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- Theatralität der Zauberkunst. Ein Essay zur Praxis und Theorie der Zauberkunst
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 144
Abb.: 42
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Psychologische und anthropologische Tatbestände des Menschen geben Anlass zur Annahme, dass es Zauberkunst schon immer gegeben hat. Es wird argumentiert, dass es ein Wesenszug des Menschen sei, den Zauber zu sehen, sehen zu wollen und zu bewirken. Die evolutionäre Sichtweise der Menschwerdung wird letztlich als Sprachevent interpretiert, der die kreative Zauberkunst mit ihrer Theatralität in Charakter und Kommunikationsmitteln der Effekte ermöglicht haben soll. Humor und kulturelle Eigenschaften der Zauberkunst werden auf die Schamanen der Naturvölker zurückgeführt. Dieses Essay sieht die Zaubertheatralität als menschliche Universalie. Tatbestände und wissenschaftliche Fakten aus der Kognitions- und Neuro-Linguistik, vom Säuglingsalter an bis zum Erwachsenen, bekräftigen die Sichtweise, Zauberkunst als menschlich und sozial zu belegen. Das Buch setzt sich mit Themen wie Sprache und Denken, Wahrnehmung, Kultur und Lüge, Betrug, Unterhaltung und Kunst auseinander. Höhlenmalerei, Dedi, Dionysus und Jesus Christus, aber auch moderne Zauberkünstler wie Harry Houdini, Siegfried und Roy und David Copperfield finden dabei kontextuelle Erwähnung.
Textprobe: Kapitel 4) Der Personnage-Effekt: Magier: 4. Metapher: Zauberkünstler = Schauspieler: Der Effekt, das eigentliche Ziel im Sinne von, der Zweck den jeder Zauberkünstler verfolgt ist sich zu verkaufen und damit seine Libido zu befriedigen. Kompletter Narzissmus ist aber nicht dabei so sehr anzustreben, da sich gezeigt hat, dass allzu narzisstische Größen des Unterhaltungsgewerbes früher oder später dem Untergang geweiht waren oder sind. Sprich der Zauberkünstler muss eine Personnage darstellen, die beliebt ist und die verehrbar ist aufgrund seines einmaligen Könnens. Das heißt, dass der eigentliche Effekt, der beim Zuseher im Kopf entstehen soll, die Personnage ist, die Rolle, die der Zauberkünstler über schauspielerische Leistung verkörpert. Die Schauspielkunst, die der Zauberkünstler verwendet, ist eine Täuschungskunst. Wie weit der Schauspieler seine eigene Person einbringt und ein Selbstdarsteller ist wie ein Helge Schneider oder weibliche Clown Gardi Hutter-Hanna, wie sie von Gerda Baumbach referenziert werden, ist bei den meisten Zauberkünstlern wohl auch gegeben, wobei die reine Zaubertätigkeit definitiv immer eine Täuschungskunst bleibt und ist. Um wahrhaft und belebt (oder schöpferisch) darzustellen, die magische Information im Kopf der Rezipienten zur kreieren, muss Zugang zum Unbewussten geschaffen werden, das beim Schauspieler durch eine bewusste Psychotechnik laut Stanislawski erst möglich wird. Dies ergibt sich aus der Annahme und Festlegung in diesem Text, dass im Unbewussten die Wunder begraben sind, siehe oben im Unterkapitel über das Unbewusste als Motive des Zusehers im 2. Kapitel. Aufgrund der strukturalistischen Annäherung an die Theatralität der Zauberkunst, die als universell und menschlich gesehen wird, bleibe ich bei dem minimalistischen Ansatz, oder Formel, dass A der die Person des Schauspielers, B eine Rolle verkörpert und C der Empfänger, der Rezipient als Zuschauer dass, was zwischen Schauspieler und Zuseher empfängt. Im ersten Kapitel wurde festgehalten, dass in der theatral- magischen Kommunikation ein breiter Bereich zwischen der Methode, oder dem Trick und Geheimnis, und dem Effekt im Kopf der Rezipienten steht. Simpel betrachtet ist es die Lüge, die dies ermöglicht: Das Vorenthalten von Informationen und das Hervorheben von Unwesentlichem, beziehungsweise aber Wesentlichem für die Darstellung des Effektes, wodurch die Übertreibung entsteht und auffällig wird. In der theatralen Kunst, der Darstellung von Kunststücken, ist es die Personnage, die zwischen dem Zauberkünstler und dem Zuseher steht und die es gilt überzeugend darzustellen. 4.1) Diachroner Ansatz: Um die Personnage zu beschreiben, die dem Magier innewohnt, soll geschichtlich vorgegangen werden und somit ein diachroner Ansatz erfolgen. Dazu soll ein Zitat von Robert Houdin angeführt werden, das auch auf die Etymologie von Bezeichnungen im 19. Jahrhundert für Magier beinhaltet: Prestidigitation scheint etymologisch [Presti-… schnell” -digi… Finger”] zu beinhalten, dass es notwendig erscheint geschickte Finger zu haben, um den Effekt des Kunststücks zu bewerkstelligen, was streng genommen keineswegs so ist. Ein Zauberer ist kein Jongleur er ist ein Schauspieler, der seine Rolle des Magiers spielt ein Künstler dessen Fingerfertigkeit benötigen, aber nicht schnell sein müssen. Dieses Zitat führt uns wieder zu der Semantik und dem Verständnis von Magiern im 19. Jahrhundert, das für die moderne Zauberkunstentwicklung entscheidend ist. Das Herauskristallisieren von schwarzer und weißer Magie ist hier erst klarer vollzogen worden. Der moderne Zauberkünstler hat also mehr mit einem modernen Schauspieler gemein als mit schwarzer Magie. Um Entwicklung zur Gleichsetzung von Zauberkünstler mit Schauspieler zu vollziehen helfen Nachschlagewerke der deutschen und englischen Sprache. Der Begriff ‚natürliche Zauberkunst’ ist in Grimms Wörterbuch zu finden, wo es mit der kunst der gelehrten ärzte und naturkundigen 3 in Zusammenhang gebracht wird. Dies verweist auf die Verwandtschaft zur Heilkunst und dem Theater, wie auch auf die moderne Naturwissenschaft, die sich letztlich mit der Aufklärung durchgesetzt hatte und damit den bildenden Charakter von Unterhaltungsprogrammen den Weg bereitet hatte. Jene Natur-kundigen, vielleicht frühe Naturwissenschaftler, und Ärzte müssen in gewisser Weise Wunder heraufbeschwören oder suggerieren. In diesem Zusammenhang wieder ist zu bemerken, dass den Worten Zaubern oder im Englischen conjuring , geschichtliche Inhalte dem Image des Magiers zugeschrieben werden, die auf Assoziationen und dessen Eigentümlichkeiten, wie auch die Personnage verweisen, die wohl mit der kirchlichen Übermacht, insbesondere im Mittelalter, zu tun hat: Zaubern: Zaubern ist die Kunst der Unterhaltung bei der das vorgetäuscht wird, was nicht machbar ist. Der Zauberer ist ein Schauspieler, der, um seine Kunststücke auszuführen, Psychologie und manuelle Fertigkeit, Teils mit mechanischen Apparaten bewerkstelligt. Die zwei gebräuchlichsten Bedeutungen der Kunst, Zaubern und Magie, hatten in ihrer früheren Bedeutung Assoziationen zu Teufeln, Geistern und unheiligen Kräften. (Siehe Hexerei). Olaf Benzinger hat zu Hexen und Dämonenangst festgehalten: Fakt ist jedenfalls, dass die grundlegenden Ideen allen kulturellen Veränderungen zum Trotz bis ins Mittelalter erhalten blieben – inklusive der damit verbundenen Ängste und auch Hoffnungen der Menschen. Denn Ängste hatte die ausgemergelte Bevölkerung zu Beginn des zweiten Jahrtausends mehr als genug und Hoffnung dringend nötig. Unter der gewaltigen Dominanz der christlichen Kirche, die mit einem kraftvollen Machtapparat versuchte, alles freie und unabhängige Denken zu unterdrücken, führte vor allem ein Faktor in der breiten Bevölkerung zu einem Weltbild, das von Aberglaube und Furcht vor schwarzer Magie wesentlich geprägt war: die dogmatische Polarisierung der Welt in gut – sprich: dem christlichen Wertesystem konform – und böse – sprich: die Sünde . Dass aber Zauberkünstler spätestens seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert fortan, und mit dem Etablieren der Naturwissenschaften, keine Hexer und unheilige Hellseher oder sündige Teufel sind, soll mit ihrer Kunst des Lügens oder dem Darstellen der Personnage klar sein. Um die Kunststücke zu bewirken bedarf es gewisser Methoden der Ablenkung oder Misdirection.
Christian Gruber, Jahrgang 1969, ist Austro-Amerikaner von Geburt und lebt in Wien. An der Universität Wien studierte er Theater- Film- und Medienwissenschaften sowie Englisch. Als Zauberkünstler hat er über 1000 Zaubervorführungen nachweislich erbracht, wurde mit insgesamt fünf Ehrenurkunden ausgezeichnet und war von 1996 bis 2011 aktives Mitglied einer der ältesten Magischen Vereinigungen der Welt. Nach Anstellungen als Editor an der TU Wien und als Coach in AMS Projekten betreibt der Autor derzeit als Sprachtrainer die Sprachschule CSE-Languagecoaching in Wien und ist zudem als freier Autor und Künstler tätig.
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