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- Von Wilden und wahrhaft Wilden: Wahrnehmungen der "Neuen Welt" in ausgewählten europäischen Reiseberichten und Chroniken des 16. Jahrhunderts
Kunst & Kultur
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Abb.: 27
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Entdeckung Amerikas und die epochale technische Innovation des Buchdruckes veränderten das menschliche Weltverständnis. So war die Entdeckung der Neuen Welt weit mehr als eine geographische Erweiterung des Horizonts. Zusammen mit dem neuen Kommunikationsmittel, dem Buchdruck, veränderten sie das Weltbild, beflügelten die Phantasie der Europäer und nährten in ihnen den Wunsch in diesem exotisch fernen Land ihre utopischen Träume verwirklichen zu können. Ihre Informationen gewannen die Europäer vor allem aus Reiseberichten und Chroniken von Seefahrern, Abenteurern und Militärs, die jene Neue Welt aus ihrer Sicht beschrieben. Aufgrund des vorherrschenden Analphabetismus illustrierten Verleger ihre Informationen mit skandalösem Bildmaterial, das zur Verklärung der Wahrnehmung ihrer Abnehmer und zur Tradierung von Klischees und Stereotypen führte. Die vorliegende Studie hatte es sich zur Aufgabe gestellt, die verschiedenen Wahrnehmungen und Sichtweisen, die Reisende von Amerika hatten, anhand von Reiseberichten und Chroniken des 16. Jahrhunderts aus deutscher, französischer und spanischer Sicht aufzuzeigen.
Textprobe: Kapitel 2, Der Reisebericht: 2.1, Vorgeschichte: Während in den letzten Jahren in der umfangreichen literaturwissenschaftlichen und literaturgeschichtlichen Erforschung der Gattung des Reiseberichts meist eher die Form als der Inhalt im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, ist für viele Historiker der Inhalt der Reiseberichte dessen entscheidender Aspekt. Sie verstehen die reisenden Autoren der Vergangenheit als unentbehrliche Stellvertreter: ,Als Beobachter von Verhältnissen und Ereignissen, die, ohne von anderen Zeitgenossen erkannt, bemerkt oder beachtet worden zu sein, erst der forschenden Nachwelt als besonders aufschlussreich gelten. Dies gilt vor allem für jene Verfasser von Reiseberichten über Orte, aus denen sonst keine schriftlichen Quellen überliefert sind. ‘ Eines der Ziele dieser Arbeit ist es, zwischen Inhalt und Form von Reiseberichten zu vermitteln. Dieses Kapitel beschäftigt sich zunächst mit dem Reisebericht als literarische Gattung. ,In fast allen literarischen Traditionen sowie in den verschiedenen Gattungen und Textarten kann viel von den Reisen des Urhebens oder anderen die Rede sein, eine Gattung aber, die die Schilderung der Reiseerlebnisse des Verfassers selbst zum Hauptziel hat, bildete sich erst mit den Pilgergeschichten des ausgehenden europäischen Mittelalter und den Entdeckungsgeschichten der frühen Neuzeit in einer kenntlichen Form heraus, um dann bis zum Beginn des 19 Jahrhunderts eine Rolle zu spielen.‘ Nur wenige Reisen führten zu Reiseberichten. Viele führten zu dem Reisebericht meist eng verwandten Textsorten. Harbsmeier untergliedert diese Nachbargattungen in vier Kategorien: Dem Reisebericht eng verwandte Textsorten können Tagebücher, Memoiren und Autobiographien sein. In diesen Werken kann zwar ausführlich von Reisen des Verfassers die Rede sein. Es wird aber auch anderes als nur das Reisen beschrieben. Briefe können durch das Reisen veranlasst und auf Reisen geschrieben sein, aber aufgrund ihrer Adressierung an einen bestimmten und dem Autor meist persönlich bekannten Leser, der Ansprache des Lesers als einen Adressaten, einen anderen Stellenwert haben. Topographische, historische, kosmographische, geographische Werke können zwar auch auf eigene Beobachtungen des Verfassers zurückgehen, sich aber von Reiseberichten darin unterschieden, dass die Reise oftmals nur am Rande zur Sprache kommt. Reiseführer und Reisebücher bemühen sich nicht um die Beschreibung eigener Erfahrungen und Erlebnisse, sondern bieten Informationen für Reisende. Reisetheoretisches Schrifttum enthält nur Anweisungen zum Abfassen von Texten. Es sollte mit den Reiseberichten ebenso wenig verwechselt werden wie die vorgenannten Textsorten. Dennoch sind die oben genannten Unterscheidungen im Einzelfall oft kaum eindeutig zu treffen und Reiseberichte von ihren Nachbargattungen oft kaum zu unterscheiden. Dem Versuch, das Problem der genauen Bestimmung der Gattung zu lösen, kann hier nicht nachgegangen werden. Es muss genügen, die Nachbargattungen zu erwähnen. Schon lange vor dem Mittelalter sind einige Texte geschrieben worden, die heute als Reisebericht aufgefasst werden können. Kriegsherren und Kundschafter, die von den Regenten in ferne Länder geschickt wurden, und Handelsreisende, die aus eigenem Interesse oder im Auftrag anderer profitable Handelswege auskundschafteten, äußerten sich zu ihren Reisen schriftlich. Diese Texte wurden häufig nicht von den Reisenden selbst geschrieben. Es waren Bürokraten, die ihre Aktivitäten schriftlich fixierten, oder von Historikern, die Eroberungen und Entdeckungen in der Ferne darstellten. ,Viele der frühesten Reiseberichte entstanden so im Zuge einer Verschriftlichung außenpolitischer Amtstätigkeiten auf Bestellung und waren speziell für den jeweiligen Auftragsgeber formuliert. Diese Schriften wurden erst von der Nachwelt als Reisebericht rezipiert, nicht aber von Zeitgenossen als solche verstanden.‘ Eine Ausnahme bildet der Reisebericht des Franziskanermönchs Odorico. ,Ohne offiziellen Auftrag scheint der Odorico de Porderone im 14. Jahrhundert nach China gereist zu sein. Seine Erlebnisse ließ er von seinen Confrater Gugliemo de Solagna aufschreiben. Die Vielfalt der beobachteten und erfahrenen ‚gar manikch dingk vnd sach’, die er selbst gesehen oder ‚von erbern lewttn’ gehört haben will, stellt er unter den Titel Mirabilia Descripta erzählend dar. Dadurch kam tatsächlich ein Reisebericht zustande und Odorico scheint jene Ausnahme gewesen zu sein, der die negative Regel bestätigt.‘ 2.2 Die Funktion der Darstellung Harbsmeier stellt klar fest, dass ,die Redeweise, ein Reisebericht sage mehr über den Verfasser aus, als darüber, wovon zu berichten er vorgibt, erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts allgemeine Verbreitung fand. Damit änderten sich radikal die Rezeptionsbedingungen der Gattung und die Produktionsverhältnisse der schreibenden Reisenden.‘ Fortan maßen die Reisenden und Leser der Frage der Glaubwürdigkeit so viel Bedeutung bei, dass die Frage nach der Funktion der Darstellung einer anderen und fremden Welt von ihnen oft auf die Wiedergabe von Realität eingeschränkt wurde. Die auch aus heutiger historischer Perspektive notwendige Frage nach der akkuraten Wiedergabe von Realität ist aus der Perspektive der mentalgeschichtlichen Analyse jedoch zweitrangig. Ihr geht es weniger um die Glaubwürdigkeit als vielmehr um die Funktionen, die der jeweiligen Darstellung anderer und fremder Welten unabhängig von ihrem Realitätsgehalt zugeschrieben werden können. Nach Harbsmeier kann die Funktion der Darstellung darin bestehen, Gefühlszuständen Ausdruck zu verleihen und damit überschüssige Energien abzuleiten und zu kanalisieren, ferner den Grenzen zwischen der eigenen und der anderen Welt Sinn abzugewinnen, indem die eigene Welt durch Abgrenzung von der jeweils anderen gerechtfertigt wird. ,Als Vorbilder und Utopien dienen Darstellungen anderer Welten dem Zweck, Zusammengehörigkeit unter den an der Unmöglichkeit des eben nur anderswo Möglichen Leidenden herzustellen. ‘ Die Reisenden werden dementsprechend als Helden aufgefasst, weil sie eine Vielzahl von Bedrohungen überlebt oder durch ihre Heimkehr beweisen, dass sie allen möglichen Versuchungen getrotzt haben. In der vorliegenden Arbeit soll die Darstellungsfunktion des Reiseberichts über die Wiedergabe von Realität hinaus berücksichtigt werden. Doch stellt sich dabei das methodologische Problem, dass gerade die Differenzierung zwischen realistischer Wiedergabe und anderen Gehalten der Darstellung schwierig ist und daher nicht immer festgestellt werden kann, ob ein Text eine Darstellungsfunktion im mentalitätsgeschichtlichen Sinne erfüllt. Aus diesem Grund wird auch in der vorliegenden Arbeit die Frage nach dem Realitätsgehalt der Reiseberichte zu stellen sein, jedoch nicht, um diese zu diskreditieren, sondern um ihren mentalitätsgeschichtlichen Gehalt zu identifizieren.
Désirée Eckert wurde 1982 in Regenburg geboren. Schon als Jugendliche entdeckte sie ihr Interesse für die zeitliche Periode der Frühen Neuzeit, dem sie im Rahmen ihres Germanistik – und Geschichtsstudium an der Ludwig – Maximilians Universität in München nachging und 2012 erfolgreich abschloss. Von besonderem Interesse sind für sie die geschichtlichen und literarischen Zusammenhänge des 16 Jahrhunderts. ,Von Wilden und wahrhaft Wilden' ist ihre erste Publikation. Sie lebt und arbeitet heute in München.
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