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- Squeeze-Out im russischen und im deutschen Recht: Analyse des Rechtsinstituts zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 122
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Rechtsinstitut des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre aus einer Aktiengesellschaft gegen eine Barabfindung existiert in Deutschland seit 2002. Mit der Umsetzung der Europäischen Richtlinie 2004/25/EG wird das aktienrechtliche Rechtskonstrukt durch die im Jahre 2006 in das Übernahmerecht eingeführte Norm weiterentwickelt. Eine wie in Deutschland existierende und sich ergänzende Dualität der Normen der §§ 327a ff. AktG und § 39a WpÜG kennt das russische Aktienrecht nicht. Der Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft erfolgt dort i.d.R. gemäß Art. 84.8 ruAktG, das im Wege der Adoptierung der Europäischen Richtlinie 2004/25/EG in das russische Aktienrecht eingeführt wurde. Diese Studie stellt die Squeeze-Out regelnden Normen der deutschen und russischen Rechtsordnung dar. Im Rahmen einer rechtsvergleichenden Analyse werden sowohl verfassungsrechtliche als auch verfahrenstechnische Fragen des Minderheitenschutzes erörtert, wesentliche Unterschiede der deutschen und russischen Regelungen herausgearbeitet sowie Vor- und Nachteile der Lösungsansätze der Rechtsprechung kritisch betrachtet werden. Die vorliegende Studie soll des Weiteren Gedankenanstöße geben, wie man den Ausschluss der Minderheitsaktionäre unter Beachtung der landesspezifischen Unterschiede für alle Beteiligten optimaler gestalten kann. Der Blick in das ausländische Recht dient nicht nur dem juristischen Erfahrungsaustausch, sondern lässt Regelungen des eigenen Staates aus einer anderen Perspektive betrachten.
Textprobe: Kapitel V, Rechtsvergleichende Betrachtung: Langjährige Diskussionen sowohl auf der europäischen als auch auf der nationalen Ebene zum Sinn und Zweck der rechtlichen Verankerung des Squeeze-Out als Institut des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre aus der AG gegen eine Abfindung vom Hauptaktionär sowie die regelmäßige Anwendung dieses Verfahrens in der Übernahmepraxis lassen keine Zweifel mehr an der Notwendigkeit eines gesetzlich geregelten Systems zur 100%-igen Konsolidierung der Anteile in den Händen eines oder einiger weniger Aktionäre. Mit der Einführung des Ausschlussmechanismus wurden in Russland 2007 die meisten Verfahren vor allem im Bereich der Metallurgie und der Chemieindustrie durchgeführt. In Deutschland wurden bis Mitte 2009 über 353 Squeeze-Out-Fälle registriert, wobei der Großteil auf das aktienrechtliche Verfahren i.S.d. § 327a AktG entfällt. Obwohl davon nur drei erfolgreich abgeschlossene Vorgänge dem übernahmerechtlichen Ausschluss nach § 39a WpÜG zuzuweisen sind, stellt dieser bei Erfüllung seiner engen Voraussetzungen eine kostengünstige und schnelle Ausschlussvariante dar. Der aktienrechtliche Squeeze-Out schafft in dieser Hinsicht Abhilfe und bietet auch wenn ein aufwendiges, aber aufgrund der sehr umfassenden Rechtsprechung ein für alle Beteiligten weitgehend sicheres Verfahren. Somit kann der Hauptaktionär bei Nichterreichen der 95%-Beteiligungsschwelle oder der 90%-igen Annahmequote des Übernahme- oder Pflichtangebots, die für den Ausschluss erforderlich ist, sowie bei Versäumung der im WpÜG vorgeschriebenen Fristen die Alleinstellung des Hauptaktionärs auf dem Wege des aktienrechtlichen Squeeze-Out doch noch erreichen. Beide Ausschlussverfahren im deutschen Recht bilden einen sich ergänzenden Rechtsmechanismus, der für das breite Spektrum der mit dem Squeeze-Out zusammenhängenden Problemfelder eine gewisse Rechtssicherheit bietet. Für Russland erweist sich das auf der europäischen Richtlinie 2004/25/EG basierende Ausschlussinstitut als ein prinzipiell neuer und einziger Rechtsmechanismus, welcher bei einer Unternehmensübernahme den Minderheitsaktionären den Rückzug von ihren Investitionen in die Aktien der AG erlaubt. Auf die Regel des § 84.8 ruAktG sind somit alle Bürden des Squeeze-Out-Konzepts auferlegt. Obwohl die Ausschlussregeln der beiden Länder auf einer Grundlage beruhen, unterscheiden sie sich sowohl formal als auch funktional voneinander ab und weisen eher konzeptionelle Gemeinsamkeiten auf. Beide Rechtsinstitute beziehen sich auf die Aktiengesellschaften, deren stimmberechtigtes Grundkapital zu 95% einem Hauptaktionär oder einigen untereinander verbundenen Personen gehört. Die Beteiligungsschwelle muss der Mehrheitsaktionär mit dem Ziel der vollen Kontrollübernahme infolge eines vorangegangenes Übernahme- oder Pflichtangebots erreicht haben. Die restlichen Aktionäre werden aus der Gesellschaft zwangsweise ausgeschlossen, indem sie vom Hauptaktionär eine angemessene Abfindung für ihre Wertpapiere erhalten. Daneben sieht das deutsche wie auch russische VerfG für die Vereinbarkeit des Rechtsinstituts mit der Verfassung die Möglichkeit einer Gerichtskontrolle über das Verfahren vor. Die Implementierung dieser Grundzüge in die nationale Rechtsordnung schuf zwar ein schnelles und kostengünstiges Ausschlussverfahren, warf beiläufig aber viele verfahrenstechnische und rechtliche Fragen bei der Anwendung des Instituts auf. Sowohl in Deutschland als auch in Russland stellen die Bestimmung einer angemessenen Abfindung für die Minderheitsaktionäre und ihr Rechtsschutz zentrale Fragen in der Rechtsprechung dar. In Deutschland wird hauptsächlich der in die Norm eingebaute Markttest bezweifelt, der sich zum einen auf den Durchschnittskurs der Aktien, zu dem vom Hauptaktionär 95% der Wertpapiere aufgrund des Angebots erworben wurden, beruft. Zum anderen kann bei der Abfindung der auszuschließenden Aktionäre auf den Angebotspreis vertraut werden, wenn 90% der betroffenen Aktionäre das Angebot akzeptieren. Strittig ist, ob der von vielen Einflüssen betroffene Börsenwert den wahren Unternehmenswert abbildet und damit als eine gerechte Orientierungsstütze für die Bestimmung der angemessenen Abfindungshöhe dienen kann. Außerdem wird immer wieder hinterfragt, inwieweit die erforderliche Akzeptanz des Angebots von Seiten des Bieters, sei es mittels der Wertpapierleihe oder der großen Paketerwerbe, manipulierbar ist. Vertraut man auf dieses zweistufige Modell der Abfindungsbestimmung, erübrigt sich die Frage der gerichtlichen Beanstandung der Abfindungshöhe in der ersten Instanz, weil die Abfindungshöhe aufgrund des Markttests automatisch feststellbar ist und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften vom Gericht ex ante geprüft wird, bevor das LG Frankfurt seinen Beschluss über den Squeeze-Out fasst. Außerdem kann die Entscheidung des LG Frankfurt in einer Beschwerde von OLG Frankfurt nachgeprüft werden. Im Gegensatz dazu schaltet sich der Ausschlussmechanismus nach dem russischen Recht zwar ebenfalls erst bei Erreichung der 95%-igen-Beteiligungsschwelle des Hauptaktionärs an der Target-AG ein, die Höhe der Angebotsakzeptanz liegt aber bei 10%. Es ist recht bedenklich, inwieweit solch eine Annahmequote auf die Angemessenheit der Abfindungshöhe schließen lässt. Folglich beschränkt sich der für die Abfindungsfestlegung in der russischen Norm installierte Marktmechanismus auf die Aussage des durchschnittlichen Börsenwertes, welcher der Abfindung im vorangehenden Angebot zugrunde liegt und für den Squeeze-Out die Untergrenze bildet. Der Angebotspreis wird vom Schätzer als Bemessungsgrundlage zur Bestimmung des Börsenwertes herangezogen. Es liegt auf der Hand, dass der im russischen Squeeze-Out angewandte Ansatz niedrigere Hürden für den Ausschluss der Minderheitsaktionäre festlegt und somit die Stellung des Hauptaktionärs präferiert. Solange der Börsenkurs möglichst nah am wahren Wert der Aktien der Zielgesellschaft liegt und die Minderheitsaktionäre für ihre Wertpapiere gleichwertige Entschädigung erhalten, kann man von einem reibungslosen und das Investitionsklima begünstigenden Ausschlussverfahren sprechen. Mangels der Börsennotierung vieler Aktiengesellschaften wird aber der Aktienwert zwecks Übernahme- oder Pflichtangebot vom Schätzer bestimmt. Diesen Wert zieht dann der Sachverständige bei der Ermittlung des Aktienwertes zur Bestimmung der Abfindung für den Squeeze-Out als Untergrenze heran. Minderheitsaktionäre haben keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Abfindungshöhe während des Ausschlussverfahrens und können erst im Nachhinein einen Schadensersatz auf dem Rechtswege verlangen, wenn sie beweisen können, dass die im Squeeze-Out bezahlte Abfindung falsch ermittelt wurde. Die Einhaltung der Squeeze-Out-Vorschriften kontrolliert im Laufe des Ausschlussprozesses der föderale Dienst über Finanzmärkte. Über die Sorgfalt dieser Prüfung, die innerhalb der recht kurzen Frist von 15 Tagen durchzuführen ist, lässt sich streiten. Deshalb wäre eine ausführlichere oder sogar gerichtliche ex ante Kontrolle eine präventive Maßnahme gegen die missbräuchliche Gestaltung des Mehrheitsaktionärs. Dabei müsste neben der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Abfindungsermittlung auch alle anderen Tatsachen vom Gericht in Betracht gezogen werden, die auf den Rechtsmissbrauch zwecks Einflussnahme auf die Abfindungshöhe hindeuten. Der Effektivität des Rechtsschutzes kann auch dadurch beigetragen werden, wenn der unabhängige Schätzer für die Bewertung der Aktien vom Gericht bestimmt wird. Der ermittelte Marktwert der Aktien durch den vom Mehrheitsaktionär beauftragten Schätzer würde bei Minderheitsaktionären keinen Verdacht mehr erregen, dass das Bewertungsergebnis zu Gunsten des Auftraggebers beeinflusst wurde. Aktuell gültige Kontrollmechanismen über das Ausschlussverfahren und die Festlegung der Abfindungshöhe können den Minderheitsaktionären keinen ausreichenden Schutz gewähren, sobald die Zielgesellschaft eine nicht börsennotierte AG ist. Abgesehen von der Abfindungs- und Rechtsschutzproblematik sind die Durchführungsordnung des Ausschlussverfahrens und damit im Zusammenhang stehende Prozesse in anderen Bereichen des russischen Rechts weiterhin verbesserungsbedürftig. Oft entstehen Schwierigkeiten bei der Identifizierung des Aktionärskreises durch den Registerhalter, weil die Daten jahrelang nicht aktualisiert wurden und die Abfindung auf das Depositkonto des Notars überwiesen wird. Die Wahrnehmung der Zahlung ist einerseits für den Aktionär umständlich, andererseits ist die Aufbewahrung auf solch einem Konto nicht ganz problemlos. Banken lehnen oft die Eröffnung eines Depositkontos für den Notar ab, weil dieser Vorgang und die Handhabung der auf das Konto überwiesenen Geldmittel von der Anweisung der Zentralbank nur teilweise geregelt sind. Dem Minderheitsaktionär kann der Zahlungserhalt somit nicht garantiert werden. Im Gegensatz dazu besteht in Deutschland dieses Problem nicht, weil alle Transaktionen mit den Wertpapieren nur über ein Depotkonto bei einer Bank abgewickelt werden, sodass die Einzahlung der Abfindung auf das Konto jedes einzelnen Minderheitsaktionärs gesichert ist. Der letzte wesentliche Unterschied zwischen dem russischen und deutschen Squeeze-Out ist die Möglichkeit, im Rahmen des Aktionärsausschlusses die (noch) stimmrechtslosen Vorzugsaktien zu erwerben. Während in Russland vom Ausschluss nur die stimmberechtigten Aktien umfasst werden, kann der Mehrheitsaktionär in Deutschland auch die übrigen, sprich stimmrechtslosen Vorzugsaktien auf sich übertragen lassen, wenn ihm 95% des Grundkapitals gehören. Diese Option trägt der Flexibilität bei Unternehmensgestaltung und der Zielerreichung des Mehrheitsaktionärs bei, wenn er als Endziel den endgültigen Rückzug der Aktien der Zielgesellschaft vom Kapitalmarkt verfolgt. Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass der auf der Grundidee der europäischen Übernahmerichtlinie basierende Squeeze-Out-Rechts-mechanismus der beiden Länder bei Anwendung auf einen Idealfall ein schnelles und kostengünstiges Ausschlussverfahren darstellt und somit den Rechtsrahmen für die unternehmerische Gestaltung, Markttransparenz und das Investitionsklima in dem jeweiligen Land optimiert. Die Übernahmepraxis jedes Landes bietet aber vor Hintergrund historischer Entwicklung eine Vielfalt an Spezialfällen und Regelungsbereichen, die noch genügend Verbesserungspotenzial erkennen lässt.
Viktoria Groschewa, geboren 1981 in Aktjubinsk (Kasachstan), immigrierte 1994 mit ihren Eltern nach Deutschland und wuchs in Koblenz am Rhein auf. Sie studierte nach dem Fachabitur und der Ausbildung zur Verwaltungsfachengestellten Wirtschaftsrecht an der RheinMain Fachhochschule - University of Applied Sciences in Wiesbaden. Ihre Bachelorarbeit widmete sie dem russischen und deutschen Aktienrecht, um ihrem Interesse in Gesellschaftsrecht Genüge zu tun. Gleichzeitig nutzte sie die Gelegenheit, über den Tellerrand bzw. über die Grenze zu schauen und unterzog neben der deutschen übernahmerechtlichen Norm zur Regelung des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre auch das russische Rechtsinstitut einer tiefgründigen Analyse. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums ist sie in der Rechtsanwaltskanzlei BRP Renaud & Partner als Wirtschaftsjuristin im Bereich des Kapitalmarktrechts tätig.
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