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Kunst & Kultur

Vicky Kämpfe

Tango als Ausdruck der Melancholie in der modernen Gesellschaft

Einblicke und Ausblicke aus melancholischen Welten

ISBN: 978-3-8366-6038-9

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Moderne Gesellschaft in Europa tanzte, sofern sie der Anziehungskraft des Tangos erlegen war, einen melancholischen Tango. Diese Ausgangsthese fasst den in Europa getanzten Tango als Ausdruck eines melancholischen Gestimmtseins in Europa auf. Der Tango besaß in Europa in den 10er und 20er Jahren sowie in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eine besonders hohe Beliebtheit. Für diese Jahre sind gesellschaftliche Stimmungen zu beobachten, die sich mit der Rezeption des Tangos in Verbindung bringen lassen. Melancholie stellte, so die Annahme der Autorin, das Bindeglied zwischen europäischer Moderner Gesellschaft und dem Tango dar. In den Beschreibungen der Melancholie, des Tangos und der europäischen Modernen Gesellschaft werden sich Ähnlichkeiten zeigen. Es handelt sich um jene Parallelen, die in ihrer Analyse zu Erkenntnissen über die Gesellschaft und deren Gestimmtsein führen. Die vorliegende Arbeit ist der Versuch, diese Parallelen des Tangos und der Modernen Gesellschaft zweier zeitlich begrenzter Epochen der europäischen Tangorezeption zu erfassen und zu beschreiben. Die Melancholie als ein körperlicher, geistiger und seelischer Zustand sei Leitfaden der Arbeit, Auswahlkriterium für behandelte Themenkomplexe, Kritik der Moderne und zugleich Teil einer Antwort für die Suche nach einem möglichen Umgang mit ihr. Die Melancholie, in ihrer Eigenschaft des Wahrnehmens der Welt in einer anderen Weise als die alltägliche, wird den Blick auf das Gestimmtsein der beiden Lebenswelten Tango und Moderne Gesellschaft öffnen. Es werden die melancholischen Elemente beider Lebenswelten dargestellt, und in ihnen jene Momente gesucht, in denen sich Elemente beider Lebenswelten kreuzten. Die Kreuzungspunkte werden Aspekten des Melancholischen zugeordnet werden können. Sie werden zu einem Teil faktisch belegt, zum anderen Teil auf metaphorischer Ebene veranschaulicht. Es geht in dieser Analyse um die Melancholie verschiedener Welten: Die Welt des Tangos und die Welt der europäischen Modernen Gesellschaft. Durch den Tangotanz ist es möglich, die Welt der ihn tanzenden Gesellschaft, zumindest in Teilaspekten, zu erfassen, indem die Ordnungsprinzipien sowie die Realitätswahrnehmung der in der jeweiligen Welt Lebenden aufgezeigt werden. Diese Analyse kann sowohl für die Welt des Tangos als auch für die Welt der Modernen Gesellschaft vorgenommen werden. Als beiden Welten zugrunde liegendes Ordnungsprinzip und zugleich als Wahrnehmungsperspektive ihrer Wirklichkeiten wird in den folgenden Ausführungen die Melancholie herausgearbeitet werden. Nachdem in den Kapiteln der vorliegenden Arbeit eine Analyse über die Funktion und Bedeutung des Tangos in Hinblick auf seine Rezeption durchgeführt und diese schlussfolgernd der durch die Melancholie gestellte pathologischen Kategorie zugeordnet wurde, führt die Suche nach einem Umgang mit der zu Grunde liegenden Melancholie in einem abschließenden Teil zu jenem Lichtblick, den der Tangotanz innerhalb einer gelebten Tangowelt als ästhetische Äußerungsform bietet. Ihn gilt es anzudeuten und in seinen Grundzügen nachzuzeichnen.

Leseprobe

Kapitel III.2, Momentaufnahme des pathologischen Symptoms: Das Tangofieber in Europa besitzt eine symptomatische Bedeutung, indem es Ausdruck für die Melancholie der Moderne ist. Sowohl die pathologischen als auch die ästhetischen Kategorien, die die Melancholieentwicklung vorgibt, sind darin zu erkennen und werden im Folgenden in Form von Schlussfolgerungen aus den vorangegangenen Beschreibungen und Analysen dargestellt. Der Mensch der Moderne hegte Sehnsüchte nach Dingen, die vom gesellschaftlichen Diskurs ausgeschlossen waren. Diese Leerstelle füllte sich zumeist unbemerkt mit einer melancholischen Stimmung. Der Moderne Mensch sehnte sich währenddessen nach Dingen und Zuständen außerhalb der vernünftigen Ordnung. Das waren beispielsweise erotische Impulse, eine befreite und neu definierte Weiblichkeit und demzufolge auch eine solche Männlichkeit, Sinnlichkeit, aber auch menschliche Beziehungen im Sinne von Kommunikation und Vertrauen. Es sind Elemente, die der Tango bieten kann. Im adaptierten Tango de Salon in Europa waren Sinnlichkeit und die erotische Komponente kontrolliert und suggestiv: Er zeigte keine instinktive Sinnlichkeit, keine herben Posen, gar unschöne Aggressionen gegen Manieren höherer Klassen. Er zeichnet sich durch die Empfindsamkeit für Musik und Tanzpartner aus. Er ermöglichte das Spiel der Rollen zwischen der femme fatal, dem Sinnlichen sowie dem Eroberer in seinen festen Rollenverteilungen des Führens und Geführtwerdens innerhalb gesetzter Regeln. Das Spiel der Geschlechter in den Rollen der starken Frau und des Mannes als llorón gaben neue Impulse. Eine sinnliche und freie Kommunikation konnte im engen Körperkontakt des Tanzens stattfinden. In seiner gepflegten Exklusivität war der Tango außerdem ein Klassenzugehörigkeitsspiel, wie es bereits in seiner Herkunft angelegt war. Der Tango präsentierte sich als ein nettes Spiel für die gelangweilte Bourgeoisie Europas (erste Rezeptionswelle) und als ein Fluchtraum für den einsamen, vom Postmodernen überforderten Individualisten (zweite Rezeptionswelle). Tango entwickelte sich zum exotischen Hybriden. Die Verfremdung wird in seiner Reduzierung auf den erotisch-sinnlichen Aspekt bzw. in der ihm aufgezwungenen Reglementierung der Figuren und Stile deutlich. Tango in Europa kann in Anwendung der im ersten Kapitel beschriebenen Melancholieauffassung unter zwei Gesichtspunkten betrachtet werden. Auf einer Seite steht das pathologische Konzept der ständigen Wiederholung des immergleichen Stils und der immergleichen Atmosphäre. Es zeigte sich darin, dass die Tanzenden sich in geschlossenen Milongakreisen bewegten. Sie fungierten als Zufluchtsorte voller Sehnsucht und Trost, um die eigene Leere und Sehnsucht nach Leben und Geist nicht allein ertragen zu müssen. Die Kritik an der Moderne kann ausgehend von dieser Situation eingeflochten werden. Der/die Einzelne fand sich mit rationalen Verhaltensregeln sowie mit dem Ausschluss von Spiritualität und tatsächlicher Individualität ab. Er wurde sich dessen aufgrund des falschen Bewusstseins über sein/ihr Befinden nicht mehr bewusst. Die Tangofaszination diente dem Überleben in der Moderne und stabilisierte das Moderne Ordnungssystem in ihrem rationalen Schema, da der Einzelne weder unzufrieden (oppositionelles Potential) noch melancholisch (unproduktiv) wurde. Er blieb als sehnsüchtig tanzend unaktiv gegenüber der gesellschaftlichen Lage, denn er glaubte sich zufrieden und vor allem sich von den anderen abhebend, die außerhalb der Tangogemeinschaft lebten. Der Tango wurde erlebt und gelebt in seiner Interpretation als melancholisch und sinnlich, reduziert auf das Zwischenmenschliche libidinöser Beziehungen. Unter der pathologischen Kategorie betrachtet, handelte es sich um ein Zurückweisen der ursprünglichen Werte des Tangos durch die Tanzenden, indem sie den Tanz in ihre eigene Lebenswelt aufnahmen, im Verlauf der Geschichte weitere Tangoentwicklungen zurückwiesen und sich auf den Tango de Salon als den authentischen Tango festlegten. Das Melancholische kehrt als eine Versinnbildlichung der unbewussten Zurückweisung eigener zu kritisierender Gesellschaftsbeschreibungen zurück, die im Tango gelebt werden. Auf der anderen Seite steht das kreative und konfliktive Potential des Tangos. In der Auseinandersetzung mit seinen Gegensätzen und Ursprüngen, mit seinen Formen, Stilen und Entstehungsfacetten, mit seinen vielfältigsten Inhalten der Empfindungen, Weltauffassungen und -beschreibungen, historischen Erfahrungen sowie Liebe, Freundschaft, Gesellschaftskritik, Philosophie und Rebellion, zwingt der Tango zum Nachdenken. Er führt zur Reflexion über das eigene Ich, über die Gesellschaft und die Welt. Das zwingt zur Akzeptanz verschiedener Facetten und Ausprägungen, zu Konflikten und deren Lösungen, zu Entwicklung und Veränderung. So wie es Tango schon immer war, jedoch in Europa seit seiner ersten Rezeption negiert wurde. Dieses Potential des Tangos kann der ästhetischen Kategorie der Melancholie zugeordnet werden und bildet somit die ästhetische Kategorie des Tangos. Die Tanzenden nutzen sein Potential als Lebensperspektive. Sie setzten neue Werte aus gestellten Sinnfragen und Anforderungen, die aus der Reflexion über eigenen Befindlichkeiten erwuchsen, in neuen (Lebens)Formen um. Auf diese Kategorie wird im abschließenden Kapitel eingegangen werden.

Über den Autor

Vicky Kämpfe, Kulturwissenschaftlerin M.A. Studium der Angewandten Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg. Tätigkeiten u.a. bei der Deutschen UNESCO-Kommission sowie in der Kulturbehörde der Stadt Cordoba/Argentinien. Derzeit freiberuflich im Kulturmanagement tätig, insbesondere Mitwirkung bei proyec.tango: TanzTheater in der Ästhetik des zeitgenössischen Tangos unter künstlerischer Leitung des argentinischen Schauspielers und Tänzers Roberto Barcena. Weitere Publikationen: Tango der Metropolen. Bedeutungsveränderungen des Tango auf seinem Weg von Buenos Aires in die europäischen Metropolenkulturen (Diplomica Verlag 2007).

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