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- Uns kommt nur noch die Komödie bei: Friedrich Dürrenmatts Verständnis der modernen Komödie - Dargestellt an den Dramen „Romulus der Grosse“, „Der Besuch der alten Dame“, „Die Physiker“, „Der Meteor“ und „Dichterdämmerung“
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Friedrich Dürrenmatts Werke treffen auch heute noch den Nerv der Zeit. Themen wie die atomare Bedrohung, die gesellschaftliche Verantwortung des Einzelnen, die Käuflichkeit der Moral oder Kindsmissbrauch sind in aller Munde und verleihen seinem Werk eine fast schon gespenstische Aktualität. Wie aber lässt sich unsere aus den Fugen geratene Welt gestalten? Friedrich Dürrenmatt ist es unmöglich, heutzutage Tragödien zu schreiben, denn die Tragödie setzt eine gestaltete Welt, Schuld und Verantwortung voraus. Nach Meinung Dürrenmatts gibt es all das nicht mehr, alle können nichts dafür und haben es nicht gewollt. Er kommt deshalb zum Schluss, dass uns nur noch die Komödie beikommt. Dies sei jedoch nicht resignativ zu verstehen - denn selbst angesichts der Sinnlosigkeit der modernen Welt ist es immer noch möglich, nicht zu verzweifeln, sondern die Welt zu bestehen. Ziel dieser Studie ist es, herauszufinden, in welcher Art und Weise Friedrich Dürrenmatt sein aus der Auseinandersetzung mit der Welt erwachsenes Verständnis der Komödie in seinen Dramen ‚Romulus der Grosse‘, ‚Der Besuch der alten Dame‘, ‚Die Physiker‘, ‚Der Meteor‘ und ‚Dichterdämmerung‘ umsetzt.
Kapitel 3, Spielen wir noch einmal, zum letzten Mal, Komödie: Im Folgenden soll erörtert werden, wie sich Friedrich Dürrenmatts Theaterkonzepti-on in seinen Dramen manifestiert bzw. welcher Mittel er sich in der Praxis bedient, um sein Ziel der Objektivierung und der Distanzierung zu erreichen. Die Einteilung in Figuren-, Sprach-, Situations- und Handlungskomik dient der Systematisierung. Es versteht sich von selbst, dass die Bereiche stark ineinander übergreifen und der Übergang vom einen zum anderen oft fließend ist. Schließlich besteht ein wesentliches Merkmal guter Komödien meines Erachtens gerade darin, dass dem Autor die Integration der verschiedenen komischen Elemente gelingt und diese nicht wahllos nebeneinanderstehen. 3.1, Figuren zwischen Komik und Groteske: Obwohl Dürrenmatt seine Komödien nicht primär auf den handelnden Personen aufbaut, springt dem unbefangenen Theaterbesucher doch immer wieder die seinen Figuren anhaftende Komik direkt ins Auge. Dies hat seinen Grund weniger in einer einzelnen, überspitzt gezeichneten Charaktereigenschaft als in ihren Namen, ihrem Aussehen, ihrer Mimik und Gestik und der Art, wie Dürrenmatt sie gruppiert. 3.1.1 Namen und Kosenamen: Dürrenmatt ist ein Meister im Gebrauch sprechender Namen. So heißt etwa die Ehefrau des Titelhelden in ‘Romulus der Grosse’ Julia, was beim Zuschauer natürlich sofort die Assoziation an das berühmte Liebespaar aus Shakespeares Tragödie ‘Romeo und Julia’ weckt. Der komische Effekt resultiert daraus, dass die beiden sich aus reinem Kalkül geheiratet haben: ‘Unsere Ehe war fürchterlich, aber ich habe nie das Verbrechen begangen, dich einen Tag darüber im Zweifel zu lassen, weshalb ich dich zur Frau nahm. Ich habe dich geheiratet, um Kaiser zu werden, und du hast mich geheiratet, um Kaiserin zu werden. ... Ich habe dich legitimiert, und du mich gekrönt’ (Dürrenmatt, Friedrich. Romulus der Grosse, S. 74). Der Kriegsminister Mares trägt einen Namen, der eine Kombination aus dem römi-schen (Mars) und dem griechischen Kriegsgott (Ares) darstellt Tullius Rotundus, der Innenminister, würde frei ins Deutsche übersetzt den Namen ‘Tullius der Dicke’ tragen, und der Vorname des Reiterpräfekten Spurius Titus Mamma spielt auf seinen Beruf an (vgl. dem Pferd die Sporen geben). Achilles und Pyramus, ‘zwei uralte Kammerdiener, grau, unbeweglich wie Statuen’ (ebd. S. 13), tragen Namen, die so gar nicht zu ihnen passen wollen, ist doch Achilles immerhin einer der tapfersten Helden der griechischen Mythologie und Pyramus ein durch Ovids Metamorphosen bekannter Liebender (Pyramus und Thisbe). Der Name des Kunsthändlers Apollyon schließlich verweist auf den Gott der Schönheit, was insofern komisch wirkt, als er sich rege am Ausverkauf des Reiches beteiligt. Den wohl gelungensten Namen in diesem Stück hat aber der Industrielle Cäsar Rupf, dessen Vorname auf jenen neuen ‘Cäsar’ (Kaiser) verweist, den er repräsen-tiert, nämlich den Kapitalisten, und dessen Nachname nicht nur seine germanische Herkunft bezeichnet, sondern auch überdeutlich auf seine Geschäftspraktiken an-spielt. Ferner sind da noch die beiden Zeno begleitenden Kämmerer, Phosphoridos und Sulphurides, wobei mit Phosphor und Schwefel (lat. sulphur) zwei übelriechende Stoffe gemeint sind. Bei der Titelfigur selbst nimmt Dürrenmatt eine kleine, aber nicht unbedeutende Än-derung vor. Der letzte Kaiser Westroms hiess Romulus Augustulus. Dürrenmatt macht aus diesem ‘Kaiserlein’ (lat. Augustulus) Romulus den Grossen. Die ganze Finesse dieser Bezeichnung ergibt sich aber erst durch die Handlung, da Romulus ja zunächst als nichtstuender Hühnerzüchter auftritt und so den Beinamen ‘der Grosse’ kaum zu verdienen scheint. Am Schluss freilich ist man sich dann aber doch nicht mehr so sicher, ob Romulus seinen Ehrentitel nicht doch zu Recht trägt. Im ‘Besuch der alten Dame’ sind es vor allem die beiden Hauptfiguren, die einen sprechenden Namen haben: Claire Zachanassian und Alfred Ill. Der Name Zacha-nassian setzt sich Dürrenmatt zufolge aus ‘Zacharoff, Onassis, Gulbenkian (letzterer beerdigt in Zürich)’ (Dürrenmatt, Friedrich. Der Besuch der alten Dame, S. 141) zusammen und deutet somit auf Reichtum hin. Die Ähnlichkeit des Vornamens Claire mit der Parze Klotho wird im Drama sogar explizit angesprochen: ‘Schauerlich, wie sie aus dem Zuge stieg, die alte Dame mit ihren schwarzen Gewändern. Kommt mir vor wie eine Parze, wie eine griechische Schicksalsgöttin. Sollte Klotho heißen, nicht Claire, der traut man es noch zu, dass sie Lebensfäden spinnt’ (ebd. S. 34). Effektvoll ist auch der Unterschied zu Claires Mädchennamen Kläri Wäscher. Das französische Claire tönt natürlich viel vornehmer, und ihr Nachname spiegelt nicht nur ihren sozialen Aufstieg wider, sondern nimmt bereits den Grund ihres Besuches vorweg, nämlich die Stadt Güllen von ihrer Schuld reinzuwaschen, wobei ihre Art, das zu tun, freilich nicht mit den gängigen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit gemessen werden kann. Ills Nachname wird in der Forschung meistens mit dem englischen Wort ‘ill’, was ja im Deutschen ‘krank’ heißt, in Verbindung gebracht. Fickert sieht aber noch einen anderen Zusammenhang: ‘Ill - French he - functions as an Everyman in the play’ 3 (Fickert, Kurt J. Wit and Wisdom in Dürrenmatt’s Names, S. 386 Übers. im Anhang). Da sich Dürrenmatt seinerseits ganz bewusst nicht von den Güllenern distanziert, sie gar als ‘Menschen wie wir alle’ (Dürrenmatt, Friedrich. Der Besuch der alten Dame, S. 143) bezeichnet und sich ‘nicht so sicher ist, ob er anders handeln würde’ (ebd. S. 141), scheint mir Fickerts Hinweis durchaus einer Überlegung wert zu sein. Die Güllener werden mit Ausnahme von Ill nur mit ihrer Berufsbezeichnung benannt (der Bürgermeister, der Pfarrer, der Lehrer, der Arzt, der Polizist usw.). Sie haben also keinen persönlichen Namen. Freilich hat auch das Methode, da sie zusammen die Stadt Güllen symbolisieren sollen. Sie agieren nicht als Individuen, sondern als Rollenträger innerhalb eines Kollektivs. Insofern ist auch diese Nicht-Namengebung sprechend. Es kommt hinzu, dass mit dem Namen der Stadt und der Städter bereits ihr - materieller wie moralischer - Zustand bezeichnet ist, ist doch Gülle das schweizerdeutsche Wort für Jauche. […]
Eveline Zurbriggen wurde 1967 in Grächen (Schweiz) geboren. Nach ihrer Erstausbildung zur Sortimentsbuchhändlerin hat sie an der Fernuniversität in Hagen (Deutschland) Deutsche Literatur, Soziale Verhaltenswissenschaften und Pädagogik studiert. Sie arbeitete viele Jahre als Dozentin, namentlich in der Lehrerausbildung, und hat hierzu mehrere Grundlagenwerke publiziert. Parallel dazu erweiterte sie ihr Tätigkeitsgebiet in Richtung Soziale Arbeit und Wirtschaft und hat im Fach Wirtschaftspädagogik promoviert. Aktuell arbeitet sie als Bereichsleiterin für Kinder- und Jugendfragen bei der Eidgenössischen Bundesverwaltung in Bern.
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