielfalt und Medienkonvergenz stellen Unternehmen in ihrem Vorhaben, Bekanntheit, Neukunden und langfristige Kundenbindungen zu generieren, vor besondere Herausforderungen. Tagtäglich wird der Konsument zudem mit nicht weniger als 10.000 Werbebotschaften konfrontiert. Moderne Marketingkommunikation verfolgt somit vor allem ein Ziel: die werbliche Absicht zu verschleiern. Mit wachsender Raffinesse werden Konsumenten gezielt emotional erreicht und à la Hollywood unterhalten – und genießen so rund um das Produkt ein Erlebnis. Storytelling: eine Strategie, die nicht nur für klassische Werbezwecke, sondern auch für ein langfristiges Markenbranding und den Aufbau einer Brand Community fruchtbar gemacht werden kann. Storytelling kann das Erscheinungsbild und die Einstellung eines Unternehmens veranschaulichen und dauerhaft beim Werbeempfänger oder Kunden prägen. Entscheidend für Konsumenten, die in Zeiten starker gesellschaftlicher, technologischer und ökonomischer Veränderungen ihre Kaufentscheidungen nicht nach Argumenten, sondern nach Werten, Vertrauenswürdigkeit und Lifestyle richten. Dieses Buch verschafft Einblicke in die Mechanismen des Storytelling und zeigt anhand ausgewählter Beispiele auf, in welch vielfältigsten Bereichen der Marketingkommunikation es bereits Anwendung gefunden hat.
Textprobe: Kapitel 3.1 Warum Storytelling? Es zeigt sich, dass gerade im Zeitalter der Digitalisierung und der damit einhergehenden massenhaften Verfügbarkeit von Informationen und multimedialen Kommunikationsweisen, Marketingmanager durch Einzelgeschichten auf das Interesse der Konsumenten stoßen – singuläre, konkrete und beispielhafte Situationen in einem emotionalen Setting. Auch in der Politik wird darüber diskutiert, welche Macht Geschichten innewohnt und wie man mit dem zunehmenden Interessenverlust an Faktischem umgehen soll (Ettl-Huber 2017, S. 91), und selbst in der Kriegsführung wird mit einfachen Geschichten oft mehr erreicht als mit vielen Argumenten. (Hanimann 2007, S. 37). Zwar gilt, dass in der Marketingkommunikation Fakten eine wesentliche Rolle spielen (z.B. hinsichtlich CSR), doch wie Ettl-Huber anmerkt, bedeutet es meist keinen Beinbruch, die Vorzüge eines Produkts oder einer Dienstleistung etwas mehr zu preisen. (Ettl-Huber 2017, S. 91). Denn das Geschichtenerzählen hat auf eine bestimmte Art und Weise Einfluss auf den Zuhörer. Ein bekanntes Zitat lautet: People don’t have 30 Seconds to be interrupted, but have 30 minutes to hear a good story. (Thompson zit. n. Bredl 2015, o.S.). Viele namhafte Marken haben sich bereits aufgrund dessen hinsichtlich ihrer Kundenansprache umorientiert: Der Werbeimpuls im Sekundentakt wird abgelöst durch aufwändiges inszeniertes Erzählen einer Geschichte rund um die Marke. (Brand Trust o.J., o.S.). Was ist der Grund dafür, dass das Erzählen seit Jahren ökonomischen Aufschwung erfährt, sowohl in Medien, Journalismus, Popkultur, Marketing, Werbung und in der PR (vgl. Esders 2017, S. 195)? Das Aufkommen des Instruments Storytelling wird auf Mitte der neunziger Jahre geschätzt (vgl. Hanimann 2007, S. 37). Die Erkenntnisse hinsichtlich der Veränderung des Markenverständnisses veranlassten Experten neue Strategien zu entwickeln, um einem schnelllebigen und gesättigten Markt gerecht zu werden. Zudem versprachen Kunden sich fortan mehr von Marken als den bloßen Erwerb von mit Logos bestückten Produkten. Auch No-Name Produkte waren auf dem Vormarsch. Seit dem sogenannten narrative turn werden in den Kultur- und Sozialwissenschaften die vielseitigen Leistungen des Erzählens zur Wissensgenerierung und zum Wissenstransfer erforscht (Fahrenwald 2011). Es wird von der Grundannahme ausgegangen, dass die Konstitution, Stabilisierung und Transformation individueller wie kollektiver Identitäten (Neumann 2000, S. 7) maßgeblich durch das Erzählen bedingt ist. Laut des Biologen Siefer steckt hinter dem Erzählen ein tieferer Sinn, es gleicht wie Essen und Trinken einem wichtigen Grundbedürfnis des Menschen. Letztendlich wird das gesamte Leben auf narrative Weise erinnert, erlebt und organisiert: Denn nicht die Vernunft oder Analyse, nicht Intuition oder Gefühle, sondern das Erzählen ist die wichtigste Form menschlichen Denkens. (Siefer 2015, S. 15). Vor diesem Hintergrund nutzen Unternehmen das Potential des Erzählens für die Einbindung von Mitarbeitern und Kunden oder auch für interne Lern- und Veränderungsprozesse. Durch Storytelling kann es zu Veränderungen der Wahrnehmung, der Akzeptanz, der Einstellung und des Verständnisses für bestimmte Prozesse, Problematiken oder Personengruppen [kommen], die in der Erfahrungsgeschichte beschrieben wurden. (Thier 2005, S. 42). Ebenso haben viele Dienstleister, Beratungsunternehmen, Kreativagenturen und Bildungsanbieter ihren Fokus auf Storytelling gelegt und auch die Selbstfindungs- und Selbstmanagementszene hat das Erzählen für Businessstrategien entdeckt (vgl. Esders 2017, S. 195). Die amerikanische Soziologin Polletta schreibt in ihren Studien zu Storytelling: In recent years, storytelling has been promoted in suprising places. […] Managers are now urged to tell stories to motivate workers and doctors are trained to listen to the stories their patients tell. Reporters have rallied around a movement für narrative therapy. Every year, tens of thousands of people visit the International Stroytelling Center in Jonesborough, Tennessee, or flock to one of the more than two hundred storytelling festivals held around the country. And a quick scan of any bookstore reveals scores of popular books on the art of storytelling as a route to spirituality, a strategy for grant seekers, a mode of conflict resolution, and a weight-loss plan. (Poletta 2009, S. 1). Untersuchungen hinsichtlich eines bemerkbaren Wechsel[s] vom Begründen zum Erzählen (Hanimann 2007, S. 37) in vielen Bereichen der Gesellschaft wie Medizin, Wissenschaft, Politik und Marketing, lagen lange Zeit nicht vor (vgl. ebd. Esders 2017, S. 202). Als Wegbereiter des öffentlichen Diskurses über die strategischen und manipulativen Eigenschaften des Storytellings gilt das 2007 erschienene Buch von Christian Salmon, In den Essays thematisiert er nicht nur das wachsende poetische und poetologische Raffinement des Marketings (Esders 2017, S. 202), sondern die ebenso ohne kritische Hinterfragung angenommene Integrität des Erzählens. Was leistet somit das Storytelling und in welchem Kontext werden Geschichten in der Marketingkommunikation eingesetzt? Nach Krüger lässt sich Storytelling vor allem für drei Bereiche anwenden: für das Identitäts-, Aufmerksamkeits- und Deutungsmanagement (vgl. Krüger 2017, S. 105f.): 1. Identitätsmanagement: Mit dem Ziel eines Unternehmens, eine eindeutige, attraktive und differenzierende Marktpositionierung zu erreichen und somit identifizierbar zu sein, werden Geschichten dafür genutzt, den Prozess der Identitätsbildung zu entwickeln und darzustellen. Denn narrative Strukturen eignen sich im Besonderen dafür, Motive, Aktivitäten und Leistungen des Unternehmens verständlich zu kommunizieren. Geschichten sind im besten Fall dazu in der Lage, Leistungs- und Wertemerkmale der Unternehmensidentität (Buß 2012, S. 171) wie Reputation, Kompetenz und Rang bzw. Ortsbezug, Tradition und kulturelles Selbstverständnis (Krüger 2017, S. 105) zu übermitteln. 2. Aufmerksamkeitsmanagement: Im Wettbewerb um Kunden muss es einer Marke gelingen, die öffentliche Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Durch Aspekte der Narration wie Akteure (Personalisierung, Emotionalisierung), Orte (Nähe) und Ereignisse (Faktizität) wird Aufmerksamkeit geweckt (vgl. Krüger 2015, S. 117ff.). Die Handlung (Eindeutigkeit, Kontroverse, Erfolg, Misserfolg) sorgt für den Spannungsbogen mit einem Anfangs-, Wende- und Endpunkt. 3. Deutungsmanagement: Eine Werbebotschaft soll dem Empfänger etwas vermitteln und ihm helfen sich zu orientieren. Geschichten transportieren aufgrund ihrer Struktur Muster für eine Deutung, sodass der Empfänger sodann selbst in der Lage dazu ist, die Geschichten zu interpretieren. Entman (1993) bezeichnet diese Deutungsmuster als narrative Frames und Elemente der Erzählung, die da sind: der Ausgangspunkt (das zentrale Problem), die verschiedenen Figuren und ihre Archetypen, die eine Bewertung ihrer Motive und Handlungen ermöglichen (Krüger 2017, S. 106), die verschiedenen einschneidenden Momente der Handlung (vom Anfang bis zum positiven/negativen Ende) und die Moral der Geschichte. Ein Beispiel für ein narratives Frame, bzw. Muster für die Deutung einer Werbebotschaft, bietet der Image-Spot von Lidl aus dem Jahre 2015. In dem Film wird eine besondere Aussage in den Mittelpunkt gestellt: Was gut ist . Im Folgenden wird der Text der Erzählstimme zitiert, der zusammen mit einer harmonischen Bildwelt inszeniert wird. Woran erkennen wir eigentlich, was gut ist? Dass etwas gut ist, erkennen wir nicht daran, dass uns jemand sagt: ‚Das ist gut‘. Und auch nicht daran, dass es auf einmal alle gut finden. Oder, dass es besonders teuer ist. Was gut ist, erkennen wir daran, dass es gut für uns ist. Weil alles einfach so ist, wie es sein soll – oder sogar noch besser. Wir erkennen es an Kleinigkeiten, die für uns große Bedeutung haben. Manchmal ist gut aber auch genau das, womit wir nie gerechnet hätten. Das, was uns überrascht und uns plötzlich genau deshalb so gut gefällt. Gut kann eine ganz große Sache sein oder ein ganz kleiner Moment. Und manchmal ist etwas so gut, dass es die Zeit anhalten kann. Wir erkennen es daran, wie sehr wir uns darauf freuen und es genießen. Und wir vermissen es, wenn es plötzlich fehlt. Gutes erkennen wir daran, wie etwas aussieht, riecht, schmeckt und vor allem, wie es sich anfühlt. Eigentlich wissen wir doch alle ganz genau, was gut für uns ist. (Lidl 2015). Im Spot werden weder der Unternehmensname genannt noch Produkte gezeigt, lediglich deuten am Ende die Worte: Gutes erkennen wir daran, wie etwas aussieht, riecht, schmeckt , darauf, um welche Branche es sich handeln könnte. Schließlich wird mit dem Schlusssatz: Eigentlich wissen wir doch alle ganz genau, was gut für uns ist ersichtlich, dass der Spot sich damit auf Lidl und die Qualität ihrer Produkte bezieht. Explizit benannt wird das jedoch nicht – es wird auf implizite Weise in die Geschichte eingebunden.
Julia Heese, M.A., wurde 1988 in Köln geboren. Ihr Studium der Germanistik schloss die Autorin 2006 mit dem akademischen Grad des Bachelors, ihr Studium der Technik- und Innovationskommunikation 2008 mit dem akademischen Grad des Masters ab. Bereits während des Studiums sammelte sie umfassende praktische Erfahrungen in der Werbebranche, sowohl von Agentur- als auch von Unternehmensseite her. Ihre Tätigkeit für verschiedene Kunden aus den Bereichen Product Customization und Design motivierte sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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