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- The Last Samurai - Japanische Geschichtsdarstellung im populären Kinofilm
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 220
Abb.: 58
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Hollywood hat die Geschichte für sich entdeckt. Nach einer Ära der Sandalen- und Piratenfilme in den 60er und 70er Jahren, welche zum Teil ungewollt komisch wirken, präsentiert die Traumfabrik seit dem Erfolg von Ridley Scotts Gladiator im Jahr 2000 in regelmäßigen Abständen Filme, welche historische Stoffe verarbeiten. So entstand mittlerweile für dieses Phänomen der Begriff von Historywood. Im Gegensatz zu den Sandalen- und Piratenfilmen wirken diese auf den Betrachter als authentische Geschichtsdarstellungen. Um das zu erreichen betreibt Hollywood einen großen Aufwand: Mittels modernster Technik werden alte Kulturen (Rom, Japan etc.) wieder zum Leben erweckt, Historiker wirken hinter der Kamera als Berater und selbst die Drehbuchautoren erforschen historische Fakten. Und trotz dieses Aufwands erfolgt bei nahezu jedem Film ein Aufschrei der Wissenschaft, im Film würden Fakten nicht authentisch verarbeitet und gar verfälscht. Dabei wird übersehen, dass es sich beim populären Unterhaltungskino um eine Kunstform handelt, welche eigenen Regeln unterworfen ist. Drehbuch und Film folgen einem Muster, um die zu erzählende Geschichte für das Publikum spannend zu präsentieren. So muss an dieser Stelle gefragt werden, ob der Film als Transportmedium für geschichtliche Inhalte geeignet ist, und ob man den Wert des Filmes als Transportmedium nur an seiner authentischen Faktenwiedergabe festmachen kann, bzw. darf. Um sich diesem Thema zu nähern, gilt es einen Brückenschlag zwischen den Disziplinen der Geschichtswissenschaften und denen der Medienwissenschaften herzustellen. Jede für sich betrachtet kann der Komplexität dieser Problematik nicht gerecht werden.
Kapitel 4.3.2.3 Empfang beim Kaiser 2000 Jahre lang hat kein gewöhnlicher Untertan den Kaiser auch nur gesehen. Dies ist ein absolutes Privileg, eine Ehre. Mit diesen Worten Grahams ersteigen Algren und Bagley die Stufen des kaiserlichen Palastes und begeben sich zur Audienz mit dem Kaiser. Der Film unterstreicht damit die Ausnahmestellung, welche die amerikanischen Militärberater anscheinend geniesen. Diese Aussage Grahams ist falsch. Sicherlich, der Zugang zum Palast war und ist streng limitiert. Nur ausgesuchte Personen, vornehmlich der Politik, bekommen eine Audienz zugestanden. Holt man sich nun ins Gedächtnis, dass bis 1868 der tenno in Kyoto residierte, die eigentliche Politik jedoch vom bakufu in Edo gestaltet wurde, gab es zudem kaum Bedarf einer Audienz beim Kaiser. Doch ist anzunehmen, dass der Kaiser nicht die ganzen Jahrhunderte innerhalb seines Palastes verbrachte. Er wird diesen schon mal verlassen haben. Dann war es zumindest den Einwohnern Kyoto’s möglich, einen Blick auf den Kaiser zu erhaschen. Und die Einwohner Kyoto’s gehörten nicht alle dem kuge (Hofadel) am. Unter ihnen war eine große Anzahl gewöhnliche Untertanen . 1868 zog der Kaiser sogar mitsamt seinem Hof von Kyoto nach Edo um. Sehr unglaubwürdig, dass ihn bei diesem Ereignis kein Untertan zu sehen bekam. Am 23. März 1868 gewährte der Kaiser dem französischen Minister Roches und dem holländischen Botschafter 391 Dirk de Graeff van Polsbroek eine Audienz. Sie bekamen den Kaiser jedoch nur schemenhaft zu sehen, da dieser hinter einem Sichtschutz saß. Das sich ihnen präsentierte Bild entspricht grob dem im Film dargestellten. Vor dem Sichtschutz standen niederrangigere Offizielle, doch, im Gegensatz zum Film, befanden sich zusammen mit dem Kaiser hinter dem Sichtschutz sein Berater und sein Erster Minister. Das Wort jedoch führte der Kaiser. Die ersten Europäer, welche den Kaiser tatsächlich sahen waren wohl der britische Minister Sir Harry Parkes und sein Übersetzer A.B. Mitford. Diese trafen den Kaiser am 14. April 1868 in dessen Palast. Statt hinter einem Sichtschutz, saß der Kaiser diesmal unter einem Baldachin – dies entspricht der Situation im Film. Desweiteren muss die Frage gestellt werden, warum der Kaiser Mutsuhito im Jahre 1876 einen amerikanischen Captain empfangen sollte. Worin liegt hier die Notwendigkeit? Seit 1868 befanden sich viele ausländische Experten im Land. Diese hat er anscheinend ja nicht empfangen, folgt man der Logik des Filmes, obwohl diese die reale Aufbauleistung erbrachten. Und dann einen Captain, einen mittleren Dienstgrad. Verständlich wäre es noch, wenn es sich bei den Filmcharakteren um höhere Offiziere im Generalsrang gehandelt hätte, das ist jedoch nicht der Fall. Diese Szene dient also einzig der Hervorhebung der Besonderheit und Wichtigkeit von Captain Algren ohne historische Richtigkeit.
Daniel Scherrer, Diplom-Staatswissenschaftler, Studium der Staats- und Sozialwissenschaften an der Universität der Bundeswehr in München mit Schwerpunkt in Geschichte und derer medialer Vermittlung. Derzeit tätig als Offizier im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BmVg).
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