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  • Textil und Kleidung als Materialien in der Kunst: Kulturhistorischer Überblick und Ideen für den Textil- und Kunstunterricht

Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Abb.: 44
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Anfang des 20. Jahrhunderts begann in der Kunst eine immer größer und stärker werdende Annäherung an das Leben, in der auch neue, unbekannte Materialien ihre Berechtigung fanden. Edgar Degas legte den Grundstein dafür, dass im Laufe des Jahrhunderts viele Künstler von den klassischen Werkstoffen wie Bronze, Stein, Marmor oder Holz zurücktraten und sich bisher ungewöhnlicher textiler Materialien bedienten. Die Einführung dieser Materialien verlangte vom Künstler und Betrachter eine neue Einstellung zum Kunstwerk. Es wurde vergänglich und stand so dem Leben näher. Dieses Buch gibt einen kulturhistorischen Überblick des 20. Jahrhunderts, bei dem diejenigen Stile und Künstler vorgestellt werden, die Textilien oder Kleidung in ihrer Arbeit verwendeten. Dazu zählen beispielsweise aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts Claes Oldenburg, Künstler der Wiener Werkstätten, die Futuristen, die russischen Konstruktivisten, Sonia Delaunay, die Dadisten und Surrealisten. Die Betrachtung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nimmt Arbeiten von Andy Warhol, Yoko Ono, Joseph Beuys, Franz Erhard Walter und Rosemarie Trockel genauer in den Blickpunkt. Der didaktische zweite Hauptteil dieses Buches behandelt die aktuelle Situation im Kunst- und Textilunterricht eher kritisch und versucht an neuen Impulsen und Ideen für den Unterricht in Kunst und Textil anzuknüpfen. Denn unzeitgemäße Unterrichtskonzepte, die auf die schlichte Vermittlung von Handarbeitstechniken abzielen, sind nicht mehr tragbar. Textiles ist und kann viel mehr sein.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.13, Stoffobjekte in der Prozesskunst von Franz Erhard Walther: Der deutsche Künstler Franz Erhard Walter gilt als Hauptvertreter der Prozesskunst, bei der nicht das Endprodukt als solches, sondern der Entstehungsprozess, die Entwicklung und die Benutzbarkeit des Kunstwerks von Bedeutung ist. In den Jahren 1963 bis 1969 schuf er seinen ‘Ersten Werksatz’, der 58 Stoffobjekte enthielt (Abb. 31). Diese Objekte bestanden aus Baumwollstoff und waren in den unterschiedlichsten Formen und Verbindungen mit Materialien wie Stroh oder Holz gefertigt. Die Objekte boten dem Betrachter ein neues Angebot zur Wahrnehmung, indem er sie in unterschiedlichster Weise verwenden sollte. Man war aufgefordert, sich in sie hineinzulegen, hindurchzukriechen, sich damit zu bedecken oder andere alltägliche Handlungen damit zu vollziehen. Auch ihre Wahrnehmung alleine, zu zweit oder in der Gruppe sollte erprobt werden. Der Benutzer war eingeladen, sich selbst und andere spielerisch zu erfahren. Walther stellte seine Objekte dem Publikum zur Verfügung und nahm damit nicht auf politische Themen Einfluss, sondern auf das individuelle oder kollektive Handeln und der Erweiterung des Erfahrungshorizontes. Der Künstler verwendete die weichen Materialien ohne feste stabile Form, weil man durch sie eine Flexibilität, Offenheit, Anpassungsfähigkeit und Austauschfähigkeit erzielt, die feste Materialien nicht bieten können. In den folgenden Jahren entstanden weitere Werke aus weichen Materialien, die eine körperliche Handlung des Betrachters implizieren. Dazu gehören auch die von 1978 bis 1986/87 entstandenen Wandformationen aus Baumwollstoff mit integrierter Holzkonstruktion. 3.14, Rosemarie Trockel und die Gender-Debatte: Die deutsche Künstlerin Rosemarie Trockel, deren Werk aus unzähligen Zeichnungen, Skulpturen, Objekten, Installationen und Videoarbeiten besteht, wurde 1952 in Schwerte geboren. Der Literatur zufolge sind ihre Arbeiten keiner spezifischen Kunstgattung zuzuordnen. Seit den späten 70er Jahren ist das Geschlechterverhältnis zwischen Mann und Frau mit seinen Gemeinsamkeiten und Überschneidungen Thema ihrer Werke. Auch Ironie und Parodie, sowie die Stellung der Frau in der Kunst und im Alltag sind Themen, derer sich Trockel bis Heute bedient. Bekannt wurde sie Mitte der 80er Jahre hauptsächlich durch ihre Wollarbeiten. Damit beabsichtigte sie, das Geschlechterbild zu hinterfragen, das mit dem als ‘minderwertig’ und historisch der Weiblichkeit behafteten Material Wolle in Zusammenhang stand. Kunsthistorisch inspirierte sie die Kleiderherstellung der Frauen im russischen Konstruktivismus, bei der sich das kreative Schaffen ausschließlich auf das Gebiet der Textilverarbeitung beschränkte. Als Herstellungstechnik wählte sie das Stricken, das auch als typisch weibliche Technik gesehen wird, und in der Kunst keinen hohen Stellenwert eingenommen hatte. Selbst greift Trockel jedoch nicht zur Stricknadeln, sondern überlässt nach dem Entwurf am Computer einer computergesteuerten Strickmaschine die Herstellung. Die Verarbeitung fiel somit der als ‘männlich’ konnotierten Maschine zu. Trockel beabsichtigte damit ganz bewusst die Hinterfragung der gedanklichen Verknüpfung und den Klischees der ‘fleißigen, strickenden Hausfrau’ und gab dem maschinell entstandenen Objekt nun eine neue Bedeutung. Außerdem benutzte sie gedanklich besetzte Symbole wie den Playboyhasen, Hammer und Sichel oder das Wollsiegel, die sie ständig wiederholt einsetzte. ‘Wie in den Kleidern und Strickbildern geht es hier einerseits um die Entwertung vermeintlich sinnentleerter Symbole, andererseits aber um den Versuch einer Sinngebung auf diesem Weg. Im Zentrum stehen dabei die Signifikanten des Weiblichen, kulturell minderwertiger Materialien und Fertigkeiten wie Wolle und Stricken. Die Serie hat für mich die Aussage – wiederum eine Aussage von vielen möglichen – daß in unserer heutigen schnelllebigen Zeit jede Wichtigkeit im Prinzip immer nur in ein Muster passt.’ Ein bekanntes Strickobjekt, bei dem Trockel mit dem Geschlechterverhältnis von Mann und Frau spielte, heißt ‘Untitled’ (1987, Abb. 13). Die Arbeit stellt eine gestrickte Strumpfhose dar, bei der in das linke Bein Minuszeichen und in das rechte Bein Pluszeichen eingestrickt wurden. Dabei stellt das Plus die Männlichkeit und das Minus die Weiblichkeit dar. Nach Cora von Pape entsteht so ein ‘Zusammenspiel von Material und Muster’, bei dem sich die ‘weiblich konnotierte Wolle und die männlich-rationale Symbolik aus dem Bereich der Mathematik’ gegenüberstehen. Präsentiert wird die Strumpfhose in zwei unterschiedlichen Versionen: Einmal auf einem männlichen Unterkörpermodell stehend und einmal in einem Modell eines weiblichen Unterkörpers, das im Schneidersitz sitzt. In dieser Arbeit weist Trockel auf die seit jeher manifestierte und klischeehafte Aufteilung in Bezug der Geschlechter hin. Der Mann, dem in der stehenden Arbeit das Standbein zugewiesen wurde, trägt sozusagen das Gewicht und wird als aktiv festgelegt. Demgegenüber steht der Frau die minderwertigere passivere Rolle zu, da in der Arbeit bei dem Schneidersitz das Plus-Bein auf dem Minus-Bein aufliegt. Mit Doppeldeutigkeit, Ironie und Humor macht sie den Betrachter in künstlerischer Weise auf die überlieferten Geschlechterrollen und die Machtstellung des Mannes in der Gesellschaft aufmerksam und versucht sie gleichzeitig zu hinterfragen.

Über den Autor

Christiane Braun wurde 1987 im badischen Schmieheim geboren. Ihr Studium Lehramt an Realschulen schloss sie 2011 erfolgreich ab. Sie studierte dort die Fächer Kunst, Haushalt und Textil sowie Mathematik. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in den Fächern Kunst und Textil. Heute unterrichtet sie diese Fächer an einer Realschule und ist weiterhin künstlerisch tätig.

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