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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das goldene Zeitalter des deutschen Schlagers, so oder ähnlich wird noch heute, über 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Untergang des verbrecherischen Regimes der Nationalsozialisten, das Dritte Reich in Bezug auf seine Schlager betitelt. Bei vielen Rundfunksendern laufen immer noch bekannte Unterhaltungsmusiktitel aus jener Zeit im Original. Interpreten wie Hans Albers, Marika Rökk, Zarah Leander oder Johannes Heesters sind keine Seltenheit in vielen Radioprogrammen. Außer diesen bis heute populären Evergreens ist ein Großteil der Musik jener Zeit, vor allem die damals zeitgenössische ernste Musik, in Vergessenheit geraten und lagert in Archiven. Jenseits des Halbwissens über Swingbewegung, Durchhalteschlager oder das Wehrmachtswunschkonzert ist das Wissen über Unterhaltungsmusik des Dritten Reiches heute eher gering. Zwar beruht dieses Halbwissen stets auf korrekten Grundlagen, als Hingucker verwendete Werbeschilder mit dem Swingverbot haben natürlich historische Vorbilder ebenso wie die Vorstellung vom Durchhalteschlager, der das deutsche Volk auf den Endsieg einschwören sollte es stellt sich aber die Frage, welche Wahrheiten tatsächlich diesen bruchstückhaften Kenntnissen zu Grunde liegen. Welchen Stellenwert hatte Unterhaltungsmusik in einer Zeit der Diktatur und während des Krieges? Was führte dazu, dass die Schlager dieser Epoche noch heute bekannt und beliebt sind? Wie konnte der Zeitraum von 12 Jahren, in dem von Deutschland aus größtes Leid über die Welt gebracht worden ist, gleichzeitig eine Blüte einer unpolitisch erscheinenden Kunstform hervorbringen? Ist dies ein Widerspruch oder bedingt sich beides?
Textprobe: Kapitel 4.2, Räume für die Unterhaltungsmusik: In den 1920er Jahren erlebte die Musik generell, aber damit natürlich auch die Unterhaltungsmusik, eine weitere Verbreitung denn je. Grund war ihre verbesserte technische Reproduzierbarkeit und somit Verfügbarkeit für eine immer größere Anzahl von Konsumenten. War bis in das 19. Jahrhundert hinein Musik nur live erlebbar, kamen dann die ersten mechanischen Speicher- und Wiedergabemöglichkeiten für Musik auf, deren sich vor allem die Unterhaltungsbranche bediente. Entsprechende Geräte waren aber meist zu groß und zu teuer für den Privatgebrauch, so dass der Konsum von unterhaltender Musik immer noch auf vereinzelte Orte beschränkt war. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts begann sich dann das Grammophon durchzusetzen, das sich aber erst in den 1920er Jahren zu einem Massenprodukt entwickelte und sehr gerne für die mobile Beschallung mit Musik genutzt wurde. Ebenfalls in den 1920er Jahren kam dann der Rundfunk hinzu, der schließlich (Unterhaltungs-) Musik in unbegrenztem Umfang auch für den privaten Bereich verfügbar machte. Eine weitere Verbreitungsmöglichkeit für Unterhaltungsmusik war dann ab den 1930er Jahren der aufkommende Tonfilm. Die Reproduzierbarkeit der Musik änderte die Erfolgschancen von Schlagern, die bisher nur eine Chance hatten, wenn sie beim Publikum ankamen, beziehungsweise allein zu diesem Zweck komponiert wurden. Nun war die Hauptsache, dass ein Stück über ein Medium gut rübergebracht wurde, so dass Schlager nur zum Zweck der technischen Reproduzierbarkeit komponiert wurden. Live-Musik / Konzerte: Die Orte, an denen in den 1930er und 1940er Jahren Unterhaltungsmusik für Publikum gespielt wurde, waren meinst Tanzbars, Musikcafés oder große Unterhaltungspaläste. Hinzu kam die im privaten Rahmen gespielte Musik, vor allem von Jazz- oder Swinganhängern, die den öffentlichen Raum wegen ihrer Musik verlassen hatten. Reine Unterhaltungskonzerte, so wie heutige Rock- oder Popkonzerte, gab es in dieser Form und vor allem in heutiger Größenordnung nicht. Zentren der Unterhaltungsindustrie in Berlin waren der Potsdamer Platz, in dessen Umgebung einige Amüsiergroßbetriebe angesiedelt waren, sowie die Gegend um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche dort hatten sich in den 1930er Jahren viele kleinere Bars angesiedelt und das Gebiet galt als Mittelpunkt der deutschen Jazzszene. Die bekanntesten Vergnügungsetablissements waren die Scala , das Femina , das Haus Vaterland und das Café Moka Efti . In den großen Häusern, in denen das Publikum sehr gemischt war, traten entsprechend der Größe auch meist größere Tanzorchester auf, die in der Regel klassischen Swing spielten aber auch massentauglicher Jazz wurde geboten. Bei Liveauftritten konnten die auftretenden Bands und Orchester mehr riskieren als bei Plattenaufnahmen und Jazz oder Swing spielen, da es keine Livemitschnitte als Beweismaterial gab. In vielen solchen Etablissements wurden spätestens ab Kriegsbeginn Soldaten in Uniform bevorzugt eingelassen und bedient. In den kleineren Etablissements war das Publikum meist gediegener, setzte sich oft aus Künstlern, Angehörigen der Oberschicht, Industriellen, höheren Offizieren, Diplomaten und sonstigem internationalen Publikum und auch der Halbwelt zusammen. Für junge Leute waren entsprechende Etablissements in der Regel zu teuer. Uniformierte Besucher waren vor dem Krieg und bis zur Kriegswende in solchen Clubs die Ausnahme, in manchen besonders exklusiven Clubs hatten auch noch im Krieg Wehrmachtsangehörige nur in Zivil Zutritt. Nicht nur in den großen deutschen Städten gab es Vergnügungsetablissements und Tanzbars, sondern auch in der Provinz, dort aber in kleinerem Rahmen. In ganz kleinen Orten war jedoch die Unterhaltungsmusik von Musikzügen der SA oder einer der anderen Parteigliederungen oftmals das einzige Angebot. Nach Kriegsbeginn war zunächst die einzige Einschränkung für den Vergnügungsbetrieb die Verdunkelungspflicht und die Vorverlegung der Sperrstunde um zwei Stunden. Mit dem Kriegsverlauf wurden viele der Örtlichkeiten, an denen vorher Unterhaltungsmusik gespielt wurde, zerstört, dennoch gab es zumindest in Berlin immer noch Tanzbars, in denen auch Jazz und Swing gespielt wurde. Das Vorgehen gegen den live gespielten Jazz beschränkte sich im Großen und Ganzen auf das Verbot ausländischer Musiktitel und Begriffe. Gegen Ende des Krieges änderte sich auch das Publikum der Vergnügungsetablissements: die meisten Besucher waren Soldaten auf Urlaub, verbliebene Diplomaten und einige wenige Zivilisten.
Marc Brüninghaus M.A., Jahrgang 1979, Geschichtsstudium an der FernUniversität in Hagen (Nebenfächer Politikwissenschaft und Psychologie), Abschluss 2009 als Magister Artium.
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