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Alena Salsa

Museum im Wandel: Vom Tempel der Kunst zum Tempel der Besucher?

Eine Studie zur Berliner Museumslandschaft

ISBN: 978-3-8366-8180-3

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 142
Abb.: 23
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Steht der Besucher im Mittelpunkt des musealen Handelns im 21. Jahrhundert? Hat sich das Museum vom Tempel der Kunst um 1900 zum Tempel der Besucher um 2000 gewandelt? Und was macht ein besucherorientiertes Museum aus? In einem historischen Kontext wird diesen Fragen unter Einbezug der Themen Museumsreformbewegung, Museumsdirektoren, Museumsinnenraumarchitektur, Rauminszenierungsstrategien und Museumspublikum nachgegangen. Die Analyse der Gegenwart erfolgt mit Hilfe der Museumsstandards, der Funktion der Unterhaltung, der Ökonomisierung der musealen Tätigkeit, der Museumsarchitektur und dem besucherorientierten Museum. Ein Exkurs über das Eintrittsgeld und eine Studie zur Berliner Museumslandschaft runden das Buch ab. In dieser Studie werden fünf ausgewählte Museen - Jüdisches Museum Berlin, Deutsches Historisches Museum Berlin, Stiftung Stadtmuseum Berlin, Berlinische Galerie und Technikmuseum Berlin - miteinander verglichen. Dieser Vergleich wird durch Befragungen der Museumsmitarbeiter und der Angestellten der Berliner Senatskanzlei - Kulturelle Angelegenheiten ergänzt. Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen den Wandel der Museen zur Besucherorientierung. Trotzdem besteht Handlungsbedarf, um von einem besucherorientierten Museum sprechen zu können: Verankerung der Besucherorientierung im Leitbild, Rechenschaftspflicht gegenüber dem Besucher, kundenfreundlicher Service und Erreichen der Nichtbesucher durch Museotainment sind die wichtigsten Forderungen der Autorin. Erst wenn breite Bevölkerungsschichten ins Museum kommen, wird das Museum ein Tempel aller Besucher sein.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2.6, Die Museumsarchitektur im Dienste des Besuchers: Die neuen Tätigkeitsfelder der Museen und ihre neue Organisation stellen neue Anforderungen an den Museumsbau. Ob dieser im Dienste des Besuchers steht, ist das Thema dieses Kapitels. Das Museum von heute ist nicht mehr nur ein Ort, wo Kunstwerke aufbewahrt und ausgestellt werden, sondern muss nach von Moos folgende drei Funktionen erfüllen: 1. Auffangstrukturen (Empfang des Publikums, Eingangshalle, Garderobe, Restaurants, Cafeteria usw.), 2. Präsentationsräume (Galerien, Ausstellungsräume) und 3. Büros, Werkstätten und Depots für Verwaltung, Konservierung usw. Venturi weist darauf hin, dass sich seit den klassischen Exempeln des 19. Jahrhunderts das Verhältnis von Ausstellungs- zur sonstiger Fläche im Museum von 9:1 auf bis etwa 1:2 verschoben habe, d.h. etwa nur ein Drittel des gesamten Raumes ist Ausstellungsfläche. Von Moos macht darauf aufmerksam, dass es keinen Katalog architektonischer Formen gibt, der die drei Funktionen erfüllen würde. Maier-Solgk ist der Meinung, dass der Museumsboom veränderte Räume für ein verändertes kulturelles Verhalten zu schaffen versucht hat. Die Funktion des Aufbaus der Sammlung tritt in den Hintergrund und das wechselnde Ausstellen geht einher mit dem Interesse des Publikums nach Abwechslung. Diese Veränderungen spiegeln sich im Museumsbau wieder. ‘Anders als im 19.Jahrhundert, als die Musentempel der enzyklopädischen Sammelleidenschaft der Nationen repräsentativen Ausdruck verliehen, ziehen die Bauten der letzten rund 20 Jahre als eine Art übergreifendes Ausstellungsobjekt die Aufmerksamkeit auf sich selbst – und zuletzt auf ihre Erbauer.’ Das Museum ist nicht nur Zweckbau, sondern Gesamtkunstwerk. Maier-Solgk vertritt die Meinung, dass die ausgestellte Kunst auch im Museumsbau zu sehen ist. So bevorzugen die Museen, die Kunst der alten Bestände ausstellen, farbige Wandbespannungen und hohe Voutendecken, die Museen jedoch, die Kunst ab den siebziger Jahren ausstellen, teilen mit dieser Kunst die ästhetische Zielsetzung. Einen Überblicksartikel zur Entwicklung der Funktionen der Museumsarchitektur hat der Architekt Ian Ritchie 1994 verfasst. Er unterscheidet bei der Museumswahrnehmung drei Wahrnehmungsstufen, die an Intensität abnehmen: 1. Inhalte der Ausstellungen und Sammlungen während des Museumsbesuches, 2. Wahrnehmung der Außenhülle, die Museumsarchitektur, der Behälter (container) und 3. das öffentliche Image des Museums. Kirchberg beschreibt die Entwicklung des Museumsbaus, von inhaltsgestaltend in den 1970er Jahren, über die 1980er Jahre, in denen der Museumsbau als Imageträger der Stadt entdeckt wurde und die Museumsgestaltung nicht mehr primär inhaltsgestaltend war, bis zu den 1990ger Jahren, in denen der Besucher an Bedeutung gewann. Es entstanden neue Ansprüche an die Museumsbauten, welche jedoch nicht zum Paradigmenwechsel führten. Nach Ritchie dominiert die (Außen-) Form des Behälters über die (Innen-) Funktionen des Museums nicht nur bei Neubauten sondern auch beim Umbau alter Gebäude für Museumszwecke. Kirchberg führt als Beispiel das Jüdische Museum in Berlin auf, welches eine spektakuläre Hülle besitzt und bei dem erst später die inhaltliche Gestaltung überlegt worden ist. Ritchies Ausführungen werden durch Crouwel dahingehend ergänzt, dass in der Diskussion um Dominanz der Form und Funktion die Museumstypen unterschieden werden müssen. Oechslin stellt den Höhepunkt der öffentlichen Museumsbauten um 1900 dem Museumsboom von heute gegenüber. Er bezweifelt die rege Sammlungstätigkeit und das zunehmende Bedürfnis nach Kunst als Gründe für den Museumsbauboom und stellt die provokante Frage: ‘Oder verdeckt sie skulpturale Architekturhülle ein Kunst- und Sammlungsproblem?’ Thierry Greub betont, dass Museumsbauten überregionale Ausstrahlung besitzen können, ein Katalysator des ökonomischen Aufschwungs sein können und sogar statt der Kunst selbst die Hauptattraktionen sein können. Er beschreibt zwei Pole der Museumsarchitektur seit den 1990er Jahren. Auf der einen Seite steht die expressiv-dekonstruktivistische Bauweise, die die Dominanz der Architektur über die Kunst darstellt (z.B. Zaha Hadid, Daniel Libeskind, Frank O. Gehry). Auf der anderen Seite stellt sich die minimalistische Architektur dar (z.B. Peter Zumthor, Morger & Degelo), die eine völlig neutrale und demokratische Ausgangsposition für die ausgestellte Kunst sein will. Greub betont jedoch, dass letztendlich die Erfahrung eines einzelnen Besuchers über die gelungene oder misslungene Definition des Raumes entscheidend ist. ‘Die Zukunft des Museums liegt darin, ob es sich als ein komplexer Raum für neue, bleibende Erfahrungen und nicht nur für opulente Kurzschlüsse bewähren kann.’ Er stellt fünf Tendenzen für die Museen seit 2000 auf: 1. Klassische Bescheidenheit der Museumsbauten als Antwort auf die Anforderungen des Museums, eine normsetzende Institution zu sein und sich doch dem Alltag zu öffnen (z.B. Pinakothek der Moderne des Architekten Stephan Braunfeld). 2. Neue Transparenz als Nivellierung von Innen- und Außenbereich (z.B. University of Michigan Museum of Art. Die Kunst betritt die Straße, die Straße das Gebäude. 3. Neuen Aufgaben stellt das Museum für Hellenische Geschichte in Athen dar, welches ein Museum ganz ohne Objekte sein wird, in dem die Architektur für die fehlenden Artefakte einstehen und sich selbst artikulieren muss. 4. Neuer Symbolismus der Dauer (aeternitas) tritt in die Architektur wieder ein (z.B. Mercedes-Benz Museum in Stuttgart). Neuer Körperbezug zeichnet sich in der Form der Einbeziehung und Aktivierung des Besuchers am Baukörper. ‘Diese neue, gesteigerte Intensität nicht nur des Außenhauses, sondern auch des Außenbezugs und der Besucheraktivierung scheint die Überlebensstrategie des neuen Museums zu sein.’ Es geht um eine Intensität die sich auf den Besucher überträgt und ihm eine neue Wahrnehmung ermöglicht. Das Museum würde dann Raum für ‘Spekulationen’ lassen, im Sinne von: ‘die höchste Form der Bewegung des menschlichen Denkens, ein Schauen, das im Hinausgehen aus sich selbst, und gerade nicht in der Introspektion, zur Anschauung seiner selbst gelangt…’ ‘Das Museum wäre dann wirklich ein Ort der ‘Verquickung von Schauen, Spiegeln und Erkennen’. Knapp beschreibt 14 neue europäische Museumsbauten des 21. Jahrhunderts und ist der Meinung, dass bei den fünf Kunstmuseen die formalen und funktionalen Spielmöglichkeiten derzeit weitgehend ausgereizt sind, bei den Technischen, den Historischen und den Archäologischen Museen noch Wirkungsmöglichkeiten bestehen. So bietet das Centre Pompidou in Merz eine Menge Platz für den Erlebnisraum, das Neue Akropolis Museum in Athen leitet den Besucher durch die Ausstellungsgeschosse und wieder zurück. Ihre architektonische Zusammenführung und ein Servicetrakt entsprechen den neuen Anforderungen an die Museen (z.B. das zentrale Eingangs- und Servicebauwerk von David Chipperfield). In den vorgegebenen Wege- und Ausstellungsrouten sieht Kirchberg einen modernen Kontrollmechanismus des Besuchers, der der McDonaldisierung These folgt. Der Ausstellungskatalog ‘Museen im 21. Jahrhundert’ widmet ein ganzes Kapitel der Planungsgruppe Museumsinsel Berlin. Die Museumsinsel in Berlin verdeutlicht, wie sich der Umgang mit der Kunst seit den ersten öffentlichen Museumsbauten gewandelt hat. Heute besteht das zentrale Problem, den ursprünglichen Charakter der Bauten zu erhalten und sie dabei den Anforderungen der Besucher und wissenschaftliche Präsentation anzupassen. Den einzelnen Häusern fehlende bzw. nicht ausreichende Infrastruktur (Restaurants, Shops, Garderoben, Vortragssäle usw.) wird in ein zentrales, dem Neuen Museum vorgelagertes neues Eingangsgebäude übernommen. Greub gibt in seinem Beitrag über die Museen des 21. Jahrhunderts ein Zitat von Markus Lüpetz aus dem Jahr 1984 wieder, dem auch ich zustimmen und das folgende Kapitel abschließen möchte: ‘Die Architektur sollte die Größe besitzen, sich selbst so zu präsentieren, dass die Kunst in ihr möglich wird, dass die Kunst nicht durch den Eigenanspruch der Architektur, Kunst zu sein, vertrieben wird und ohne – was noch schlimmer ist -, dass die Kunst von der Architektur als ´Dekoration´ ausgebeutet wird’.

Über den Autor

Alena Salsa, Jahrgang 1967, lebte bis zum 12. Lebensjahr in Prag. Studium der Betriebswirtschaft mit Ausrichtung Betriebswirtschaftliche Steuerlehre (Abschluss 1997, Dipl.-Kauffrau) und Zweitstudium der Kunstwissenschaft (Abschluss 2009, M.A.) an der TU Berlin. Arbeitet im öffentlichen Dienst und in der privaten Wirtschaft in den Bereichen Verwaltung, Rechnungswesen, Controlling, Finanzmanagement und Personalwesen.

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