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- Wie mit Hilfe von Empowerment ein Mobilitätstraining in Werkstätten für behinderte Menschen möglich ist
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 148
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Mobilität ist eines der Grundbedürfnisse des Menschen und auch noch in der heutigen Zeit absolut unerlässlich. Umso schwieriger ist es, vor allem für behinderte Menschen, wenn man nur über eine eingeschränkte Mobilität verfügt. Wie kann nun Empowerment dazu beitragen, dass geistig behinderte Menschen erfolgreich ein Mobilitätstraining absolvieren können, welche Voraussetzungen und gegebenenfalls Veränderungen sind dafür notwendig und welche Zukunftsperspektiven kann ein solches Training bieten? Basierend auf einem umfangreichen Literaturstudium wird gezeigt, dass Empowerment die geeigneten Mittel zur Verfügung stellt, um ein erfolgreiches Mobilitätstraining durchzuführen und unterlegt mit praktischen Untersuchungen, Erfahrungen und Beispielen, wie dieses in der Praxis umsetzbar und warum gerade eine Werkstatt für behinderte Menschen der geeignete Ort dafür ist.
Textprobe: Kapitel 2.4, Ebenen des Empowerment: Nach diesem kleinen Exkurs zu den Grundgedanken des Empowerment, kehre ich nun wieder zurück zum Empowerment, als Methode in der Sozialen Arbeit an sich. Auf die ganzheitliche Förderung von geistig behinderten Menschen bin ich ja schon bereits in meiner Definition von Empowerment eingegangen. Um dieser Forderung auch Rechnung zu tragen, beschäftige ich mich jetzt mit den Ebenen, auf denen Empowerment konkret stattfindet. Denn: ‘Empowermentprozesse vollziehen sich immer auf drei Ebenen: auf der individuellen Ebene, der Gruppenebene sowie der strukturell-organisatorischen Ebene’ (Galuske, 1998, S. 231). Schauen wir uns diese nun einmal etwas genauer an. 2.4.1, Die individuelle Ebene: Diese bezieht sich auf den einzelnen Menschen persönlich. Das Individuum ist der Kernpunkt der Betrachtung. Es geht dabei darum, dass ‘Menschen in Situationen, die von Hilflosigkeit, Machtlosigkeit, Resignation und Demoralisierung geprägt sind, ihr Leben wieder selbst in die Hand ... nehmen und sich, auch mit anderen zusammen, selbst ... organisieren’ (Pankofer, 2000, S. 14). Damit stellt Empowerment auf dieser Ebene das Gegenkonzept dar zu der allseits bekannten erlernten Hilflosigkeit. In der wissenschaftlichen Literatur wird es gemeinhin schon als das Konzept des ‘learned hopefulness’, der ‘erlernten Hoffnungsfreudigkeit’ bezeichnet (ebd. auch Stark, 1996, S. 128). Wie ist es aber nun zu erklären, dass behinderte Menschen aus eigenem Antrieb heraus versuchen, ihrer hilflosen Situation zu entkommen? Die Schlüsselkomponente dabei ist das ‘Kontrollbewußtsein’ oder ‘perceived control’ des Menschen (Stark, 1996, S. 131). Bezeichnet werden kann das als ‘das Bewußtsein, Situationen oder Ereignisse prinzipiell beeinflußen zu können und nicht von äußeren Einflüssen oder dem Fortgang der Geschehnisse vollkommen abhängig oder ausgeliefert zu sein’ (ebd.). Dieses Her- oder Wiederherzustellen ist Aufgabe des Empowerment. Zu erfolgen hat das durch die Stärkung der ‘Persönlichkeitsvariablen (locus of control), kognitive[n] Variablen (die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und des zu erwartenden Erfolgs), und motivationale[n] Anteile[n] ( der Wunsch, selbst aktiv zu werden, um die soziale oder politische Lebenswelt zu beeinflussen)’ (ebd.), die als die Grundkategorien positiven Kotrollbewusstseins angesehen werden. Der Mensch muss also in die Lage versetzt werden, an seine eigenen Stärken und Ressourcen zu glauben und dass er damit fähig ist, Erfolg zu haben und seine Situation zu verändern. Um dies zu erreichen, muss in allen Teilen der Sozialen Arbeit ein Umdenken stattfinden. Nämlich, dass innerhalb der Pädagogik nicht mit Bestrafung, sondern mit Belohnung zu arbeiten ist. Nicht negative, sondern ‘positive[ ] Erfahrungen der eigenen Kontrollfähigkeiten’ führen dazu, dass ‘positive[ ] Erwartung[en] bezüglich des Erfolgs und einer hohen Motivation, soziale Situationen aktiv zu beeinflussen’, zu erwarten sind (ebd.). Es müssen also Erfolgserlebnisse geschaffen werden, damit die Menschen sehen und verstehen, dass ihr Handeln auch einen Sinn und eine Außenwirkung hat. Durch die Auseinandersetzung mit diesen vielen verschiedenen Gesichtspunkten des menschlichen Bewusstseins wird Empowerment auf der individuellen Ebene auch als ‘psychologisches Empowerment’ bezeichnet (ebd., S. 131 ff. Pankofer, 2000, S. 14 vgl. auch Galuske, 1998, S. 231). Für eine gelingende Empowermentarbeit ist es jedoch nicht nur von Bedeutung an kognitiven Belangen des Individuums zu arbeiten, sondern die einzelne Person auch in Kontakt mit seiner Umwelt zu bringen. Denn die Stärkung der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschen müssen für ihn auch deutlich spürbar sein. Er muss die Außenwirkung seiner neuen Kompetenzen, seiner neuen Fähigkeiten sehen und verstehen lernen, um dadurch seine Entwicklung weiter voranzubringen. ‘Das Bewußtsein der Möglichkeiten, die eigene Situation und die soziale Umwelt beeinflussen zu können, ergibt und verstärkt sich daher durch eine Orientierung zu aktivem Handeln in der Gemeinschaft’ (Stark, 1996, S. 132). Erst durch die Teilhabe des Menschen am gesellschaftlichen Leben, kann er seine Handlungsmuster überprüfen und eine nachhaltige Situationsveränderung ist möglich. ‘Empowerment bedeutet auf der individuellen Ebene daher einen Prozeß der Integration in die Gemeinschaft’ (ebd.). 2.4.2, Die Gruppenebene: Wie wir bisher schon feststellen konnten, reicht es nicht aus, sich Empowerment nur in Bezug auf einzelne Personen anzuschauen. Auch die Ebene der Gruppen und Institutionen spielt eine wichtige Rolle, wenn sich ein gelingender Prozess vollziehen soll. Denn im Hinblick auf eine ganzheitliche Förderung ‘läßt sich feststellen, daß dies vor allem dort gelingt, wo Individuen sich in Gruppenzusammenhänge von Gleichbetroffenen eingliedern’ (Galuske, 1998, S. 231). ‘Der soziale Kontext (gemeinschaftliche Aktionen, Interessensgemeinschaften, soziale Unterstützung in der Gruppe) muß als unverzichtbarer Bestandteil von Empowermentprozessen betrachtet werden’ (Stark, 1996, S. 134). Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass auch eine Motivation in dem Menschen erweckt werden soll, seine persönlichen Erfolge nach außen zu tragen. Eine solche Motivation kann darin bestehen, ‘durch aktive Mitarbeit in der Gruppe neue Fähigkeiten herauszubilden, soziale Beziehungen innerhalb der Organisation zu pflegen oder eine soziale Struktur zu implementieren, die die Weitergabe eigener Kompetenzen an andere stimuliert’ (Pankofer, 2000, S. 14). Wenn wir uns Gruppen oder Institutionen, in denen Empowerment stattfindet, einmal etwas genauer anschauen, lassen sich dabei zwei unterschiedliche Typen ausmachen. Zum einen ‘empowering organizations’ und zum anderen ‘empowered organizations’ (Stark, 1996, S. 135). Diese Unterteilung lässt sich damit begründen, dass es, erstens, Gruppen gibt, ‘deren Ziel oder Effekt darin besteht, ihre Mitglieder bei der Entwicklung individueller und gemeinschaftlicher Empowermentprozesse zu unterstützen’ und zweitens solche, ‘denen ein eigener Empowermentprozess als Organisation, d.h. eine erfolgreiche Einmischung in soziale oder politische Belange gelungen ist und deren vorrangiges Ziel auch in einer solchen Einmischung besteht’ (ebd.). Der Unterschied zwischen beiden liegt darin, dass innerhalb der ersten Gruppe die Mitglieder und deren Entwicklung im Vordergrund steht und sich die Organisation darüber definiert. Bei der zweiten Gruppe liegt das Hauptaugenmerk nicht auf den Angehörigen, sondern auf der Organisation an sich. Hierbei definieren sich die Mitglieder über die Gruppe und nicht, wie im ersten Fall, umgekehrt. Ein Beispiel für diese Unterscheidung wäre, dass eine Selbsthilfegruppe zur ersten Kategorie und eine Sozialstation zur zweiten gehört. Eine Selbsthilfegruppe zielt hauptsächlich darauf ab ihre Mitglieder zu befähigen, wieder ein eigenständiges Leben führen und Entscheidungen treffen zu können. Eine Erweiterung oder Expansion kommt für solche Gruppen meist nicht in Frage und auch die Gründung und Durchführung einer solchen ist an keine großen Konventionen gebunden. Bei einer Sozialstation dagegen sieht es schon ganz anders aus. Diese haben sich mit einer Vielzahl von politischen und bürokratischen Sachzwängen auseinanderzusetzen, müssen für ihr Fortbestehen ökonomischen Gewinn erzielen, sind dem Konkurrenzkampf mit anderen Einrichtungen ausgesetzt und bestrebt, sich weiterzuentwickeln und zu vergrößern. Wir sehen also, dass es eine deutliche Unterscheidung zwischen einzelnen Gruppen und Organisationen gibt. Der Hauptunterscheidungspunkt liegt meines Erachtens einfach an der Art der Institution und was sie für Aufgaben und Ziele hat. Da Organisationen und Gruppen aber auch wachsen können, würde ich davon sprechen, dass ‚empowering organizations’ als der Anfangspunkt und ‚empowered organizations’ als Endpunkt einer Entwicklung gesehen werden können. 2.4.3, Die strukturelle Ebene: Die letzte Ebene, auf der sich Empowerment vollziehen kann oder muss, ist die strukturelle. Wir haben bisher gesehen, wie mit Hilfe von Empowermentprozessen die Menschen an ihren Wurzeln gepackt (individuelle Ebene) und über vielerlei Zwischenschritte (Gruppenebene) vorangebracht werden können. Die Menschen selbst haben bis hierhin Kenntnis davon genommen, dass soziale Umfeld und eventuell auch schon die verschiedensten sozialen Netzwerke. Wer bis dato aber noch nicht mit einbezogen wurde, sind die Verwaltungsbehörden, die Kommunen, die Stadt. Deswegen ist es von Bedeutung, sich ebenfalls diese Ebene anzuschauen. ‘Um schließlich die Ebene der politischen Konfliktfähigkeit zu erreichen, bedarf es einer strukturell-organisatorischen Einbindung, um die Wahrscheinlichkeit politischer Durchsetzung von Interessen zu erhöhen’ (Galuske. 1998, S. 231). Es geht also nicht nur darum, die politische Instanz empowermentfähig zu machen, sondern auch die Menschen zu befähigen, sich auf dieser letzten, obersten Ebene zu verwirklichen, Gehör zu verschaffen und zu engagieren. ‘Strukturelle Empowermentprozesse bedeuten ein erfolgreiches Zusammenspiel von Individuen, organisatorischen Zusammenschlüssen und strukturellen Rahmenbedingungen unter einer fördernden Atmosphäre, die große Auswirkungen auf den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang haben’ (Pankofer, 2000, S. 14). Natürlich sollen dabei aber auch die Interessen der Institutionen nicht zu kurz kommen. Es muss ein gemeinsames, gemeinschaftliches Arbeiten zu Stande kommen, von welchem beide Seiten profitieren und eine spürbare Äderung der Situation eintritt. Diese Zusammenarbeit muss so gestaltet sein, ‘daß Individuen und Organisationen in einem System interagieren und sich gegenseitig fördern, mit dem Ziel, die Lebensbedingungen in einem System (etwa einer Gemeinde oder einem Stadtteil) zu verbessern und dabei sicherzustellen, daß die Systemziele wie auch die Ziele der einzelnen erreicht werden können’ (Stark, 1996, S. 144). Wichtig hieran ist mir der Ausdruck des Systems. Dieser impliziert nämlich, dass die Politik und die Menschen eine originäre Einheit bilden, in der sich beide Teile bedingen und in Kooperation miteinander stehen. Wie jetzt ganz konkret Empowermentprozesse auf struktureller Ebene abzulaufen haben, kann ich leider nicht ausführen, da dieses Thema meinen bisherigen Handlungsrahmen übersteigt. So kann ich auch kein konkretes Beispiel aus meiner eigenen Praxis nennen. Gleichsam schweigt sich auch weitestgehend die einschlägige Literatur darüber aus, denn: ‘Wegen der vergleichsweise komplexen Aufgabenstellung und der Notwendigkeit, Kooperationsstrukturen zwischen unterschiedlichen sozialen Kulturen mit verschiedenen Interessenslagen (z.B. BürgerInnen – Verwaltung) herzustellen ..., gibt es auf der strukturellen Ebene ... nur wenige funktionierende Beispiele von Empowermentprozessen’ (ebd.). Kein konkretes Ergebnis an dieser Stelle vorlegen zu können ist aber auch ein Ergebnis. Es zeigt, dass Untersuchungen von äußerst komplexen empowermentristischen Handlungsmustern noch immer ausstehen, was wiederum die Aktualität dieses Themas und die Relevanz für dessen Bearbeitung beweist. Nach dieser Betrachtung der Ebenen von Empowerment bleibt festzuhalten, dass alle drei Dimensionen der menschlichen Existenz – Persönlichkeit, soziale Netzwerke, Gesellschaft – eine entscheidende Rolle spielen, um einen vollständigen Empowermentprozess gelingen zu lassen. An und mit allen drei Ebenen muss gearbeitet werden. Empowermentprozesse können also, richtig angewandt, zu einer nachhaltigen Situationsverbesserung führen, ‘wobei die Kraft der Prozesse gerade in der wechselseitigen Abhängigkeit und Integration von Veränderungen auf der individuellen, gruppenbezogenen und strukturellen Ebene liegt’ (Pankofer, 2000, S. 14). Auf alle drei Ebenen werde ich bei der Bearbeitung des Mobilitätstrainings noch einmal explizit eingehen, woraus sich die Bearbeitung an dieser Stelle erklärt.
Daniel Hahn, Dipl. Sozialpädagoge, wurde 1980 in Annaberg-Buchholz geboren. Sein Studium der Sozialpädagogik an der Berufsakademie Breitenbrunn schloss er 2004 erfolgreich mit dem Diplom ab. Schon während des dualen Studiums arbeitete er in verschiedenen Bereichen der Behindertenarbeit innerhalb eines großen Trägers, woraus dann auch die Idee für dieses Buch entstand.
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