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Kunst & Kultur

Theo Meyer

Von Hexen, Normannen und wilden Äckern. Ostfriesland im Wandel der Zeit

ISBN: 978-3-95935-566-7

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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2021
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In der vorliegenden Publikation geht es um ganz verschiedene Aspekte der Geschichte Ostfrieslands. Die Historie der Halbinsel an der Nordsee ist gekennzeichnet durch vielfältige Erscheinungsformen. Ostfriesland ist eine Kulturlandschaft, die sich nicht nur durch die verschiedenen Bodenformen kennzeichnet, sondern auch durch vielfältige politische und sozialgeschichtliche Gegebenheiten und Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte. In diesem Buch werden besondere Ereignisse der Geschichte vorgestellt und beschrieben. Es handelt sich dabei um knappe und anschauliche Texte, die über diverse historische Zusammenhänge Auskunft geben sollen. Die Leserschaft wird einerseits über die behandelten Aspekte informiert, andererseits aber auch spannend unterhalten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel Von der Jagd zur Zeit der Cirksena: Die Jagd ist so alt wie die Menschheit. Seit ihrem Auftreten sicherten sich die Menschen ihr Überleben die längste Zeit als Jäger und Sammler. Sie begannen erst vor ungefähr 7.000 Jahren mit Ackerbau und Tierhaltung. Mit der Jagd wurden Waffen als erste Werkzeuge entwickelt. Daneben förderte die gemeinsame Jagd der Menschen in den Sippen die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten. Somit stellt die Jagd eine der Grundlagen der menschlichen Kultur dar. Die Bedeutung der Jagd mit ihren Gefahren und Erschwernissen ließ durch die zunehmende Sesshaftigkeit als Lebensgrundlage immer mehr nach. Sie trat als Nahrungserwerb bei einem Großteil der Bevölkerung in den Hintergrund. Gleichzeitig weiß man aus antiker Zeit, dass sie in den damaligen Hochkulturen bereits als Freizeitbeschäftigung und als Möglichkeit zur Körperertüchtigung betrieben wurde. Jagdmöglichkeiten gab es noch in der Spätantike und in den Anfängen des frühen Mittelalters für die ländliche Bevölkerung. Das Jagen war allerdings schon damals nicht in erster Linie ein Mittel der Nahrungsbeschaffung, sondern sie diente eher zum Schutz der Felder und der gehaltenen Nutztiere. Auf der anderen Seite waren erjagte Produkte wie Häute, Pelze und Knochen zur Herstellung der Bekleidung und der Werkzeuge wichtig. Die Jagd wurde bis ins Mittelalter immer mehr ein Vorrecht des Adels und der staatlichen und kirchlichen Würdenträger. In Ostfriesland waren es die Häuptlinge, die in dem Zusammenhang mancherlei Vorrechte, zu denen auch die Jagd gehörte, beanspruchten. Eine alte Quelle berichtet davon, dass der Häuptling von Aurich um die Mitte des 15. Jahrhunderts einem Udo Riekena aus Barstede das Recht verlieh, Hasen und Füchse zu jagen. Bei solchen Konzessionen handelte es sich in der Regel um die Ausübung der sogenannten Niederjagd. Das Jagen des Hochwildes war vor allem später das ausschließliche Recht der Landesherren. So führte die Entwicklung dahin, dass die Grafen und Fürsten aus der Familie Cirksena die Ausübung der Jagd als ein Hoheitsrecht betrachteten und den Adel auf die Jägerei im Bereich seiner Besitztümer beschränken wollten. Diese Sichtweise musste zwangsläufig dazu führen, dass sich zwischen der Landesherrschaft und dem Adel unliebsame Auseinandersetzungen einstellten, wenn es auf Seiten der Landesherrn um die Verteidigung des Jagdrechts ( jus venandi ) ging. Alte Quellen belegen, dass dem Adel auf Befehl der Landesherrschaft häufig das Jagen außerhalb seiner Güter untersagt wurde. Auf der anderen Seite standen sich landesherrliche Verordnungen und Gewohnheitsrechte oft dort gegenüber, wo es um die Verteidigung alten Herkommens und um die Stabilisierung des Jagdrechts ging. Ein Vertrag Edzards II. mit dem Johanniterorden vom September des Jahres 1574 belegt, dass es das Bestreben der ostfriesischen Grafen war, die Ausübung der Jagd als ein Regal oder Hoheitsrecht einzustufen. Entschieden wurde dort einerseits, dass der Orden zwei Kommenden zurückerhielt. Andererseits verpflichtete der Graf sich auch, den Orden nicht mit der Unterhaltung der Jagd zu beschweren. Das bedeutete, dass die Johanniter nicht mehr die Jagdhunde des Grafen mit Brot zu füttern brauchten, wie es vielerorts in Ostfriesland üblich war. Mit den sogenannten Jagddiensten waren vor allem die Einwohner des Amtes Friedeburg belastet. Sie mussten nicht nur die Hunde der fürstlichen Jäger mit Brot füttern, sondern auch das erlegte Wild wegtragen und die Hütten, die zur Birk- und Moorhahnjagd gebraucht wurden, herrichten. Darüber hinaus hatten sie zur Tarnung dieser Hütten Plaggen und Heide zu hauen und Dachse und Füchse auf Befehl auszugraben. Des Weiteren mussten sie - wie die Untertanen aller ostfriesischen Ämter - ein großes Aufgebot von Treibern zu den Fuchsjagden des Grafenhauses stellen. Ihnen wurde trotz dieser außerordentlichen Belastung das Pflücken von Heidelbeeren im Hopelser Gehölz verboten, weil die vielen Pflücker das Wild verscheuchten. Folgende Bestimmungen wurden in der Angelegenheit erlassen: Wir befehlen allen Eingesessenen unseres Amtes Friedburg, sie seien jung oder alt, bei Strafe von 20 Goldgulden, nach Befinden auch einer schärferen Züchtigung, dass sich niemand unterstehen soll, in Unseren Gehölzen Bickbeeren zu pflücken. Gleichzeitig forderte man die Gerichtsdiener auf, das Viehtreiben durch das Hopelser Gehölz nicht länger zu dulden. Die Bestimmungen wurden von den Kanzeln der Kirchen in Marx, Etzel und Reepsholt verlesen und der Bevölkerung bekannt gemacht. Immer wieder kamen die Streitigkeiten über die Jagdgerechtigkeit des Adels und das Jagdrecht des Landesherrn vor. In einem Schreiben des Häuptlings Unico Manninga (1529-1588) vom August 1582 wirft dieser die Frage auf, inwieweit das Jagdrecht dem Adel zustehe. Manninga beschwerte sich, weil der Berumer Amtmann den Lütetsburger Jägern gedroht hatte, ihnen die Jagdhunde abnehmen zu lassen, sobald die Lütetsburger wieder außerhalb der Herrlichkeit jagen würden. Der Häuptling war empört über diesen Eingriff in ein ererbtes Recht und er ließ den Grafen Cirksena wissen, dass er sich nicht von ihm in der Ausübung der Jagd Grenzen setzen lasse. Er erklärte, dass er weiterhin dort jagen werde, wo auch schon seine Vorfahren gejagt hatten. Eine weitere Quelle berichtet über die von Fürst Georg Christian (1634-1665) wegen Ausübung der Jagd getroffenen Vereinbarungen mit dem Adel. Es ging vor allem um die Abgrenzung der adeligen Jagdbezirke. Nördlich der Linie der Upgant-Osteeler Moräste lag der Jagdbezirk der Herren von Lütetsburg und es reichte im Norden bis in die Ostermarsch und umschloss auch die Kirchspiele Arle und Nesse. In dem Jagdedikt vom Oktober 1663 wird darum gebeten, dass der Adel sich beim Abschuss der Hirsche und Wildschweine doch derart bescheiden zeigen solle, dass die fürstliche Jagd darunter nicht zu stark beeinträchtigt werde. Wilddieberei kam nicht selten vor. Verschiedene Fälle sind den vorliegenden Akten zu entnehmen. Unter der Herrschaft der Regentin Christine Charlotte (1645-1699) hatte z. B. ein Einwohner aus Middels in Wittmund zwei erlegte Hasen zum Verkauf angeboten. Die Behörden hatten davon erfahren und der ermittelnde Amtmann war vor Ort mehrere Tage mit der Sache beschäftigt. Als schließlich in dem Fall das Urteil gefällt worden war, verlangte der Amtmann an Reisekosten noch 18 Reichstaler und 18 Schaf (27 Schaf=1 Reichstaler). Ein Drittel davon forderten er und seine Mitarbeiter für die Gerichtstage. Zwölf Schaf hatte er in zwei Nächten in Middels ausgegeben, einen Reichstaler rechnete er für drei Tage außer Hause und ebensoviel für seinen sauren wegk nach Middels . So musste der Middelser die Hasen quasi mit Ochsen büßen , was deutlich macht, dass der Schaden für den Mann, der mit den zwei verkauften Hasen nur ein kleines Geschäft machen wollte, immens war. Im Amt Esens war zu Beginn des 18. Jahrhunderts das Mitnehmen von Waffen verboten. Die vorliegenden Archivalien zu diesem Verbot lassen die Vermutung zu, dass die Beamten des Amtsbezirks die Eingesessenen oft nur ungern daran hindern wollten, etwas Wild für einen Braten zu erlegen. So hielten sie sich nicht selten zurück, wenn ihnen Übertretungen in der Angelegenheit gemeldet wurden. Ein aufregendes Ereignis spielte sich im Mai 1713 unweit der Stadt Norden ab. Am hellen Tage waren mehr als 20 Hirsche und Rehe aus dem Lütetsburger Gehölz über Bargebur und Addinggaste in das Amt Norden hinübergewechselt. Von Lütetsburger Jägern und Eingesessenen der Herrlichkeit wurden sie verfolgt. Augenzeuge dieser Vorgänge war der Norder Vogt Ferdinand Pichler, der darüber auch Bericht erstattete. Auf Grundlage der Ausführungen von Pichler meldete der Norder Amtmann Johann Kettler der Oberbehörde in Aurich: Heute abend um 8 Uhr erhielt ich die Nachricht, dass eine Partie Hirsche und Rehe, wohl zwanzig bis dreißig Stück, in das Norder Amt eingefallen waren. Einige Tiere waren von den Lütetsburger Jägern in das Lütetsburger Gehölz getrieben worden, die übrigens aber auf das Leegmoor geflüchtet. Aufgrund dieser Ereignisse sah man bei Hofe in Aurich die Angelegenheit als eine Verletzung der Jagdgerechtigkeit an, die von den Herren aus Lütetsburg ausgegangen war. Diese waren der fürstlichen Jagdgerechtigkeit zu nahe gekommen. Eine Einwohnerin aus Hesel wurde im Februar des Jahres 1723 straffällig, weil sie es versäumt hatte, ihre Jagdpflichten zu erfüllen. Die Frau namens Gesche Carstens wurde vernommen, und der Richter konfrontierte sie mit der Frage, warum sie die von Jägern erlegten und ihr übergebenen Hasen nicht nach Leerhafe transportiert hatte. Die 55jährige Witwe hatte jedoch angenommen, für diesen Dienst nicht an der Reihe gewesen zu sein. Das bestätigten auch einige Einwohner von Hesel und setzten sich für die Frau ein. Sie sagten aus, dass Gesche von einem Auskündiger zweimal kurz nacheinander beauftragt worden sei, den für sie schweren Dienst zu übernehmen. Obwohl die Witwe ein armseliges Leben führte, lautete das Urteil, dass Gesche die Kosten für die tätig gewesenen Ersatzträger bezahlen musste. Im Jahre 1731 wurde durch eine Anordnung von Auricher Beamten eine alte Verordnung erneuert und verschärft. Was war geschehen? Einige angesehene Bürger der Stadt Aurich hatten sich mit Flinten ausgerüstet und waren auf die Felder gegangen, um wilde Vögel zu schießen. Sie schossen dabei anscheinend alles, was ihnen vor die Flinte kam. Jäger und Jagdaufseher trafen die Jagdfrevler in der Nähe der Stadt an, erkannten die Personen, konnten sie aber nicht festnehmen, weil die Frevler einerseits auf die Ansprache der Aufseher nicht reagierten und sie sich andererseits auch noch auf der anderen Seite eines breiten Grabens befanden, den die Aufseher nicht überqueren konnten. Die Jagdfrevler waren ein Landrichter und ein Einwohner namens Harmen Roleffs. Der Umstand, dass es sich um sehr angesehene Personen handelte, machte es dem Jagdaufseher schwer, etwas gegen die Übertreter in Form einer Klage zu unternehmen. Lange Zeit blieb dem dritten Stand die Jägerei verboten. Erlaubt war ihm bei Zeiten der Fang von Flugwild und unter Einschränkungen auch das Jagen wilder Gänse und anderer Wasservögel. In dem Zusammenhang erließ Fürst Carl Edzard im April 1744 eine Verfügung gegen die missbräuchliche Ausübung der Vogeljagd im alten Amt Norden. Dort beeinträchtigten die Jäger die fürstliche Wildbahn unter dem Vorwand, Enten und andere Wasservögel schießen zu wollen. Die Verfügung drohte den Frevlern eine Geldstrafe von 20 Goldgulden, den Verlust des Gewehrs und die Erstattung des Schadens an. Der Amtsverwalter Grems ließ die Anordnung von den Kanzeln in den Kirchen verlesen. Ähnliche Vorfälle gab es auch im Amt Esens. Als Ostfriesland im Mai 1744, nach dem Tode des Fürsten Carl Edzard Cirksena, an Preußen fiel, wurden die Kriegs- und Domänenkammer in Aurich und die Ämter für das Jagdrecht zuständig.

Über den Autor

Theo Meyer, geboren 1955 in Ostfriesland, nahm nach seinem Abitur und Zivildienst das Studium der Geschichts- und der Sportwissenschaft für das gymnasiale Lehramt in Hannover auf. Er absolvierte ein Referendariat in Hamburg und war danach zunächst als wissenschaftlicher und als pädagogischer Mitarbeiter in verschiedenen Kultur- und Bildungseinrichtungen tätig. Es folgte die Tätigkeit im Schuldienst des Landes Niedersachsen von 2001 bis zum Ruhestand im Jahr 2017. Er ist weiterhin als freier Autor tätig.

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