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- Vergänglichkeit und Tod in der Fotografie am Beispiel von Roland Barthes' "Die helle Kammer"
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Abb.: 15
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Durch jede Fotografie wird ein Augenblick festgehalten. Ein wichtiger Moment wird dokumentiert und aus dem Fluss der Zeit herausgerissen. Etwas zu fotografieren heißt für die meisten Menschen einen flüchtigen und vergänglichen Augenblick mit der Kamera festzuhalten und ihn dadurch zu konservieren. Auf diese Weise fixiert man eine Erinnerung und kann sie sich jederzeit wieder lebendig machen. Fotografie bildet die Wirklichkeit ab und fixiert sie dauerhaft. Macht man sich Gedanken zur Fotografie, stellt man fest, dass diese ein durchaus paradoxes Wesen besitzt: Die Eigenschaft, einen Augenblick des Lebens festzuhalten und bis in alle Ewigkeit beizubehalten. Ebenso wird durch dieses Fixieren eines Augenblicks die Vergänglichkeit des fotografierten Objekts bzw. Individuums sichtbar gemacht. So streift das Medium Fotografie nah am unsichtbaren Tod vorbei, es mortifiziert das Leben vorträglich. Die Fotografie zeigt also nicht nur das auf, was einmal dagewesen ist, sondern auch das, was (irgendwann) nicht mehr sein wird. Diesem Aspekt widmet sich diese Studie, am Beispiel von Roland Barthes’ Die helle Kammer . Barthes untersucht darin das Wesen der Fotografie und nimmt Stellung dazu.
Textprobe: Kapitel 3, Roland Barthes: Bevor nun auf die Struktur von ‘Die helle Kammer’ eingegangen wird, wird zunächst Roland Barthes in einem kurzen Porträt vorgestellt. Außerdem soll ein Blick auf diejenigen Werke vor 1980 geworfen werden, in denen er sich bereits mit dem Medium Fotografie auseinandersetzte. 3.1, Kurzporträt: Der französische Schriftsteller, Literatur- und Kulturkritiker, Semiologe, Neostrukturalist, Soziologe und Philosoph Roland Barthes wird im Jahre 1915 in Cherbourg (Frankreich) geboren. Nach dem Tod seines Vaters, der bei einer Seeschlacht im Ersten Weltkrieg 1916 getötet wird, zieht seine Mutter mit ihm ins französische Bayonne. Hier verbringt Barthes seine Kindheit. 1924 zieht die Familie dann nach Paris, wo Barthes sein Faible für das Theater entdeckt und während der Schulzeit in einer Theatergruppe mitspielt. Anschließend studiert er an der Sorbonne Philologie und beschäftigt sich in seiner Abschlussarbeit mit der griechischen Tragödie. Bereits in jungen Jahren erkrankt Barthes an Tuberkulose und ist dadurch gezwungen, lange Zeit in Krankenhäusern zu verbringen. Während dieser Zeit beschäftigt er sich mit der Theorie Karl Marx’ und den Schriften des Historikers Michelet. Später schreibt Barthes für diverse Tageszeitungen und hält Vorlesungen an verschiedenen Universitäten Europas. Nach weiteren soziologischen und semiologischen Untersuchungen, und der daraus resultierenden Veröffentlichung seines Werkes ‘Mythen des Alltags’ im Jahre 1977, erhält Barthes mit 52 Jahren eine Professur für Literarische Semiologie am Collège de France in Paris. Drei Jahre später stirbt Barthes an den Folgen eines Verkehrsunfalls in Paris. Barthes selbst hat seine Entwicklung im Laufe seiner Werke in drei Phasen unterteilt: In seiner ersten Schaffensphase, die Barthes bis zum Jahre 1957 definiert, liegt der Schwerpunkt seiner Arbeit im Diskurs beziehungsweise der Semiologie. In dieser Phase entsteht das bereits erwähnte Werk ‘Mythen des Alltags’, eine Sammlung von Essays über die Fotografie, das Theater und einer Kritik an den Kritikern der tautologischen Urteile. Die zweite Phase sieht Barthes in den Jahren 1957 bis 1963, in der er die Semiologie als Wissenschaft zum Untersuchungsgegenstand seiner Werke macht. In seiner dritten Phase interessiert sich Barthes schließlich für den Text mit dem Signifikant in der semiotischen und psychoanalytischen Verwendung. Das Augenmerk dieser Studie liegt auf seinem letzten Werk ‘Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie’. Dieses Essay ist der Schrift ‘Das Imaginäre’ von Jean Paul Sartre aus dem Jahr 1940 gewidmet. Barthes versucht hier, die Fotografie zu klassifizieren und ihr Wesen zu untersuchen. Diese subjektive Sichtweise wird durch die von Barthes gewählte Erzählform unterstrichen: Er schreibt sein letztes Werk in der ersten Person Singular und vermittelt dem Leser so eine persönliche Nähe zwischen ihm und den untersuchten journalistischen, dokumentarischen, künstlerischen und privaten Fotografien, die er phänomenologisch zu ergründen versucht. Barthes nimmt sich selbst, sein Ich, als Ausgangspunkt des Textes. Wolf beschreibt den Text ‘Die helle Kammer’ als Text und Metatext: ‘[...] eine einfache Geschichte, die vom Wiederfinden des Bildes der Mutter erzählt, und die Aufhebung der Erinnerung in einer Schrift.’ So widmet sich Barthes in seiner letzten Schrift auf eine nahezu naive, narrative Art und Weise der Fotografie und beschreibt sie subjektiv. Zugleich kann das Abschlusswerk als Trauerschrift in Bezug auf den Tod seiner Mutter gesehen werden. 3.2, Roland Barthes’ erste Überlegungen zur Fotografie: Barthes hat sich bereits in den zwei frühen Aufsätzen ‘Die Fotografie als Botschaft’ (1961) und ‘Rhetorik des Bildes’ (1964) mit der Zeichensprache der Fotografie beschäftigt und in seinem Werk ‘Mythen des Alltags’ mit der Wirkung von Schockfotos. Im erstgenannten Essay beschreibt Barthes das Bild als perfektes Analogon des Wirklichen und den Sonderstatus des fotografischen Bildes als ‘Es ist eine Botschaft ohne Code’, das heißt, er analysiert den Inhalt fotografischer Botschaften. Diesen Sonderstatus belegt er damit, dass sämtliche andere analogische Reproduktionen der Wirklichkeit, wie beispielsweise der Film oder das Theater, auf den ersten Blick zwar ebenfalls Botschaften ohne Code zu sein scheinen, jedoch darüber hinaus eine zusätzliche Botschaft entfalten, die er mit dem Begriff Stil betitelt. Barthes erklärt diese beiden Botschaften folgendermaßen: Im Grunde enthalten alle diese nachahmenden ‚Künste’ zwei Botschaften: eine denotierte, nämlich das Analogon als solches, und eine konnotierte, nämlich die Weise, auf die eine Gesellschaft gewissermaßen zum Ausdruck bringt, wie sie darüber denkt. Im fotografischen Bild jedoch, so Barthes, ist eine Trennung dieser beiden Botschaften möglich, da das Bild bei seiner Entstehung nicht zwingend codiert sein muss und diese Codierung somit noch aussteht. ‘Die Fotografie ist hier reines Denotat, ein Analogon als solches’, also rein objektiv und kann erst unter Einbringung bestimmter Konnotationsverfahren (wie beispielsweise der Fotomontage), das heißt unter Einbringung bestimmter Signifikate codiert werden. (Diesen reinen Zustand sieht Geimer in einer Verwandtschaft mit der Befreiung des Sinns, den Barthes dem Haiku zuschreibt. Barthes erwähnt diesen Zusammenhang in ‘Die helle Kammer’ und betont, dass die bloße Wiederholung, also die Gewissheit einer vergangenen Realität, der Fotografie ebenso wie dem Haiku inhärent wäre.) Daraus schlussfolgert Barthes das ‘fotografische Paradox’, also die Koexistenz beider Botschaften in einem Bild. Denn sobald ein Bild beschrieben wird, wird es codiert. Jede sprachliche Erfassung muss die fotografische ‚Botschaft ohne Code’ zwangsläufig codieren, benennen und mit Sinn belegen und verfehlt damit systematisch den Raum ihrer reinen, noch ‚sinnlosen’ Denotation. In seinem drei Jahre später folgendem Essay ‘Die Rhetorik des Bildes’ vertieft Barthes diese wissenschaftliche Position und unterscheidet hier explizit drei Nachrichten, die eine analysierte Fotografie übermittelt: die sprachliche Botschaft, die meist denotiert und konnotiert ist, die codierte bildliche Nachricht, die sich auf die Symbolik des Bildes bezieht, und die nicht codierte bildliche Nachricht, die sich auf die buchstäbliche Nachricht bezieht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass laut Barthes das buchstäbliche Bild ein denotiertes und das symbolische Bild ein konnotiertes ist. Zusätzlich betont Barthes, dass die Fotografie das einzige Bild ist, welches die Fähigkeit hat, Informationen zu vermitteln, er erwähnt also bereits 1964, dass jede Fotografie etwas Dagewesenes impliziert. Diese ‘neue Kategorie der Raum-Zeitlichkeit: örtlich unmittelbar und zeitlich vorhergehend’ ist es, die Barthes in seinem letzten Werk schließlich als den Leitgedanken der Fotografie bestimmt. Man erkennt bereits hier wesentliche Gedankengänge, die er Jahre später wieder aufgreift und bearbeitet. Zusätzlich erklärt Barthes in seinem letzten Werk, dass an einer Fotografie immer ihr ‘Referent’, also ihr Bezugsobjekt haften bleibt und definiert sie somit als ‘Emanation des Referenten’. Wiederholt wird von ihm der Aspekt, dass die Fotografie eine Spur des Realen, also eine Botschaft ohne Code ist. Auch in ‘Die helle Kammer’ hält er ‘am analogen, nichtcodierten Charakter der Fotografie fest.’ Außerdem fällt beim Lesen von ‘Die helle Kammer’ eine weitere Parallele zu einem früheren Text Barthes’ auf. ‘Der dritte Sinn’ (1970), ein Aufsatz der auf den Film bezogen ist und Notizen über die Standbilder aus Filmen von Sergej Eisenstein enthält. Barthes unterscheidet hier bei der Betrachtung von Filmen drei Sinnebenen: eine informative Sinnebene, der ‘entgegenkommende Sinn’ und der ‘stumpfe Sinn’. Er deutet den entgegenkommenden Sinn als symbolische, narrative Ebene. Den stumpfen Sinn wiederum sieht er nicht in der Sprache und fügt hinzu, dass er schwer zu beschreiben ist: ‘[…] der stumpfe Sinn ist ein Signifikant ohne Signifikat daher die Schwierigkeit ihn zu benennen […].’ Diese Unterscheidung erinnert an die zwei Definitionen, die er in ‘Die helle Kammer’ vornimmt. Wie beim stumpfen Sinn ‘fesseln oder berühren ihn [gewisse Details], aber ohne daß er genau sagen könne weshalb.’ Allerdings fügt Iversen hinzu, dass man trotz desselben Bedeutungsinhaltes nicht die unterschiedliche Konnotation der Begriffe ‘scharf’ (punctum) und ‘stumpf’ vernachlässigen sollte. (Zur präzisen Unterscheidung der beiden Arten von Affekt ‘studium’ und ‘punctum’ siehe Kapitel 3.4.2). Auf diese, von Barthes auferlegte Wesensmerkmale soll im folgenden Kapitel genauer eingegangen werden. Sie sollen jedoch vor allem mit dem Schwerpunkt des Todes innerhalb der Fotografie betrachtet werden, da Barthes dem Tod in der Fotografie eine wichtige Rolle zuteilt. Der Tod fungiert hier jedoch nicht als bildlicher Eingriff, sondern soll als metaphorischer und symbolischer Aspekt der Fotografie aufgearbeitet werden.
Patrizia Barba, M.A., Jahrgang 1979, absolvierte eine Ausbildung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien. Anschließend studierte sie von 2004-2011 Medienwissenschaft (Schwerpunkt Film & Fotografie), Romanistik (Italienisch) und Ethnologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Sie absolvierte zudem ein Auslandssemester am interdisziplinären Institut DAMS (Drama, Arte, Musica, Spettacolo) in Bologna und schloss ihr Studium mit dem akademischen Grad des Magistra Artium erfolgreich ab. Es folgte ein Volontariat im Bereich Kommunikation der Zentrale des Goethe-Instituts in München und die Pressearbeit auf zwei Filmfestivals. Aktuell ist Patrizia Barba im Bereich der Film- und Fotoproduktion tätig.
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