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Kunst & Kultur

Sebastian Schult

Wege ins Nichts: Über die Isolation in Klaus Manns Werk

ISBN: 978-3-8428-9276-7

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Wie nah können sich Menschen sein? Das Werk von Klaus Mann gibt pessimistische Antworten. Im Spannungsfeld zwischen Politik, Homosexualität und Kunst verlieren sich seine Figuren immer wieder in der Isolation. Sie begegnen sich, berühren sich – und stehen am Ende doch alleine da, unfähig, eins zu werden, dem Fluch der Individuation ausgeliefert. Das Buch liefert Erklärungsansätze für das zentrale Isolationsmotiv in den Romanen und Erzählungen des berühmten Schriftstellers. Dabei zeigt sich, wie konsequent die Bezüge zwischen vielen seiner Werke sind. Melancholie, Drogenmissbrauch und Todessehnsucht bestimmen seine Prosa. In seinem Exilwerk verdichten sich diese Motive oft in der Heimatlosigkeit der Figuren. Bereits in Der Fromme Tanz deuten sich Motive an, die Klaus Mann in späteren Werken weiter ausarbeitete. Untersucht werden zudem Treffpunkt im Unendlichen, Flucht in den Norden, Symphonie Pathétique, Der Vulkan sowie einige Erzählungen – darunter auch Vergittertes Fenster. Auch der autobiographische Wendepunkt steht in der erzählerischen Tradition des Schriftstellers. Wie nah sind sich die Figuren in Klaus Manns Werk? Dieses Buch gibt Antworten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Treffpunkt im Unendlichen: Klaus Manns 1932 erschienener Roman Treffpunkt im Unendlichen liefert ein düsteres Portrait von Charakteren am 'Vorabend' des Nationalsozialismus. Die Form des 'Romans des Nebeneinanders' ermöglicht es Klaus Mann, eine Vielzahl an Figuren und Handlungssträngen, die teilweise unabhängig voneinander existieren, zu einem einheitlichen Ganzen zu verdichten, um auf diese Weise gesamtgesellschaftliche Probleme offen zu legen (Wolff 1984, S. 84 f.). Eines der zentralen Motive, das die Gesellschaft in Treffpunkt im Unendlichen durchdringt, ist die Isolation, die hier auf den 'Fluch der Individuation' zurückgeführt wird. Vorwiegend wird diese Isolation im Umfeld von Künstlertum, Homosexualität und Drogenkonsum geschildert. 2.1, Do: Das Motiv der Individuation taucht in Treffpunkt im Unendlichen explizit auf und dient als Vorausdeutung für den erfolglosen Kampf zahlreicher Charaktere gegen ihre Isolation. So spricht beispielsweise Do in Gegenwart von Sebastian über die Theorien des Dr. Massis: Er sagt, der Fluch, den Gott damals über uns verhängt hat – du weißt schon, beim Sündenfall -, bestände darin, daß die ursprüngliche Einheit des Lebens gespalten worden sei. Er nennt es den Fluch der Individuation oder so ähnlich. Einer findet den anderen nicht mehr. Massis behauptet, wir könnten uns überhaupt nicht vorstellen, daß der andere wirklich lebt, daß er seinerseits auch ein Ich ist. So gründlich sind wir voneinander getrennt. Ich finde, das wäre ja nicht so schlimm, wenn nicht gleichzeitig der eine so auf den anderen angewiesen wäre, zu dem er doch keinen Zugang hat, er kann ihn sich nicht einmal vorstellen, genaugenommen existiert er also gar nicht für ihn. Er braucht etwas, dass gar nicht für ihn existiert. So isoliert und dabei so hilfsbedürftig zu sein – das ist doch grässlich […] (TiU, S. 144). Die Textpassage verdeutlicht, dass Do die Theorie der voneinander getrennten Individuen als ernüchternd empfindet, da sie sich auf ihre Mitmenschen angewiesen fühlt. Die Tragik der Isolation entfaltet sich für sie in dem Spannungsverhältnis aus Zugangslosigkeit zum einen und Hilfsbedürftigkeit gegenüber ihren Mitmenschen zum anderen. Diese Hilfsbedürftigkeit wird in ihrem Leben jedoch nur sehr bedingt gestillt. Durch die Trennung von ihrem Freund Sebastian ist sie seelisch niedergeschlagen, da er der wohl wichtigste Mensch in ihrem Leben war: 'Er war doch das Zentrum', sagte sie und schnupfte die Tränen Frau Grete und Richard nickten. Beide überlegten einen Augenblick, was oder wieviel sie eigentlich von Sebastian gehabt hatten, genau berechnet. Es war nicht sehr viel, sie hielten ihn, bei all seiner Liebenswürdigkeit und Weichheit, eher für eine kühle Natur. Trotzdem hatte er, so passiv und nachlässig er war, die geheime Kraft, Menschen zusammenzuhalten. Sie fühlten alle, daß nun, da er fort war, Dinge geschehen könnten, die seine Gegenwart nicht geduldet hätte. (TiU, S. 16) Die hier beschriebene Fähigkeit Sebastians, Menschen zusammenzuhalten, greift angesichts seines Weggangs das Romangeschehen vorweg: wo bindende Kräfte fehlen, entsteht Isolation. Auf diese Weise werden die Schicksale vieler Romanfiguren bereits vorausgedeutet. Do’s erstes Stadium der Isolation vollzieht sich also durch ihre Einsamkeit hervorrufende Trennung von Sebastian. Im Gegensatz zu ihrer gemeinsamen Zeit fühlt sie sich nun allein – ein Umstand, der sie in die Fänge des Dr. Massis begibt, deren Passion darin besteht, Menschen zu manipulieren. Dass dieser Kontakt nur eine Kompensation für ihre verlorene Beziehung bedeutet, zeigt folgende Äußerung Do’s gegenüber Sebastian: 'Aber dich habe ich mehr geliebt – ganz gewiß habe ich dich viel mehr geliebt als ihn.' Schließlich wird Do von Dr. Massis Morphium injiziert, was zum zweiten Stadium ihrer Isolation führt. War sie zuvor lediglich von Sebastian schmerzhaft getrennt, so wird sie nun zusätzlich durch ihre Abhängigkeit von Dr. Massis und dem Morphium isoliert. Besonders anschaulich wird dies, als sie Sebastian zur Einnahme des Morphium überredet: 'Du mußt auch eine Spritze versuchen. Dann werden wir viel näher beisammen sein –' (TiU, S. 142) Sie ist bereits so entfremdet vom wirklichen Leben, dass sie glaubt, Sebastian nur über den gemeinsamen Rausch nahe sein zu können. Auf diese Weise unternimmt sie den Versuch, den 'Fluch der Individuation' zu überwinden, was ihr jedoch nicht gelingen kann. Stattdessen bleibt sie alleine zurück und plant, Dr. Massis zu heiraten: 'Er will mich heiraten.' 'Ja', sagte Sebastian. Sie sprach langsam weiter: 'Ich glaube wohl, ich werde es auch tun müssen. Er kann mit mir machen, was er will. Er hält mich so fest – so, so, so. Und dann ist da noch das Morphium.' (TiU, S. 144 f.) Wie der Textstelle zu entnehmen ist, weiß sie sehr wohl um ihre Abhängigkeit, nimmt sie jedoch ohne Gegenwehr hin. Die Gründe dafür sind die folgenden: Zu ihrem ersten Gatten konnte sie schließlich nicht zurück, nach allem, was sie inzwischen erlebt hatte. Und zu Sebastian auch nicht. Sie hatte sich etwas zu weit hinausgewagt für ihre Verhältnisse. Sich zurückschwindeln war sie die Natur nicht. 'Sie ist ein mutiges Kind', dachte Sebastian. 'Ein radikales Kind. Freilich – sie hätte ihre Entschlossenheit besser benutzen können - - Wieviel Energievergeudung in der Welt! Ein so schönes Leben – und wie schlecht verwendet! –' (TiU, S. 142) Sie ist von ihren ehemaligen Liebschaften isoliert und befindet sich deshalb in den Fängen des Dr. Massis und des Morphium. Theoretisch könnte sie sich gegen dieses Schicksal auflehnen, tut es jedoch nicht, da sie dazu einen Schritt zurückgehen müsste, was wiederum nicht ihrem Naturell entspricht. Dementsprechend gerät Do nicht nur durch äußere Umstände in ihre Isolation, sondern führt diese auch selbst herbei. 2.2, Froschele: Zum Kreise jener Figuren, die in den Bann des Dr. Massis gezogen werden, gehört auch die Morphium abhängige Froschele. Ebenso wie Do spritzt sie sich die Substanz aufgrund ihrer tiefen Einsamkeit, die sich unter anderem darin zeigt, dass ein Hund ihr wichtigster Wegbegleiter ist: 'Er ist halt mein Liebstes. Ich brauch’ ihn.' (TiU, S. 116) Die Isolation zu ihren Mitmenschen versucht sie zu überwinden, indem sie sich Gregor Gregori hingibt. Als dieser jedoch ausgerechnet ihren geliebten Hund als Präsent verlangt und sie nicht einwilligt, distanziert er sich von ihr. Daraufhin verliert Froschele endgültig die Bodenhaftung und betäubt ihr einsames Leben mit Morphium: Froschele konnte kaum essen und schlafen, seitdem sie Gregori nicht mehr sehen durfte. Die Spritze wurde ihr einziger Trost. Einmal die Woche gestattete sie sich, bei Gregori anzurufen, um das alte Dienstmädchen zu fragen, wie es ihm ginge. 'Wie geht es dem Herrn?' fragte sie. Die schwerhörige Magd verstand zunächst nicht. Dann antwortete sie: 'Danke Fräulein Froschele. Er ist den ganzen Tag nicht zu Haus.' Diese Augenblicke, während deren sie mit Gregoris Wohnung verbunden war, wurden die einzig glücklichen in Froscheles Dasein, für Wochen. (TiU, S. 136) Ihre Isolation resultiert somit zum einen aus ihren mangelnden sozialen Kontakten und zum anderen aus ihrer dadurch entstehenden Morphiumabhängigkeit, die sie zusätzlich von der Welt entfremdet.

Über den Autor

Sebastian Schult wurde 1982 in Stralsund geboren. Sein Studium der Germanistik, Anglistik und Kommunikationswissenschaften schloss er 2008 an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald erfolgreich mit dem akademischen Grad der Magistra Artium ab. Die Neuere Deutsche Literatur war sein Studienschwerpunkt. Besonders intensiv beschäftigte er sich während dieser Zeit mit dem Werk von Klaus Mann.

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