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  • Wolfram von Eschenbachs 'Parzivâl' im Kontext von Identität und Zwei-Körper-Lehre

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 60
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

›Parzival‹ Wolframs von Eschenbach ist der wunderbarste Roman des Mittelalters, der eines der großen Mysterien auch noch unserer Gegenwart zum Gegenstand hat: den Gral. Es ist außerdem die Geschichte des tumben Parzival, der viel Mühe und Leid auf sich nimmt während der langen Suche nach dem Gral und zu sich selbst. Aus Unwissenheit begeht er seinen größten Fehler, welchen er jahrelang aus der Welt zu schaffen versucht. Die zentrale Fragestellung diese Buches lautet daher: Wie kommt es zu diesem Versäumnis? Was ist entscheidend dafür, dass Parzival die bedeutende Frage nicht stellt? Liegt es tatsächlich an dem mangelnden Mitleid, das die Forschungsliteratur aus den 1950ern Parzival zuzuschreiben versuchte oder hat dieses Versäumnis einen größeren Stellenwert? Um darauf antworten zu können, wird im ersten Teil der Lebensweg des Protagonisten untersucht, auf welchem er immer wieder auf Menschen trifft, die ihn Dinge lehren, welche ihm von seiner Mutter vorenthalten wurden. Im zweiten Teil der Arbeit wird die heranwachsende Herrscherfigur Parzival und die Figur seines Onkels und Vorgängers Anfortas mit der Lehre der ›Zwei Körper des Königs‹ von Ernst H. Kantorowicz verbunden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3.1, Gahmurets art: strît und ritterliche werdekeit: Mit den ersten Teilen seiner Identität bricht Parzival auf zum Artushof. Hier verhilft ihm seine strahlende Schönheit auf dem Weg zu seinem Ziel: Als Parzival einen Knappen bittet, ihm den Weg zu König Artus zu zeigen, macht dieser das gerne, denn er sah noch nie lîp sô wol getân (V.143,12). Als er am Artushof ankommt, erwartet ihn ein chaotischer Zustand: Königin Ginover verlässt die Gesellschaft und König Artus weigert sich, einfache Konflikte an seinem Hof zu lösen, denn er erlaubt Parzival gegen Ither, den Ritter mit der roten Rüstung, zu kämpfen, nur um die Forderungen der beiden zu erfüllen. Die Hoffnung Herzeloydes, dass ihr Sohn aufgrund seiner ärmlichen Bekleidung nicht standesgemäß behandelt wird, erfüllt sich hier nicht. Seine Schönheit bezaubert das Königspaar: got was an einer süezen zuht. do‘r Parzivâlen worhte. der vreise wênec vorhte. (V.148,26ff). Parzival möchte Artusritter werden und das so schnell wie möglich. Er geht der art seines Vaters nach, weil er genauso wie Gahmuret nach prîs strebt. Deshalb entscheidet er sich, obwohl ungerüstet, auf die Herausforderung Ithers (V.146,17ff) einzugehen. Er will diesen tjost bestreiten, um sich somit selbst zum Ritter zu machen. Er richtet Ither aus, dass es niemanden gebe, der gegen ihn kämpfen wolle und deshalb verlangt er von ihm nach der Rüstung, die er von König ‘geschenkt’ bekam (V.153,28ff). Da Ither dies für reinen Unfug hält, sagt er, dann solle er sich auch sein Leib holen (V.154,12ff). Weil er zudem die Rolle der Herausforderer des Artushofes einnimmt, ist die âventiure Parzivals gegen den ‚Feind‘ gerechtfertigt: Parzival denkt, er tritt im Dienste des Königs Artus’ an und somit ist seine Lust nach strît nicht in Frage gestellt, denn er zeigt dem König dadurch seine Hilfsbereitschaft, wie es sich für einen Ritter gehört. ‘Damit wird nun für Parzival der Begriff des ‘strîtens’ in Übereinstimmung mit dem eigenen art aufs engste verknüpft [...]’. Dass er noch nie etwas von einem rechten Ritterkampf oder ritterlichem Waffenumgang hörte, zeigt auch die Tatsache, dass er gegen Ither nur mit seinem gabylôt (V.155,6) bewaffnet antreten will. Diese Waffe benutzte Parzival schon in Soltane, um die Vögel zu töten, woran man zuerst die art seines Vaters erkannte. Diese art ist in Parzival außer Kontrolle geraten, denn er tötet seinen Gegner mit einem einzigen Schlag (V.155,7ff). Die Tötung des Gegners ist keinesfalls richtig und ziemt sich nicht für einen arthurischen Ritter. Da Parzival weder den ‘Verhaltenskodex der Sippe’ noch ‘Verhaltenskonditionen des Artushofes’ kennt, ‘braucht er die höfischen Umgangsformen nicht zu beachten [...]’ Parzival geht so als Gewinner aus dem Kampf hervor, indem er, in Unwissenheit, seinen Verwandten ermordet. Er zieht dessen rote Rüstung an und denkt, dass er ab sofort ein Ritter sei, denn er habe alles, was ein Ritter braucht: die Rüstung und das Pferd. Unerfahren reitet er weiter, ohne zu wissen, wie man mit den Waffen, Pferd und anderen ritterlichen Sachen umgeht (V.161,17ff) Vor allem ist es sehr auffällig, dass er das prächtige Pferd Ithers nicht zügeln kann: er lie’z et schûften, selten drabn: er kunde im lützel ûf gehabn. (V.161,21ff). ‘Diese Unfähigkeit mit dem Tier umzugehen, zeigt an, dass Parzival zwar im Besitz von Rüstung und Streitross ist, aber keinesfalls die Erfahrung mitbringt, die für einen Ritter unabdingbar ist.’. Die art seines Vaters lebt in Parzival weiter, dennoch weiß er nicht, wie er damit umzugehen hat, da ihm an der richtigen ritterlichen Lehre fehlt, die ihm von seiner Mutter vorenthalten worden war. Abends kommt er in Graharz an: ein grôziu müede in des betwanc. daz er den schilt unrehte swanc. ze verre hinder oder für. et ninder nâch der site kür. die man dâ gein prîse maz. (V.162,15ff). Dort empfängt ihn der Fürst Gurnemanz in seine Obhut. Parzival ist froh darüber, denn er kann die Erziehung des älteren Mannes, nach dem Rat seiner Mutter, gut gebrauchen. Dennoch weigert sich der einfältige Junge vom Pferd herabzusteigen (V.163,22ff), da er Angst hat dadurch seine Ritterlichkeit zu verlieren. Schließlich wird er überredet sich die Rüstung abnehmen zu lassen. Als dies vollgezogen ist, sorgt Parzivals Schönheit zum wiederholtem Mal für großes Lob: deiswâr sô werdeclîche fruht. erkôs nie mîner ougen spehe. an im lît der sælden spehe. mit reiner süezen hôhen art. (V.164,12ff). Gurnemanz, der zwar den Tod Ithers bedauert, ‚tauft‘ Parzival auf den Namen ‚Roter Ritter’ (V.170,5ff). Darauf beginnt er mit der Ausbildung seines Schützlings, die seinem hohen Stand entspricht und erteilt ihm eine Lebenslehre denn seine von Gott geschaffene leuchtende Schönheit ist ohne Tugend nichts wert. Die Lehren beziehen sich auf die höfischen Tugenden, die Parzival bisher, wegen des Verbots seiner Mutter, unbekannt blieben. Ein Ritter soll an der erster Stelle Demut (diemüete) beweisen (V.170,28), am besten durch Mitleid, Freigiebigkeit (milte) und Barmherzigkeit (güete). Der Begriff triuwe bedeutet Treue und Zuverlässigkeit und im weiteren Sinne Festigkeit der Bindung zwischen Menschen und Gott. Das Gebot in allen Dingen maßzuhalten und den rehten Weg zu gehen, durfte in keiner Lehre fehlen: gebt rehter mâze ir orden (V.171,13), dazu soll man auch Beständigkeit (staete) beweisen. Gurnemanz rät ihm außerdem nicht viel zu fragen: irn sult niht vil gevrâgen (V.171,17), was von Parzival wörtlich verstanden wird. Dieser Rat wird im entscheidenden Moment des Romans sowohl Parzival als auch der Gralsgesellschaft zum Verhängnis werden. Gurnemaz versucht diesen Rat durch die anschließenden Worte etwas deutlicher zu machen, doch daran wird Parzival später nicht denken: ir kunnet hoeren unde sehen. entseben unde dræhen: daz solt iuch witzen næhen. (V.171,22ff). Denn viel Verstand (witz) gewinnt Parzival durch diese komplexen Lehren nicht seine tumpheit und Einfalt werden ihn auf dem weiteren Weg verfolgen, denn die Unfähigkeit diese umzusetzen, bleibt bestehen ‘[er] hat in seiner ‘Entwicklung’ eben noch nicht die Stufe erreicht”, die ihm verhilft diese zu verstehen. Eine standesgemäße, höfische Erziehung (zuht) hat Parzival somit erhalten, die ihm zum einen das Ansehen und Würde des Rittertums (êre, werdekeit) und damit des Adels überhaupt, und zum anderen zur seelischen Hochstimmung, welche auch Glanz des Glücks genannt wird (hôher muot), verhelfen soll. Am Ende gibt Gurnemanz noch Ratschläge für die Liebe und den Umgang mit Frauen, die man nicht betrügen soll. Somit warnt er ihn vor der valschen Liebe (V. 172,22ff) und Parzival erfährt ein wenig mehr über den rehten Umgang mit den Damen. Außerdem wird Parzival der richtige Umgang mit den Waffen beigebracht: Er muss lernen wie sich ein rechter Ritter in einem Kampf zu benehmen hat (V.173,12ff). Er erweist sich als guter Lehrling: der junge süeze âne bart. den twanc diu Gahmuretes art. und an geborniu manheit (V.174,23ff). ‘Durch die standesgemäße Erziehung wird es Parzival nun eher möglich werden, über sein bisher rein affektives Verhalten zu reflektieren, dieses zu steuern und gesellschaftliche Regelverstöße zu vermeiden. Mit der Kenntnis des ritterlichen Ehrencodex erlangt er die obligatorische Voraussetzung zur Erreichung des Ritterstandes.’. Deshalb entscheidet sich Parzival nach der vierzehntägigen Unterkunft bei Gurnemanz, nach âventiure zu suchen, um êre und werdekeit zu gewinnen: er wolt ê gestriten baz. ê daz er dar an wurde warm. daz man dâ heizet frouwen arm (V.177,2ff). Der Abschied von Gurnemanz fällt ihm schwer und er empfindet Mitleid mit ihm: der gast nams wirtes jâmer war (V.178,27). Trotz der langsamen Steigerung in Parzivals Benehmen und Empfinden, was Wolfram mit den folgenden Worten zum Ausdruck bringt sît er tumpheit âne wart (179,23), stellt Frech fest, dass sich diese neu gewonnene Ansicht zunächst auf das weltliche Leben bezieht, und noch lange nicht auf die geistige Sphäre.

Über den Autor

Jelena Nikolic wurde 1983 in Mostar, Bosnien-Herzegowina geboren. Ihr Studium der Germanistik an der Universität Stuttgart schloss die Autorin im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad Bachelor erfolgreich ab. Zurzeit absolviert sie den Masterstudiengang Germanistik im Kulturvergleich an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Die Liebe zur deutschen Kultur und Sprache brachte die Autorin nach Deutschland, um die Besonderheiten des Landes kennenzulernen. Faszinierende mittelhochdeutsche Literatur und deren außergewöhnliche Motive motivierten sie, sich dem Thema des vorliegenden Buches zu widmen.

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