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- Erfahrungsbasierte Mechanismen zur Komplexitätsreduktion bei Listungsentscheidungen im Handel
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 78
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Listungsentscheidungen müssen im Lebensmitteleinzelhandel immer schneller in einem zunehmend komplexen Umfeld getroffen werden. Aus Kosten- und Zeitgründen können umfassende Analysen im Vorfeld nicht getätigt werden. Daher müssen neben rationalen, logischen Entscheidungsmustern weitere Mechanismen existieren, die schnelle und akkurate Entscheidungen zulassen. Diese basieren auf der Fähigkeit der Intuition und der kognitiven Prozessvereinfachung. Sie werden durch Erfahrung erlernt und daher als erfahrungsbasierte Mechanismen bezeichnet. Auf der Basis von neun Experteninterviews wird in der vorliegenden Studie untersucht, welchen Stellenwert diese Mechanismen in der Praxis einnehmen und in welchen Situationen sie angewendet werden. Des Weiteren wird der Einfluss von personen- und umweltspezifischen Faktoren auf die Bildung und Anwendung von erfahrungsbasierten Mechanismen untersucht. Unter anderem können folgende Erkenntnisse abgeleitet werden: - Intuition und Heuristiken haben bei Listungsentscheidungen einen hohen Stellenwert. Praktiker bestätigen, dass bis zu 100% ihrer Entscheidungen auf Bauchgefühl beruhen. - Die Komplexität der Entscheidungssituation sowie der dabei empfundene Druck werden von Praktikern als hoch eingestuft. Beides wird durch die Verwendung von erfahrungsbasierten Mechanismen reduziert. - Die Anwendung von erfahrungsbasierten Mechanismen wird in der Praxis offen kommuniziert. Bauchgefühl und Heuristiken werden als Bewertungs- und Auswahlkriterium akzeptiert. - Heuristiken werden insbesondere bei der Bepreisung von Artikeln, der Einschätzung von Kundenpräferenzen sowie der Identifikation von Trends angewendet. - Insgesamt finden erfahrungsbasierte Mechanismen vor allem dann Anwendung, wenn keine Objektivierung der eigenen Entscheidung über Zahlen möglich ist. Die Ergebnisse der Arbeit implizieren, dass für eine realitätsnahe Abbildung von Entscheidungsprozessen der erfahrungsbasierten Komponente eine höhere Relevanz zugesprochen werden muss. Eine genaue Abbildung ist sinnvoll, da Entscheidungsfindungsprozesse durch Interventionen, wie z.B. Schulungen, beeinflusst werden können. Dies kann langfristig zu einer systemübergreifenden Effizienzsteigerung beitragen.
Textprobe: 2.5 Erfahrungsbasierte Mechanismen Menschliches Verhalten wird mit dem Ideal des homo oeconomicus verglichen und seine Entscheidungen danach bewertet. Das Modell beschreibt einen ausschließlich wirtschaftlich denkenden Marktteilnehmer, der sich durch die Fähigkeit, ausschließlich rational zu handeln, auszeichnet. Dabei ist das Streben nach Gewinn- oder Nutzenmaximierung handlungsbestimmend. Seit Simon ist klar, dass dieses Modell eine Fiktion darstellt und die Rationalität der Individuen begrenzt ist. Traditionelle Ansätze proklamieren, dass die begrenzte Rationalität zwei voneinander unabhängige Ursachen hat. Die externen Faktoren beinhalten u.a. die Kosten der Informationssuche Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen proklamieren den Vorzug von möglichst umfangreichen Informationen. Die Tatsache, dass Informationen in der Realität Zeit und Geld kosten, wird nicht beachtet. Die internen Faktoren umfassen die Geschwindigkeit, mit der Informationen verarbeitet werden können sowie die kognitive Speicherkapazität . Es gibt eine Grenze für die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen, die der Kapazität des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses entspricht. Die Suche nach Information ist nicht mehr sinnvoll, sobald diese Grenze erreicht ist oder ihre Kosten die Vorteile übersteigen. Trotzdem wird das Ignorieren von verfügbaren Informationen in einem Entscheidungsprozess als irrational beschrieben. In der Realität sind Informationen teilweise redundant, irrelevant oder überflüssig. Sie müssen bewertet und gefiltert werden. Hier werden rationale Algorithmen schnell zu komplex für den menschlichen Verstand und damit im Alltag ineffizient. Um in begrenzter Zeit, mit begrenztem Wissen und begrenzter Verarbeitungsfähigkeit in der Realität agieren zu können, wendet der Verstand einfache Mechanismen an, die die wichtigsten Informationen herausfiltern und den Rest außer Acht lassen. Diese Mechanismen werden als Heuristiken oder Intuition bezeichnet. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon Aristoteles unterschied zwischen der analytischen und der intuitiven Systematik. Simon, Gigerenzer und weitere Wissenschaftler definieren Heuristiken als Strategien, die die Informationssuche leiten und Problemstellungen so verändern, dass sie leichter gelöst werden können . Seit der Übersetzungins Englische, wurden mit dem Wort Heuristik, nützliche, unentbehrliche kognitive Prozesse zur Lösung von Problemen beschrieben, die nicht durch Logik oder Wahrscheinlichkeitstheorie gelöst werden können . Seitdem hat sich das Verständnis von Heuristiken nahezu ins Gegenteil verkehrt. Heuristiken gelten als primitiver Ersatz für rationale, auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen basierende Mechanismen, die aufgrund der beschränkten kognitiven Fähigkeiten nicht angewendet werden können1 Während statistische Methoden wie bspw. die Bayes-Regel, die Analyse der Varianz oder die multiple Regression als optimale rationale Strategien bezeichnet wurden, wurde mit dem Begriff der Heuristik die Diskrepanz zwischen diesen Modellen und dem tatsächlichen Verhalten von Individuen ausgedrückt. Obwohl die empirische Plausibilität dieser Methoden nicht gegeben ist, finden sie intensive Beachtung in der Forschung. Die Methoden definieren die mathematische Logik als Maß dafür, ob eine Entscheidung rational oder irrational ist. March weist darauf hin, dass begrenzte Rationalität nicht zwangsläufig ein Fehler im Entscheidungsverhalten ist, sondern oftmals eine Form von Intelligenz, die durch Entscheidungen weiterentwickelt wird. Gigerenzer argumentiert, dass die menschliche Intelligenz nicht in einer künstlichen Gewissheit eines logischen Systems , sondern in der Realität operiert, die sich durch Unsicherheit und Ungewissheit auszeichnet. Intelligenz muss über die verfügbaren Informationen hinaus gehen und zur Lösung von Mehrdeutigkeitsproblemen intelligente Faustregeln anwenden. Dies demonstriert Gigerenzer am Beispiel des Linda-Problems. Menschliche Intelligenz vergleicht er mit einem adaptiven Werkzeugkasten , der mit Faustregeln ausgestattet ist, welche auf verschiedenen Wegen erlernt wurden. Logik ist dabei nur ein Werkzeug. Gigerenzer argumentiert für eine neue Vision der Rationalität , eine grundlegende Veränderung in der Psychologie der Wahrnehmung, Argumentation und Entscheidung. Statt für allumfassende Universalmodelle plädiert er für zahlreiche spezifische Theorien, die die Zusammenhänge zwischen kognitiven Prozessen und der Umwelt einbeziehen. Erfahrungsbasierte Mechanismen setzen sich aus verschiedenen Elementen zusammen: Intuition Die Begriffe Intuition , Bauchgefühl und Ahnung werden von Gigerenzer et al. und daher in vorliegender Arbeit synonym verwendet. Sie bezeichnen ein im Bewusstsein auftauchendes Gefühl, über dessen Entstehung und Gründe sich das Individuum nicht im Klaren ist, welches jedoch eine Bereitschaft erweckt, danach zu handeln. Heuristiken Die Begriffe Heuristik , Faust- und Daumenregel werden ebenfalls synonym verwendet. Heuristiken sind für die Entstehung von Intuition verantwortlich und sind nicht nur im Gehirn, sondern auch in der Umwelt verankert. Evolvierte Fähigkeiten Diese Fähigkeiten wie beispielsweise Sprache oder Nachahmung können durch [...] natürliche Selektion, kulturelle Vermittlung und andere Mechanismen erworben (werden) Sie sind die Bausteine von Heuristiken. In Gigerenzers Beispiel des adaptiven Werkzeugkastens bilden evolvierte Fähigkeiten den Baustoff der Werkzeuge. Ein Bauchgefühl ist wie ein Bohrer, ein einfaches Gerät, dessen Kraft in der Qualität seines Materials liegt. Umweltstrukturen. Da ein Bauchgefühl oder eine Heuristik an sich nicht gut oder schlecht ist, sondern immer vom jeweiligen Kontext abhängt, bestimmen diese Strukturen, wie gut eine Heuristik funktioniert. So kann eine Nachahmungsheuristik beispielsweise nur funktionieren, wenn es Vorgesetzte oder Kollegen gibt, die einer ähnlichen Tätigkeit nachgehen und daher nachgeahmt werden können.
Sabine Frommer wurde 1987 in Böblingen geboren. Ihr Studium Corporate Management and Economics schloss sie 2010 an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Während ihres Studiums sammelte die Autorin praktische Erfahrungen in unterschiedlichen Funktionsbereichen des Handels und lernte sowohl die Hersteller-, als auch die Handelsseite kennen. Die enorme Vielfalt und die scheinbar grenzenlose Komplexität des Lebensmitteleinzelhandels motivierte sie, sich intensiv der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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