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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Abb.: 28
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Welche Faktoren tragen dazu bei, dass Clubs als interaktionsfördernde Institutionen zur Konstituierung musikzentrierter Milieus fungieren? Welche Dimensionen rituellen Handelns manifestieren sich während einer Eventsituation? Welche Rolle nimmt dabei der DJ ein, welche Bedeutung kommt dem Tanz zu und wie sind die handlungsbestimmenden Wirkungszusammenhänge? Anhand der theoriegeleiteten Befragung von Angehörigen der Technoszene in Deutschland demonstriert diese empirische Studie, wie Interaktionsrituale Verhaltensmuster in musikzentrierten Milieus konstituieren. Durch die Integration struktursoziologischer und kulturtheoretischer Überlegungen wird ein Beitrag geleistet, wie Clubs und Diskotheken als Organisationsmodelle moderner Erlebniswelten im sozialwissenschaftlichen Kontext verstanden werden können.
Textprobe: Kapitel 4. Operationalisierung: Die Operationalisierung folgt einem Muster, in dem ich mir die Frage gestellt habe, wie die Arbeitsbegriffe Collins szenegerecht übersetzt werden können. Dabei erscheint es mir zielführend diese über verschiedene, thematisch abgegrenzte, Einstellungsfragen retrospektiv zu erarbeiten. Ich folge somit Collins Vorschlag (2004: 133f.) Emotionale Energie über self reports zu messen. Begleitet durch vermittelnde Überlegungen soll die Legitimation der einzelnen Konstrukte verdeutlicht werden. Einige Variablen in den Konstrukten Szenekapital und Szenepartizipation wurden von Otte’s Befragung zur Club- und Discoszene in Leipzig (2004) übernommen und teilweise modifiziert. Die Variablen zu Persönlichkeitsattributen entstammen vom Ten-Item Personality Inventory aus dem Pretest für das Sozioökonomische Panel im Jahre 2005. Alle anderen quantitativen und qualitativen Variablen im Fragebogen wurden selbst entwickelt. […]. 4.1.1. Szenekapital: Das Konstrukt Szenekapital lehnt an die Kapitaltheorie Bourdieus an (1982/1983). Angewandt auf einen musikzentrierten Kontext argumentieren Thornton (1996) und Fiske (1997), dass Jugendliche über spezielle Formen von inkorporierten und objektivierten szenespezifischen Kulturkapital verfügen, welches in hochkulturellen Kontexten keine Anerkennung findet (Otte 2009: 247). Diese Formen von Kapital lassen sich in kulturelles und körperliches Szenekapital differenzieren. Kulturelles Szenekapital lässt sich durch Szenewissen, d.h. Auseinandersetzung mit kulturellen Produkten (Tonträger, Musikmedien) und Szeneaktivitäten (z.B. Mitarbeit in Clubs) akkumulieren. Methodisch orientiert sich die Operationalisierung der Items zu kulturellem Szenekapital stark an Otte’s Studie Befragung zur Club- und Discoszene in Leipzig (2004). Hierzu wurden aus seinen Fragen Nr. 8, 9 und 10 Indikatoren gewählt und umformuliert, um dem Kontext dieser Untersuchung besser gerecht zu werden. Insgesamt wurden in meinem Fragebogen sieben dichotomisierte Items angeboten, welche akzeptable Trenn-schärfekoeffizienten zwischen 0,42 und 0,73 aufweisen. Hitzler/Pfadenhauer (1998) und Klein (1999) bemerken ein ausgeprägtes Körperbewusstsein unter den Anhängern der Technoszene, welches beim Tanz besonders inszeniert wird. Demnach forcieren kulturelle Praktiken der Körperpflege und des Körpereinsatzes dessen Stilisierung und symbolische Akzentuierung. Diese Überlegung baut auf Bourdieu auf, dem zufolge sich der Geschmack der Menschen an den Körpern materialisiert, in dem Geschmack einverleibt wird und fortan die Bedürfnisse nach Kultur prägt (Klein 1999: 248). Otte (2004) betont anhand der Ergebnisse seiner Mannheimer Bevölkerungsumfrage 1999 , dass rund jeder zweite Diskothekenbesucher Single ist, wo-raus er schließt, dass viele dieser Personen grundsätzlich offen für eine Beziehung seien. Diese Überlegung erscheint plausibel unter Berücksichtigung des Aspekts, dass das Ritual des Tanzes für die Kontaktanbahnung besonders geeignet sei (Osthoff 2004: 81ff.). Akkumuliertes Körperkapital wird durch Addition dreier dichotomisierter und Likert-skalierter Variablen erfasst, die nach Formen regelmäßiger Körperpflege (Besuch von Solarien, sportliche Betätigung) und Tragen von Körperschmuck (Tätowierungen und Piercings) fragen. Aus den Variablen zu Kultur- und Körperkapital werden für die weitere Analyse additive Indizes gebildet. Dabei verweist ein Wert nahe Null (Eins) auf ein jeweiliges Minimum (Maximum) an spezifischem Szenekapital. 4.1.2. Szenepartizipation: Szenepartizipation wird anhand mehrerer, primär quantitativer Variablen erfasst. Die grundlegende Überlegung dieses Konstrukts lautet, dass Personen umso stärker in die Szene eingebunden sind, je häufiger sie an ihr durch den Besuch von Veranstaltungen partizipieren. Die Variable Ausgehfrequenz ermittelt die allgemeine jährliche Besuchshäufigkeit von Technoevents. Um Erinnerungseffekte zu minimieren wurden die Antwortkategorien in besuchte Veranstaltungen pro Monat ausformuliert, damit den Probanden die Erinnerung erleichtert wird. Daher erstreckt sich das Intervall zwischen den Polen nie (0 Events) und mindestens einmal im Monat (entspricht mindestens zwölf Events im Jahr). Die für diese Variable zugrundeliegende Überlegung lautet, dass Menschen umso stärker im Zentrum der Szene eingebunden sind, je häufiger sie an Events teilnehmen. Diese Überlegung unterstützend ermittelt die Variable Reisebereitschaft wie weit eine Person reisen würde, um an einem besonderen Technoevent teilzunehmen. Ich gehe davon aus, dass eine Person bereit ist umso höhere Reisekosten zu tragen, je verwurzelter sie mit der Szene ist. Die Korrelation zwischen den Variablen Ausgehfrequenz (N=323) und Reisebereitschaft (N=329) weist mit 0,21 einen positiven und somit kausalitätsunterstützenden Zusammenhang auf. Bei den Variablen Geplante Events und Geplante Clubs handelt es sich um Listen mit jeweils zehn europäischen Techno Open-Airs bzw. zehn europäischen Clubs, welche über internationale Szenereputation verfügen. Die Probanden werden danach gefragt, welchen der genannten Clubs sie beabsichtigen zu besuchen. Die Variable Ausgehmotivation gruppiert fünf verschiedene qualitative Aussagen, mit welchen beiden sozialen Motiven der Besuch einer Technoveranstaltung am ehesten korrespondiert. Dabei werden vergemeinschaftende Kategorien angeboten ( Möglichst viele Freunde und Bekannte treffen , Neue Leute kennenzulernen ) wie auch das Motiv Einen Partner zu finden . 4.1.3. Grad der Teilhabe an kollektiver Efferveszenz: Sind die rituellen Bedingungen gegeben entstehen aus dem gemeinsamen Fokus der Interaktion und der daraus entstehenden geteilten Stimmung sich verstärkende Feedback Loops. Daraus folgt kollektive Efferveszenz, wovon letztendlich die Intensität der rituellen Wirkungen eines erfolgreichen Interaktionsrituals abhängt. Das Konstrukt Grad der Teilhabe an kollektiver Efferveszenz steht im Zentrum des Modells und inkludiert verschiedene Variablen, welche die Intensität der Teilhabe an gemeinsamer Mitnahme erfassen. Kollektive Efferveszenz kann sich im Club auf unter-schiedliche Art und Weise bilden, beispielsweise durch verbale Interaktion während eines (musik-)philosophischen Gesprächs oder durch die Verwendung ritueller Mimik und Gestik während eines Flirts. Die dargebotene Musik an sich stellt jedoch den übergeordneten Fokus eines Clubbesuchs dar. Aus Sicht der Veranstalter einer Party soll die Musik der zentrale Fokus der Party darstellen, weshalb sie durch besonders leistungsstarke Beschallungsanlagen so verstärkt wird, dass die Musik auch physisch spürbar wird. Zudem stellt der Dancefloor das Herz eines jeden Clubs dar, der den Menschen den notwendigen Raum anbietet, so dass sie sich in vollem Umfang auf die Musik einlassen können. Dadurch dass sich viele Menschen der Musik hingeben und auf sie durch Formen des Tanzes reagieren vermute ich, dass die Tanzaktivität im Rahmen eines Technoevents eine adäquate Form darstellt, mit der es möglich wird kollektive Efferveszenz zu erfahren. Die Verweildauer auf einer Veranstaltung wird durch zwei Variablen erfasst: Quantitative Verweildauer erhebt den Zeitraum, wie lange eine Person durchschnittlich auf einer Party verbringt. Zusätzlich ermittelt eine qualitative Variable von welchen Aspekten die individuelle Verweildauer in erster Linie abhängt. Dabei werden vier verschiedene Facetten unterschieden, welche mit rituellen Wirkungen verknüpft sind. Somit kann die zentrale Tendenz erfasst werden, welcher Aspekt einer Party für die Verweildauer einer Person tendenziell entscheidend ist – Ist es der vergemeinschaftende Aspekt (Gruppen-solidarität) oder steht das Erleben des Lieblings DJs (Heiliges Objekt) im Vordergrund? Die Items der Variable Qualitative Verweildauer sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Der Dipl. Soz. Wiss. Sebastian Redenz (*1981) schloss sein Studium der Sozialwissenschaften in Mannheim im Jahre 2010 ab und ist heute als Medien- und Kommunikationsexperte in London tätig. Zuvor war der Autor mehrere Jahre bei Cocoon tätig, einem international agierenden Musik- und Veranstaltungsbetrieb in Frankfurt am Main. Die Faszination an elektronischer Musik im Allgemeinen sowie den damit verknüpften Ritualen im Speziellen motivierte ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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