Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

  • Sie befinden sich:
  • Fachbücher
  • »
  • Kunst & Kultur
  • »
  • Wie sich Kultur und Sprache beeinflussen: Eine soziolinguistische Studie über die thailändische Sprache

Kunst & Kultur


» Bild vergrößern
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Abb.: 22
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Höflichkeit ist eines der grundlegendsten Konzepte der gesellschaftlichen Interaktion und Konversation in der thailändischen Gesellschaft. Die Sprache fungiert als Generator von gesellschaftlichen Strukturen, sie wird durch die ihr eigene Pragmatik zur Verdeutlichung und Herausstellung von vorhandenen hierarchischen Strukturen genutzt. Es gibt viele Feinheiten in dieser Sprache, so werden Höflichkeitsphrasen oder nur die Nutzung eines bestimmten Pronomens zum Ausdruck der eigenen sozialen Position und Einstellung zum Gegenüber. Im Zentrum dieser Studie steht die Frage, wie die Faktoren sozialer Status und sozialer Distanz Einfluss auf die Nutzung der verschiedenen Personalpronomen für ‚Ich‘ und ‚Du‘ nehmen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2 Höflichkeitsstrukturen der Sprache: Möchte man in der tailändischen Sprache mit einer anderen Person kommunizieren, so ist die Wahl der richtigen Anrede maßgeblich. Sozial höher Gestellte, sowie Ältere, werden mit mehr Respekt adressiert als jüngere oder sozial niedriger eingestufte Menschen. Durch die korrekte Formulierung zollt man seinem Gesprächspartner Höflichkeit und Respekt. Im Gegenzug kann man durch die Wahl einer unangebrachten, zum Beispiel sehr umgangssprachlichen Anrede, den Gegenüber beleidigen ohne auch nur ein einziges Schimpfwort zu nutzen. Die gesellschaftlichen Verflechtungen sind jedoch um einiges schwieriger zu entschlüsseln als es zunächst den Anschein erweckt. Maßgeblich sind nicht nur der Status und das Alter, sondern auch die Situation, die soziale Beziehung und natürlich die individuelle Einstellung. So steht eine ältere Person normalerweise hierarchisch gesehen über einer Jüngeren. Ist Letztere nun aber beispielsweise in einer höheren Position als die ältere Person in derselben Firma angestellt, so ist die Hierarchie umgekehrt. Ebenso spielt der Beruf eine nicht unerhebliche Rolle. Was genau als höflich gilt, wird durch ein kompliziertes Bewertungssystem von interpersonellen Faktoren wie Alter, Verwandtschaft, Bildung und beruflicher Position festgelegt. Verschiedene finale und isolierte Partikel verleihen einer Nachricht illokutionäre Kraft, können Emotionen ausdrücken und als soziale Anhaltspunkte dienen (Watts et al. 1992: 325). Die Ausdrucksformen verteilen sich entsprechend der Beziehung von Macht zu sozialer Distanz, daraus folgt, dass sich diese entlang der Skala bewegen und je nach Situation und subjektiver Faktoren verändern können (Watts et al. 1992: 327). Anhand der bestehenden Normen, wählt ein Thai seine Worte mit großer Umsicht. Besteht eine Dysbalance zwischen Sender und Hörer, kann durch die inkohärente Ausdrucksweise emotionale Involviertheit oder der Wunsch den Empfänger höher zu stufen verdeutlicht werden (Watts et al. 1992: 328). Die hierarchische Gesellschaftsstruktur spiegelt sich in dem pronominalen und referentiellen System wieder. Profession, Bildung, Geschlecht, Alter und Verwandtschaft bilden Kategorien, nach welchen die Ausdrücke entsprechend modifiziert werden. Dies birgt durchaus Konfliktpotenzial, wenn beispielsweise der Vorgesetzte jünger als ein Mitarbeiter niedrigeren Rangs ist, da Ältere normalerweise in der sozialen Ordnung über Jüngeren stehen. Besonders schwierig wird es, wenn die beiden auch noch verwandt sind. Ein möglicher Umgang mit dieser Situation ist die Vermeidung jeglicher Pronomen, wenn bereits deutlich ist, wer adressiert wird. Des Weiteren gibt es bestimmtes Vokabular, dessen Nutzung der Königsfamilie und Mitgliedern der Sangha, der buddhistischen Priestergemeinschaft, vorbehalten ist (Watts et al. 1992: 329f). Ein Beispiel für falsche Adressierung ist das Gespräch in einem Straßenrestaurant zwischen einem jungen thailändischen Diplomat und einem chinesischen Jungen, der als Kellner arbeitete. Gerade aus Washington zurück, orderte der Diplomat sein Essen auf eine eher gestelzte Weise, unter Anwendung von hohen Formen der Anrede: 'Verehrter Ober, richte deinem hochverehrten Vater aus, mich freundlichst mit einem Teller Reis und Gemüse zu versorgen.' Der Junge staunte nicht schlecht und starrte den Gast irritiert an, bis dessen Begleitung die Bestellung lachend in einfachem Thai wiederholte (Watts et al. 1992: 330f). Drei Gruppen von Partikeln haben eine kommunikative Funktion: 'emotives' (Ausrufe), 'illocutionary particels' (Indizieren Sprechakte) und 'appellatives' (zeigen z.B. Zweifel, Zurückhaltung, aber auch den Status der Kommunikationspartner). Letztere korrespondieren mit den pronominalen Formen und werden ebenfalls entsprechend von Geschlecht, Status, sozialer Stimmung und semantisch-pragmatischen Elementen (Indikator für Antworten, Fragen oder Reaktionen auf Aussagen) gewählt. Sie können alleine auftreten oder am Anfang oder Ende eines Satzes. So wird eine Frage beispielsweise nicht durch Intonation markiert, sondern durch einen Fragepartikel, beispielsweise ??? (mai, steigender Ton) (Watts et al. 1992: 333). Das soziale Leben wird nicht nur durch verschiedene Formalitäten, die Status und Rang symbolisieren (z.B. bestimmte Vorteile, Kleidung), sondern auch durch differenziertes Vokabular strukturiert. Es gilt abzuwägen, wie persönlich und informell man werden kann, ohne seinen Gegenüber zu beleidigen (Brummelhuis/Kemp ©1984: 23ff). Es wird großer Wert auf die Korrektheit der sichtbaren Verhaltensweisen, also auch der verbalen und nonverbalen Kommunikation, gelegt, selbst wenn die innere Intention stark vom eigentlichen Verhalten abweicht (Brummelhuis/Kemp ©1984: 44). Wie Leech bereits feststellte, ist die semantische nicht zwangsläufig deckungsgleich mit der pragmatischen Bedeutung. Logisch gesehen würde der Satz das eine bedeuten, in der Praxis ist die Funktion aber eine andere (Leech 1980: 95f). Höflichkeit wird in der sprachlichen Struktur durch Zurückhaltung der eigenen Person und der ehrenvollen Fokussierung auf den Hörer ausgedrückt. Man macht sich kleiner und stellt sich durch bestimmte Wortwahl unter seinen Gesprächspartner. Besonders mit Fremden geht man explizit höflich und respektvoll um, Höflichkeit in der Sprache ist so die Grundlage für Kommunikation in der Öffentlichkeit. Es ermöglicht, sozialen Status und Distanz sprachlich zu differenzieren und definieren (Wilaiwan Khanittanan 1988: 353ff). Es gibt verschiedene Möglichkeiten Höflichkeit auszudrücken, zum einen durch phonologische Artikulation von Worten (gedehnte, sanfte Vokalisation gilt als höflich), zum anderen durch die linguistische Selektion von Worten. Letzteres lässt sich in sogenannte Höflichkeitspartikel und Worte aufteilen, welche zwar eine eigene Bedeutung haben, aber im Sprachgebrauch dazu dienen, den Sprecher auf eine niedrigere Stufe als den Hörer zu stellen (Wilaiwan Khanittanan 1988: 354). Höflichkeitspartikel sind Wörter, die direkte Höflichkeit ausdrücken, sie werden geschlechtsspezifisch an das Satzende gehängt, können aber auch als höfliches Ja geäußert werden. Männer sagen khráp oder khapôm , Frauen khâ oder khá . Es gibt des Weiteren Unterscheidungen in der Wortwahl, für essen kann man entweder kin oder taan sagen, vergleichbar wäre es nach meinem Empfinden mit essen und speisen , da taan die höfliche, gehobenere Wahl ist, kin eher im umgangssprachlichen, intimen Gebrauch auftritt. In der Studie Some Observations on Expressing Politeness in Thai geht der Autor auf drei Dimensionen der Kategorie von Wörtern, die sich auf Sprecher und Hörer beziehen, ein. Die erste Dimension ist die pronominale Referenz, die sich aus sozialer Distanz, Sprachsituation, Geschlecht und gewünschter Höflichkeit zusammensetzt. Als zweites wird Alter und Verwandtschaftsbeziehung als Dimension angeführt. Die dritte und letzte Dimension behandelt den sozialen Status, die Position in der Gesellschaft. Wie der Autor anmerkt und wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, gibt es, im Verhältnis zum Hörer, eine eher geringe Auswahl von Wörtern, die sich auf den Sprecher beziehen. Höflichkeit in der ersten Person ist recht generell und kann fast immer angewendet werden. Bezüge auf den Hörer sind nicht so einfach auszuwählen, man muss selektieren, ob ein allgemein höflicher oder ein spezifischer Ausdruck genutzt werden. Letzterer bezieht sich meist auf Alter oder sozialen Status und soll den Hörer auch sprachlich erhöhen. Durch das Aussprechen von Seniorität oder eines Rangtitels, drückt man seinen Respekt durch seine Wortwahl aus (Wilaiwan Khanittanan 1988: 354f). Verwandtschaftsbezeichnungen bilden einen großen Bereich der Anredemöglichkeiten. Man nutzt sie nicht nur in der Familie, sondern auch bei nichtverwandten Personen, deren Seniorität man herausstellen und sie damit über sich selbst heben möchte. Durch den Wandel der Gesellschaft verliert Alter allerdings vermehrt an Priorität, sozialer Status und Rang drängen sich an erste Stelle. Somit ist der Fokus auf Alter zunehmend unerwünscht, insbesondere bei Frauen. Es ist höflicher, eine Anrede wie Schwester anstelle von Tante zu benutzen, um dem Hörer ein gutes Gefühl zu vermitteln. Da für meine Studie dieser Aspekt der Höflichkeitsstrukturierung nicht weiter relevant ist, werde ich es bei dieser kurzen Einführung belassen (Wilaiwan Khanittanan 1988: 356). Des Weiteren gibt es in die Möglichkeit, jemanden höflich mit seinem Rang oder Berufsbezeichnung anzusprechen, was wiederum eine breite Auswahl von Anreden mit sich bringt, die den Hörer erhöhen oder unter den Sprecher stellen können. Jedoch gilt für diesen Teilbereich der Adressierung dasselbe wie für Verwandtschaftsbeziehungen und wird daher nicht weiter vertieft (Wilaiwan Khanittanan 1988: 357f).

Über den Autor

Schon immer von Sprache fasziniert, entschloss sich Jana C. Kodalle, geboren 1992, Linguistik mit dem Schwerpunkt Sprache und Kognition zu studieren. Ihr besonderes Interesse an der thailändischen Kultur manifestierte sich bereits während ihres freiwilligen entwicklungspolitischen Dienstes nach dem Abitur, der sie nach Ubon Ratchathani im Nordosten von Thailand führte. In diesem Jahr lernte sie Kultur, Land und Leute, vor allem aber die Sprache und die damit verbundenen Feinheiten der Kommunikation näher kennen. Während eines Praktikums in der Sprachabteilung des Goethe Institutes in Bangkok konnte sie ihre bereits gewonnen Kenntnisse der kommunikativen Interaktion erweitern und die vorliegende Studie zur Konzeption von Höflichkeit im Thai durchführen.

weitere Bücher zum Thema

Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.