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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 240
Abb.: 38
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Expertisen stellen eine Symbiose aus Faktenwissen und Anwendungswissen dar. Sie beinhalten vor allem auch das Anwenden von Wissen und damit ein großes Repertoire von Beispielen der erfolgreichen, wie auch der negativen, Anwendung von Wissen. Das Faktenwissen dahinter lässt sich sehr leicht transferieren, was bereits mit Mitteln von Informationsmanagement möglich ist. Doch wie sieht es mit den Expertisen aus, diejenigen Teile in der Organisation, die den langfristigen Erfolg und das organisationale Lernen sichern? Der Autor führt an die Themen des organisationalen Lernens im Unternehmen heran und stellt ein auf der Modelltheorie basierendes Schema des Wissenstransfers im Unternehmen dar. Aufbauend auf diesem Modell zeigt er, wie der Transfer von Expertisen durch die Integration der Mittel und Werkzeuge von Kompetenzmanagement in die Abläufe von betrieblichem Lernen erleichtert werden kann. Dieses Buch liefert dem Leser wertvolle Einblicke in die Themen organisationales Lernen und Kompetenzmanagement. Es versetzt ihn in die Lage, selbstkritisch zu reflektieren und ein Konzept des Expertisentransfers an die individuellen Bedürfnisse des eigenen Unternehmens anpassen zu können. Dadurch, dass die bearbeiteten Themengebiete zu Beginn des Buches kurz vorgestellt werden, und der Leser eine Einführung in die wesentlichen Grundlagen erhält, eignet sich das Buch sowohl für Leser mit wenig Vorkenntnissen, wie auch für fortgeschrittene.
Kapitel 3.2, Wissensmanagement der ersten Generation: Im Wissensmanagement der ersten Generation wurde vereinfacht ausgedrückt das vorhandene Wissen im Unternehmen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie bewirtschaftet. Gemeint ist der Versuch, das richtige Wissen zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle im Unternehmen bringen. Dies könnte mit folgenden beiden Mantras zusammengefasst werden: (1) It’s all about capturing, codifying, and sharing valuable knowledge, and (2) it’s about getting the right information to the right people at the right time. Im Wissensmanagement der ersten Generation wurde davon ausgegangen, dass das vom Unternehmen benötigte Wissen bereits im Unternehmen in irgendeiner Form existiert. Es ging nur um die Kodifizierung und Verteilung von bestehendem Wissen. Prozesse der Wissensentstehung wurden meist außen vor gelassen. Das Wissen wurde in einzelne Bausteine zerteilt und über verschiedene Stationen im Unternehmen verteilt. Daraus wurde auch der Begriff der Wissenslogistik geprägt: Das richtige Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wissensmanagement der ersten Generation berücksichtigte damit aber keineswegs die Tatsache, dass Wissen nicht in sich abgeschlossen ist und sich in Paketen verteilen lässt und dann von einem Ort an einen anderen verschickt werden kann. Wissen befindet sich in einem ständigen Fluss (worauf bereits eingangs hingewiesen wurde) – nur dadurch kann es sich entwickeln und Nutzen stiften. Das unternehmensspezifische Wissen befindet sich ständig im Fluss und wird permanent weiterentwickelt. Diese Dynamik ist dadurch bedingt, dass Wissen nicht nur isoliert von den Organisationsmitgliedern generiert wird, sondern auch im Dialog mit Kunden oder anderen Stakeholdern des Unternehmens. Wissensmanagement der ersten Generation beschäftigte sich daher zumeist nur mit dem Speichern von Wissen und der damit verbundenen Entwicklung von geeigneten Datenbanksystemen. Diese Systeme wurden als Wissensmanagementsysteme verkauft, waren jedoch meist nichts anderes als Informationsmanagementsysteme. Es wurde durch diese Technikaffinität auch übersehen, dass es für die Mitarbeiter eines Unternehmens einen Lernprozess darstellt, das Wissen so aufzubereiten, dass es auch tatsächlich in einer Datenbank speicherbar ist. Mitarbeiter mussten lernen, dass sie Wissen, besser gesagt Kompetenzen und Fähigkeiten und damit verbunden implizites Wissen, in ein Medium übertragen sollten, das nichts mit der Arbeitsrealität, also dem Ort, wo das Wissen tatsächlich angebracht, erstellt, benötigt und gegebenenfalls modifiziert wird, zu tun hat. In diesem Zusammenhang stellt Dievernick weiters die Frage, ob es sich bei Wissen, das in Datenbanken gespeichert wird, überhaupt noch um Wissen handelt, da ja die wesentliche Komponente, die Wissen ausmacht - der Kontext - in dieser Darstellung fehlt. Schon alleine diese Transformation von Wissen in einen anderen Kontext, in dem Fall, in ein anderes Medium, lässt die Frage aufkommen, ob es sich überhaupt noch um Wissen handelt, da Wissen ohne den Kontext seinen Charakter als Wissen verliert. Wissen in dieser Form kann bloß nur das Abziehbild des ursprünglichen Wissens sein. Wissen verliert durch diese technikaffine Speicherung seine wesentliche Unterscheidung zu Information und Daten. Dieses so gespeicherte Wissen könnte man als Faktenwissen bezeichnen. Wird Wissen einfach in einer Datenbank gespeichert handelt es sich nicht mehr um Wissen im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr um Information beziehungsweise Daten, da der soziale Aspekt, der Wissen ausmacht übergangen wird. Auch Senge deutet auf dieses Problem hin: The problem starts with not understanding knowledge, how it is created and how it operates in practical settings – because knowledge is social. Knowledge is what we know how to do, and we do things with one another. Collaboration is the flip side of knowledge management. You can’t talk about one without the other. So, to manage knowledge you need to address collaboration and tools that help people collaborate. Senge zeigt also auf, dass im Umgang mit Wissen zuerst verstanden werden muss, was Wissen an sich überhaupt ausmacht und dass Wissen in der Interaktion zwischen Personen entsteht. Ein Großteil dieser weichen Faktoren von Wissen lässt sich im Kontext von Wissen erkennen. Im Wissensmanagement der zweiten Generation werden für viele Probleme, die in der Anwendung von Wissensmanagement der ersten Generation erkannt wurden, Lösungsstrategien angeboten. Auf Wissensmanagement der zweiten Generation wird in Kapitel 3.3 vertiefend eingegangen. Kapitel 3.2.1, Zusammenfassung der zentralen Aspekte von Wissensmanagement der ersten Generation: Zusammenfassend kann subsumiert werden, dass Wissensmanagement der ersten Generation nur die supply-side von Wissensmanagement nach McElroy unterstützt. Es wurde versucht, Wissen zu strukturieren, zu formalisieren und in Informationssystemen und Datenbanken abzulegen. Die zentrale Idee wurde vom Begriff der Wissenslogistik geprägt – das richtige Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Kapitel 3.2.2, Probleme von Wissensmanagement der ersten Generation: Genau die Konzentration auf nur eine Seite - nämlich die supply side - stellt das größte Manko von Wissensmanagement der ersten Generation dar. Denn viel Wissen existiert noch gar nicht im Unternehmen. Es muss erst geschaffen werden beziehungsweise müssten die Voraussetzungen gegeben sein, damit Wissen entstehen kann. Dieses Faktum bleibt im Wissensmanagement der ersten Generation vielfach völlig unberücksichtigt. Daraus resultierte eine technikorientierte Variante von Wissensmanagement, die sich vom Informationsmanagement nicht wesentlich unterschieden hat. Ziel war im Grunde, das gesamte Wissen im Unternehmen zu erfassen - d. h. zu formalisieren - und in Datenbanken zu speichern. Die inhärente Idee war, eine Wissensbasis im Unternehmen aufzubauen, in der das gesamte Wissen der Mitarbeiter zentral gespeichert und abrufbar ist. Vielfach lassen sich Problemlösungswege auf Regeln abbilden - das heißt, formalisieren. Es entstehen dann Expertensysteme. Expertensysteme an sich können Experten wesentlich bei deren Arbeit unterstützen, indem sie Routinetätigkeiten abnehmen. Gefährlich ist allerdings der Versuch, durch Expertensysteme, die Experten ersetzen zu wollen. Denn wenn Laien mit schwachem Hintergrundwissen das Expertensystem anwenden, fehlt jenes starke Hintergrundwissen der Experten, um Ergebnisse interpretieren zu können. Im System entstehen keine Innovationen mehr, da nur nach streng vorgegebenen Regeln gehandelt wird. Ein derartiges System würde sich nur dann nicht von selbst totlaufen, wenn das gesamte Wissen an sich formalisierbar wäre. Den Gegenbeweis findet man bei Gödel (siehe auch Kapitel 2.2.4). Weiters würde das Wissen, das dem Expertensystem zugrunde liegt veralten und nicht mehr aktualisiert werden, da es nur unreflektiert angewendet wird. Im Rahmen der Projekte, die unter die Kategorie Wissensmanagement der ersten Generation fallen, wurden außerdem vielfach falsche Schlüsse aus den scheinbaren Vorteilen von Wissensmanagementsystemen gezogen. Unternehmen erhofften sich, dass die Mitarbeiter nun schneller arbeiten könnten, da sie das benötigte Wissen nicht suchen müssen, sondern sofort zur Hand haben . was trotz der Wissenslogistik vielfach gar nicht erreicht werden konnte. Daher sollten sie mehr Arbeit abwickeln, anstatt die zusätzliche freie Zeit zur Reflexion und damit Generierung und Weiterentwicklung von Wissen zu nutzen. Weiters wären Mitarbeiter und Wissenspakete völlig eigenständige Entitäten, die beliebig austauschbar und jederzeit ersetzbar seien. Diese Grundannahme erzeugte natürlich zusätzliche psychologische Barrieren seitens der Mitarbeiter, sich an derartigen Projekten aktiv zu beteiligen. Kapitel 3.3, Wissensmanagement der zweiten Generation: McElroy und Firestone unterscheiden im Wissensmanagement der zweiten Generation zwischen der supply-side und der demand-side. Supply bedeutet in diesem Zusammenhang das Verteilen und zur Verfügung stellen von Wissen im Unternehmen sowie die Integration von Wissen in den verschiedenen Teilen des Unternehmens. Sämtliche Initiativen in diesem Zusammenhang beziehen sich aber immer auf bereits im Unternehmen vorhandenes Wissen. Der Nutzen von Wissensmanagement ist also die Kodifizierung, Speicherung und Verteilung von Wissen im Unternehmen. Wissensmanagement der ersten Generation berücksichtigt gemäß dieser Unterteilung also rein die supply-side von Wissensmanagement (also die Distribution und Speicherung von Wissen im Unternehmen), nicht aber die demand-side. Prozesse, die für die Generierung von neuem Wissen zuständig sind, subsumieren McElroy und Firestone unter der demand-side. Diese demand-side umfasst alle Prozesse bei denen durch das Aufgreifen und Bearbeiten von Problemen Wissen in irgendeiner Form generiert wird. Wird Wissen sozusagen von außen dem Unternehmen zugeführt - zum Beispiel durch das Engagieren von Experten oder externen Beratern - so wird schlussendlich dieses (für das Unternehmen) neue Wissen auch in unternehmensinternen Prozessen erzeugt, da diese externen Berater dann im Unternehmen mit den Mitarbeitern arbeiten. Das für das Unternehmen relevante Wissen wird dann in diesen Interaktionsprozessen generiert. So betrachtet gehört auch die Wissensakquise von außen in den Bereich der demand-side. Im Wissensmanagement der zweiten Generation findet auch die demand-side Platz. Es geht nicht mehr nur um die reine Verteilung von Wissen im Unternehmen, sondern auch darum, wie Prozesse zur Wissensgenerierung gesteuert werden können. Das Wissensmanagement der zweiten Generation geht nicht mehr davon aus, dass das gesamte Wissen bereits im Unternehmen vorhanden ist und nur mehr verteilt werden muss. Vielmehr wird auch ständig neues Wissen während der betrieblichen Abläufe im Unternehmen erzeugt. Diese Prozesse der Wissensentstehung sind hauptsächlich soziale Prozesse, die wenig von der Unterstützung durch IuK-Systeme abhängig sind. In diesen Ansatz fließen auch die Forschungsergebnisse aus dem Gebiet der komplexen adaptiven Systeme (complex adaptive systems, CAS) und des organisationalen Lernen ein. Ein Unternehmen wird als organisches System, sprich komplexes adaptives System, betrachtet, was natürlich andere Denkprozesse in Bezug auf die Unternehmensführung verlangt. Dieser Bezug zum organisatorischen Lernen wird auch deutlich, wenn man folgendes Zitat betrachtet, in dem Senge die Arbeiten von Allen und Sandow zitiert: As the philosophy of the physical sciences dominated the Industrial Age, the philosophy of the biological science is beginning to dominate the Knowledge Age. This philosophy views knowledge, people, and organizations as living systems which represents a shift from (1) focusing on parts to focusing on the whole, (2) focusing on categorization to focusing on integration, (3) focusing on individuals to focusing on interactions, and (4) focusing on systems outside the observer to focusing on systems that include the observer. Während der Betrachtungsweise eines Unternehmens als mechanisches System, Wissensmanagement der ersten Generation absolut genüge tut, kann dieses nicht mehr ausreichen, wenn Unternehmen als organische Netzwerke gesehen werden. Wissensmanagement der ersten Generation ist - anders ausgedrückt - angewandter Taylorismus im Bereich der kollektiven Wissensbasis eines Unternehmens. Wissensmanagement der ersten Generation geht davon aus, dass das Wissen in atomare Einheiten zerteilt werden kann. Jeder im Unternehmen verrichteten Tätigkeit werden dann einfach die benötigten Wissenspakete, die zur Ausübung der Tätigkeit notwendig sind, zugeordnet. Dies würde weiters zu dem Schluss führen, dass die Summe des im Unternehmen vorhandenen Wissens die Summe dieser atomaren, in einer Datenbank gespeicherten Wissensteile ist. In Wahrheit stellt die organisationale Wissensbasis aber weit mehr als nur die reine Summe dieser Teile dar. Dieses Phänomen wird häufig unter dem Begriff der emergenten beziehungsweise hervortretenden Systemeigenschaften zusammengefasst. Das Ganze ist demzufolge mehr als nur die Summe der Teile. Aus diesem Grund kann ein System auch nur als Ganzes betrachtet werden, denn wenn man ein System in zwei Hälften schneidet, erhält man nicht zwei kleinere Systeme, sondern ein kaputtes oder totes Systems. Im Wissensmanagement der zweiten Generation wird daher klar unterschieden zwischen Prozessen die Wissen generieren (knowledge management / demand side) und Prozessen die der Organisation und Integration von Wissen dienen (knowledge processing / supply side). Im Unternehmen entsteht so eine Wechselwirkung zwischen Wissensgenerierung und Wissensverteilung. Auf dieser Wechselwirkung zwischen knowledge management und knowledge processing basiert der Knowledge-Life-Cycle. Im Kapitel 3.3.3 wird auf diesen Knowledge-Life-Cycle näher eingegangen. Bei der Weitergabe und Verteilung von Wissen innerhalb des Unternehmens wird die menschliche Komponente deutlich stärker betont, als das im Wissensmanagement der ersten Generation der Fall war. Dievernick bezeichnet diese zweite Generation von Wissensmanagement als zweite Welle des Wissensmanagements: Gerade der Personalbereich hat daraus Konsequenzen gezogen, die sich in der zweiten Welle, Wissensmanagement im Unternehmen etablieren zu wollen, zeigt. So haben die Personalentwicklungsabteilungen das Thema so gut wie ganz von der IT-Komponente abgekoppelt. In den Vordergrund rücken nun praxisnähere Verfahren, die eine face-to-face Kommunikation in den Mittelpunkt stellen. Kapitel 3.3.1, Kennzeichen und zentrale Aspekte von Wissensmanagement der zweiten Generation: Wissensmanagement der zweiten Generation bricht mit der These, dass das gesamte Wissen im Prinzip bereits im Unternehmen vorhanden sei und streicht hervor, dass Wissen im Unternehmen einem laufenden Fluss unterliegt. Neben dem notwendigen Fluss von Wissen im Unternehmen, den auch Heinrich in seiner Definition von Wissensmanagement hervor streicht, müssen auch diejenigen Prozesse Berücksichtigung finden, die zur Generierung neuen Wissens beitragen. Um dies zu unterstreichen, unterscheidet Wissensmanagement der zweiten Generation zwischen der demand-side und der supply-side von Wissensmanagement und versucht, beide Seiten zu unterstützen. McElroy und Firestone modellieren die Dynamik, die in der Erstellung, Überprüfung und Weiterentwicklung von Wissen steckt mit dem Konzept des Knowledge-Life-Cycle, auf den in Kapitel 3.3.3 näher eingegangen wird. Gerade die Entstehungsprozesse von Wissen verlangen nach einer umfassenderen Sicht auf das Unternehmen und dem Verlassen der rein technikzentrierten, linearen Betrachtungsweise des Unternehmens, die im Wissensmanagement der ersten Generation verbreitet war. Die Betrachtung des Unternehmens als komplexes, adaptives System, wird dem Management von wissensgenerierenden Prozessen weitaus besser gerecht. Durch die Einbeziehung von Prozessen, die Wissen generieren, rücken die Akteure, die Wissen produzieren – nämlich die individuellen Menschen – in den Vordergrund. Wissensmanagement kann also nicht mehr zur Ersetzung von Individuen eingesetzt werden, sondern zur Stärkung der organisationalen Wissensbasis. Somit stellt Wissensmanagement für jeden einzelnen eine Unterstützung dar, was die Partizipationsbereitschaft der Mitarbeiter im Unternehmen natürlich erhöht. Kapitel 3.3.2, Probleme, die durch Wissensmanagement der zweiten Generation gelöst werden können: Wissensmanagement der zweiten Generation vertritt im Vergleich zum Wissensmanagement der ersten Generation einen weitaus umfangreicheren und systematischeren Zugang zur Generierung, Verteilung und Anwendung von Wissen im Unternehmen. Der Knowledge-Life-Cycle unterstreicht die Dynamik des Wissensflusses und verabschiedet damit endgültig die vorherige eher statische Sicht auf das Wissen im Unternehmen, welche in jenen Ansätzen vorherrschte, die Wissensmanagement der ersten Generation zugerechnet werden. Durch die Einführung der demand-side findet auch die Entstehung und Generierung von neuem Wissen in Unternehmen im Konzept Wissensmanagement Platz. Dadurch wird ein Wissensmanagementsystem als aktives System verstanden, das eine permanente aktive Beteiligung verlangt. Das heißt dem Grundsatz Wissen ist Macht wird zusehends der Boden abgegraben. Denn zum Beispiel das Hintergrundwissen derjenigen Person, die das Wissen zur Verfügung stellt kann nicht vollständig elektronisch gespeichert werden – leicht gespeichert werden kann nur das Faktenwissen. Die Gebrauchsanleitung nämlich, die für den Umgang mit Faktenwissen entscheidend ist, wird nicht immer oder zumindestens nicht in ausreichender Weise mitgeliefert. Es werden also häufig gerade diejenigen Information nicht weitergegeben, die nicht so ohne weiteres (sprachlich) ausgedrückt oder kommuniziert werden können, weil sie auf speziellen Erfahrungen im Umgang mit und zur Anwendung von Wissen beruhen. Um dieses Hintergrundwissen (also die Gebrauchsanleitung für das Faktenwissen) kommunizieren zu können, bedarf es einerseits der Beteiligung der einzelnen Mitarbeiter, die das jeweilige Faktenwissen zur Verfügung stellen (sofern dieses Faktenwissen nicht allgemein zugänglich ist), andererseits neuer Konzepte, die das Abbilden der Hintergründe von Personen möglich machen. Damit wird aus dem alten Sprichwort Wissen ist Macht der neue Slogan das zur Verfügungstellen von Wissen ist Macht. In vergangenen Zeiten war vielfach der Zugang zu Faktenwissen beschränkt. Bevor sich das Internet als Informationsmedium durchsetzen konnte, wurde neues Faktenwissen vielfach über die persönliche Teilnahme an Fachkonferenzen erworben. So gaben etwa Professoren, das dort erworbene Wissen an ihre Studenten weiter. Die Barrieren wurden vor allem durch das Einsetzen des Informationszeitalters niedergerissen. Der weltweite Zugang zu Faktenwissen und Informationen ist beinahe unbeschränkt. Das Innehaben von Wissen daher nicht mehr der entscheidende Faktor. Viel wichtiger ist die Fähigkeit, dieses Faktenwissen korrekt interpretieren und einsetzen zu können. So ist die angedeutete Verschiebung von Wissen ist Macht in Richtung das zur Verfügungstellen von Wissen ist Macht zu verstehen. Diese Macht bedeutet im Zusammenhang mit Wissensmanagement, dass die Person ein wertvoller Teil des Unternehmens wird und damit eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Mitarbeiter eintritt. Auf der einen Seite wird der Mitarbeiter für die betrieblichen Abläufe im Unternehmen wichtig, was sich zum Beispiel in Prämien oder Arbeitsplatzsicherheit zeigen kann. Auf der anderen Seite profitiert das Unternehmen durch die aktive Beteiligung des Mitarbeiters. Dies kann dann zum Beispiel Innovationen oder Prozessverbesserungen zur Folge haben. Kapitel 3.3.3, Der Knowledge-Life-Cycle: Abbildung 17 zeigt den Knowledge-Life-Cycle von Firestone und McElroy. Dieser stellt das Rahmenkonzept für Prozesse, die Wissen erzeugen dar. Zentraler Punkt ist die Knowledge Claim Evaluation, die den Unterschied zwischen Wissen und Information im Sinne von Firestone und McElroy ausmacht. McElroy und Firestone bauen ihre Definition von Wissen rund um die Claim Evaluation von Wissen auf. Wenn Probleme in den Geschäftsprozessen auftauchen, werden in Bezug auf die aktuelle Situation und in Bezug auf das vorhandene Hintergrundwissen, Behauptungen (Claims) formuliert: claims are statements we make about the world, or about what's valuable, or what's right, or what's valid or invalid. They can be made in single statements or in networks of statements. Meta-Claims are claims about claims. They are important because the record of survival of our claims, which distinguishes knowledge from information, is made up of meta-claims. Den Einstieg in den Knowledge-Life-Cycle stellt die organisationale Wissensbasis dar. Diese ist sowohl subjektiv wie auch objektiv. Subjektiv ist jener Teil, der in den Köpfen der Individuen und Gruppen gespeichert ist. Objektiv ist jener Teil, der in irgendeiner Form physisch im Unternehmen gespeichert ist. Die Anwendung von Wissen in den Geschäftsprozessen erzeugt Ergebnisse, die entweder die Erwartungen des Individuums erfüllen oder nicht (Matches beziehungsweise Mismatches). Treten Unterschiede zwischen den Erwartungen und den tatsächlichen Ergebnissen auf, so kommt es mit Hilfe der organisationalen Wissensbasis zu Adaptionen. In diesem Fall würde Einschleifenlernen stattfinden. Führen diese Adaptionen aufgrund von Einschleifenlernen nicht zum gewünschten Ergebnis - das heißt, es treten weiterhin Unterschiede zwischen Erwartungen und Ergebnissen auf, so wird das vorhandene Wissen in der organisationalen Wissensbasis, mithilfe dessen die Adaptionen durchgeführt wurden, in Frage gestellt. Es wird also ein Problem erkannt und es werden Prozesse gestartet, um diese Problemstellung zu lösen. Das heißt, es wird Wissen über die Problemstellung produziert und im Unternehmen integriert - Zweischleifenlernen beginnt. Jeder Wissensgenerierung steht die Formulierung von neuen Behauptungen knowledge claim formulation voran. Das Akquirieren von Information (information acquisition) und das individuelle und Gruppenlernen (individual and group learning) stellen die Eingangsparameter für diese knowledge claim formulation dar. Unter der Anwendung verschiedener Kriterien werden die aufgestellten Behauptungen (knowledge claims) geprüft. Firestone und McElroy sprechen von der knowledge claim evaluation. Diese Prüfung führt dann einerseits zu Behauptungen, die verworfen werden (falsified knowledge claims), zu Behauptungen, die die Prüfung bestanden haben (surviving knowledge claims) sowie zu Behauptungen, die unentschieden bleiben (undecided knowledge claims). Weiters wird im Zuge der Evaluierung dieser Behauptungen Information über alle diese Behauptungen generiert – Metabehauptungen (metaclaims). Durch verschieden Prozesse (sowohl Prozesse, die dem Pull-Prinzip gehorchen, wie auch Prozesse, die dem Push-Prinzip gehorchen), die in den Bereich der Wissensintegration (knowledge integration) fallen, werden sowohl die generierten knowledge claims wie auch die dazugehörigen metaclaims wiederum Bestandteil der organisationalen Wissensbasis, welche auf diese Weise gestärkt wird. Nachdem die claims und metaclaims in die Wissensbasis integriert wurden, werden sie wiederum Bestandteil der Geschäftsprozesse. Der Knowledge-Life-Cycle tritt in Unternehmen und Organisationen auf verschiedenen Ebenen auf. The Individual and Group (I+G) Learning task cluster or subprocess is recursive (rekursiv im Original) in the sense that I+G learning is itself a KLC at the level of system interaction just below the global level, while I+G learning at the second level is itself a KLC at the level below, and so on until individual learning and knowledge production is reached. Abbildung 18 zeigt diese Verschachtelung des Knowledge-Life-Cycle in den verschiedenen Ebenen einer Organisation. Abbildung 18 illustriert, dass es nicht nur einen Knowledge-Life-Cycle im Unternehmen gibt, der zirkulär abgearbeitet wird, sondern vielmehr ist der Knowledge-Life-Cycle ein rekursives Konzept, das über die verschiedenen Ebenen hinweg angewendet wird.
Bernhard Mayr, Dr. Mag. Doktoratsstudium Universität Linz Diplomstudium Wirtschaftsinformatik Universität Linz derzeit tätig als Unternehmensberater.
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