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Kunst & Kultur

Björn Fischer

Tocotronic, Blumfeld, Die Sterne: Die Texte der Hamburger Schule

ISBN: 978-3-95850-982-5

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die vorliegende Untersuchung möchte sich im Allgemeinen mit dem Phänomen der Hamburger Schule beschäftigen. Als Musikströmung der 1980er und 1990er Jahre in Deutschland nimmt sie die maßgebliche Vorreiterrolle für den zeitgenössischen Trend zum deutschsprachigen Texten in der Pop- und Rockmusik ein. Die Analyse der Texte wird dabei an den drei Hauptvertretern Tocotronic, Die Sterne und Blumfeld festgemacht, die in der späteren Hälfte der Hamburger Schule entscheidenden Einfluss auf den Erfolg der gesamten Strömung hatten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.3, Hamburg - öffentliche und private Räume: Die eigentlichen Anfänge der Hamburger Schule finden sich aber in den zahlreichen Kiezkneipen beziehungsweise im geistigen Raum dazwischen und weniger auf den Straßen der Metropole. Rocko Schamoni verortet die Keimzelle im damaligen ‘Kennlern-Laden’ Sorgenbrecher. ‘Das, was man als Hamburger Schule bezeichnet – ob man Klischees mag oder nicht -, das hat da angefangen, dass wir uns jeden Abend getroffen haben.’ Weitere erste Orte waren die Bars Kir, Subito und Luxor, in denen Ende der achtziger Jahre Bands wie Tav Falco und Sylvia Juncosa auftraten, die Musiker, wie die soeben nach Hamburg gezogene Bernadette Hengst, zum Musizieren bewegten. Niemand wollte aber in vorgefertigte Fußstapfen treten und so blieb meistens kaum etwas anderes übrig, als eigenständige Musik zu machen. Die Attitüde und der idealistische Hintergrund entstammten dem Wechselspiel zwischen Beobachtungen der äußeren Welt, d.h. im Allgemeinen den Weltphänomenen und –mechanismen und im Speziellen dem soziokulturellen Milieu der Bars und Studentenwohnungen, und dem inneren Monolog über die eigene Ausrichtung. ‘Da entstand dann ja vielleicht dieses Nachdenken. Wenn die ein bisschen so aussahen wie ‚Was kostet die Welt?’, war es für mich und die Leute, auf die ich reagiert habe, so etwas wie: ‚Was ist die Welt und wie funktioniert die?’ Es wurde ganz viel Mühe darauf verwandt, in Texten – zuungunsten des Rock’n’Roll-Faktors – Strukturen zu beschreiben. Und sich gleichzeitig eigene Strukturen aufzubauen, das hatte dann mit der Sprache zu tun. Und das, was man sich ausgedacht hatte, hatte man exakt seit gestern oder vorgestern – es gab keine große Tradition.’ Tobias Levin, Mitglied bei Cpt. Kirk & und später Tocotronic-Produzent, macht hier deutlich, dass bereits beim ersten Kontakt mit einem neuen Milieu eine Art von authentischer Selbstpositionierung vonstatten ging und dass es niemandem daran gelegen war ‚zu klingen wie’. ‘Das hat in Hamburg eine Zeit lang ganz toll funktioniert, dass es dann mit dieser sogenannten Hamburger Schule plötzlich etwas gab, was aus einem Kreis von Leuten bestand, die nicht an der letzten Szene mitgearbeitet hatten.’ Es wurde bemerkt, dass die vorangegangene Phase der Eindeutigkeit mit Poptexten und Instrumentationen, die nur auf einer Ebene existierten, vorbeiging und man stellte fest, dass das aufkommende Uneindeutige nur noch formuliert und herausgebracht werden musste. Die Hamburger Szene schuf sich sozusagen eine neue Basis, von der aus das noch Kommende angegangen werden konnte. Begünstigt wurde diese Entwicklung dadurch, ‘dass es in Hamburg die entsprechenden Menschen gibt und die notwendige Infrastruktur.’ Grundsätzlich war das Interesse an einer neuen Art von Popmusik sehr groß, es gab eine Vielzahl von Konzertorten und Zeitschriften, die über die Veranstaltungen berichteten. Die wichtigsten Stadtmagazine hierfür waren Tango und Szene Hamburg. Sogar die Hamburger Morgenpost installierte eine Pop-Seite. Hinzu kam ein reger Austausch zwischen Journalisten und Musikern, wobei Erstere nicht selten auch gleichzeitig das Zweite waren. Dadurch wiederum konnte der hohe Grad an Vernetzung effektiv wirken, denn in den wichtigsten Szenekneipen traf man immer jemanden, den man kannte und mit dem man reden konnte, was von den Musikschaffenden als sehr angenehm empfunden wurde. Der soziale Kontakt in einem Raum der Möglichkeiten war für viele Kreative sehr wichtig, weil sie aus diesem Raum, in dem sie mit ihrer Umwelt interagierten, die Gegenstände für ihre Arbeit entnahmen. Die meisten Songs der Hamburger Schule sind keine autistischen Selbstreflexionen, sondern immer der Blick aus dem Selbst auf die Umwelt, mit der man es zu tun hat. Viele Lieder handeln zwar von subjektiven Befindlichkeiten, die aber größtenteils immer auf Beziehungen zu anderen Menschen gerichtet sind oder aus ihnen hervorgehen. Wenn Bernd Begemann deklarierte ‘Das Leben findet in Wohnungen statt’ , sollte das nicht den Rückzug in die Isolation bedeuten, sondern den Ort einer Gemeinschaft bezeichnen, an dem man Freunde und Bekannte einlädt, um gemeinsam zu kochen, Filme zu sehen oder Videospiele zu spielen. Die gegenseitige Befruchtung funktionierte auch nur so, weil die meisten eine künstliche und entpersonalisierte Kommunikation über zum Beispiel Internet-Chat-Foren als nicht natürlich empfanden. Gerade diese Natürlichkeit und Unmittelbarkeit des sozialen Lebens war es, die den Künstlern Material bot. Man wollte das Leben mit allen Sinnen erfassen, aufnehmen und verarbeiten. Erst als der konkrete Liedentstehungsprozess begann, zog man sich ins Private zurück. Angereichert durch persönliche Elemente und umgewandelt in eine subjektive Position, wurden die aus der Umwelt destillierten Stücke dann in Liedern Eins zu Eins wiedergegeben. Dieser Prozess führte dazu, dass Eindeutigkeit und Unmittelbarkeit zu den bedeutendsten Merkmalen der Hamburger Schule gehören. Diese Auseinandersetzungen des Subjektes mit der Welt bezogen sich aber nicht nur auf Phänomene des eigenen Stadtteiles, sondern richteten sich auch auf die sprichwörtliche Welt. Sehr genau wurden überregionale Geschehnisse wahrgenommen und auf sie reagiert. Jedoch weniger die radikalpolitische Aktion, als viel mehr die Schaffung eines realpolitischen Bewusstseins war Anspruch der aufgeklärt-humanistischen Ausrichtung der Hamburger Schule. So kam es, dass auch die Beschäftigung mit der Politik beziehungsweise mit deren Effekten und Auswirkungen zu ihrem Merkmal wurde.

Über den Autor

Björn Fischer wurde 1980 in Ostsachsen geboren. Sein Studium der Germanistik, Kulturwissenschaften und Komparatistik schloss er 2007 an der Universität Leipzig mit dem Magistertitel ab. Die Musik der Hamburger Schule begleitete ihn in den 90er Jahren, aber auch über die Jahrtausendwende hinaus, immer wieder und inspirierte ihn maßgeblich selber zu musizieren. Mit seiner Band amplofied veröffentlichte er zwei Platten, die ganz deutlich die Handschrift der Hamburger Schule tragen. Heute arbeitet der Autor als Regisseur und Creative Director in der Werbefilmbranche.

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