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- Sprache, Erkenntnis und Ethik bei Wittgenstein und Nagarjuna. Eine Untersuchung in komparativer Sprachphilosophie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Sowohl im Buddhismus als auch bei großen westlichen Denkern wird eine introspektive, subjektive Erfahrungsebene jenseits der Sprache beschrieben, die als Quelle und Inspiration für nicht-duales ethisches Verhalten dienen kann. Sowohl Nagarjuna als auch Wittgenstein – als Vertreter großer Philosophietraditionen – weisen darauf hin, dass Sprache auf die Erfahrungsebene ihres eigenen Ursprungs hinweist, diese Ebene aber nicht erschöpfend darstellen kann. Die sprachlich-kulturelle Prägung jedes Menschen beeinflusst auch die nachträgliche Versprachlichung seiner meditativen Erfahrung. Im Bewusstsein sprachlicher Grenzen und Anerkennung eines meta-sprachlichen Erfahrungsraumes können Probleme auf neue Weise gelöst werden – mit weitreichenden Konsequenzen. Dieses Buch will mit einem neuen Ansatz interkulturellen Philosophierens dazu beitragen, globale Probleme tiefgründig und kulturübergreifend zu lösen, indem die vielfältigen Sprachen nicht als Hindernis, sondern als Chance und konstitutives Element der Wirklichkeit aufgezeigt werden. Multiple Perspektiven, Paradigmata und Philosophietraditionen ergänzen sich in einem reziproken Verständnisprozess und finden eine Synthese, in der Unterschiedlichkeit nicht aufgelöst werden muss, sondern in der Stille transzendiert und pragmatisch gelöst werden kann.
Textprobe: Kapitel 3.4, Grenzen der Sprache und Erkenntnis des Unsagbaren: Nach Wittgenstein kann sicheres Wissen nie durch die Sprache allein erlangt werden, da man nicht einerseits aus der Sprache heraustreten und andererseits diese Wirklichkeit sprachlich vermitteln kann. Eine Konsequenz daraus ist, dass nicht mehr alles erklärbar ist denn: Gesprochenes kann man nur durch Sprache erklären, darum kann man die Sprache (in diesem Sinne) nicht erklären. (The Big Typescript (BT) Nr. 1.2,16) Die Sprache ist das Hinzunehmende, das selbst nicht erklärt werden kann, Sprache wird zu einem eigenständigen System, das als Ganzes an die Welt herantritt […], der Gedanke einer durch die (Tatsachen der) Welt bestimmten Bedeutung unserer Sprache [wird] aufgegeben . Die Unmöglichkeit außerhalb der sprachlichen Grenzen über die Welt zu sprechen, heißt nicht, dass Sprache primär oder die ontologische Grundlage der Welt sei, auf keinen feedback aus der Welt angewiesen sei, um zu funktionieren oder die Welt gar allein bestimme. Es gibt eine Verbindung zwischen Sprache und Welt, aber diese ist weder objektiv und fixiert noch wie eine Einbahnstraße in einerlei Richtung, sondern der Situation und den Absichten der ersten Sprachspielenden verpflichtet. Die Sprache ist zugleich autonom (PG 97) gegenüber der Welt und doch mit der Welt verflochten die Sprache ordnet die Welt in einer Weise, die nicht sicher zwischen natürlicher und semantischer Ordnung unterscheiden lässt – darin liegt die Grenze der Sprache. Sprache ist aber nicht auf die Welt beschränkt, da Sprache weit über Tatsachenbeschreibung hinausgeht – darin liegt ihr Potential über ihre eigenen Grenzen hinaus zu zeigen. Sprachspiele können auch nicht weiter begründet und erklärt werden, denn die Gefahr ist […] eine Rechtfertigung unseres Vorgehens zu geben, wo […] wir einfach sagen sollten: so machen wir’s (BGM 199, 74). Stattdessen müssen wir... mit unserer gewöhnlichen Sprache auskommen und sie nur richtig verstehen (22.10.1929, MS 107, 178). Um die Grenzen der Sprache zu verstehen, ist das Verständnis ihrer Grammatik und Semantik wichtig. Beide entwickeln sich als methodologische Normierungsverfahren lebendiger und gesprochener Sprachen – nicht umgekehrt. Die fundamentale Tatsache ist hier: daß wir Regeln, eine Technik, für ein Spiel festlegen, und daß es dann, wenn wir den Regeln folgen, nicht so geht, wie wir angenommen hatten. Daß wir uns also gleichsam in unseren eigenen Regeln verfangen (PU 125). Um das zu vermeiden, dürfen wir – so verstehe ich Wittgenstein – nicht zu sehr analysieren und nicht zuviel zusammenfügen, sondern müssen die Waage halten, zwischen diskretem Abstand zu jeder einzelnen Situation zwecks Abstraktion (Versprachlichung) und dem Vertrauen, sich ihr im konkreten einzelnen (Moment) hinzugeben (Entsprachlichung). Aus der Quelle des Nicht-Versprachlichbaren ist dann ethisches Handeln möglich: will ein Philosoph aus der Gefangenschaft der Sprache (PU 115) und dem Wirbel von Gedanken (MS 107, S. 1) ausbrechen, um... die reine Realität selbst [zu] erfassen und ans Tageslicht [zu] ziehen, so lautet die Antwort, dass er dabei die Sprache hinter sich lassen müsste und daher unverrichteter Dinge wieder heraufkommt . Man kann nun sagen [...] und kann es auch wieder nicht sagen . In Sprachspielen werden neben semantischen Informationen auch im Schweigen und in Gesten ohne Worte Dinge über sich und die Welt mitgeteilt, die sich nicht in Worte fassen lassen, sondern sie zeigen, indem sie nicht als so oder so reifiziert und kategorisiert werden, sondern in der Schwebe gelassen werden: man kann nun sagen, die Worte [...] beschreiben den [...] Zustand meiner Seele, und kann es auch wieder nicht sagen. (PU 662) Sprache braucht das Nicht-Gesagte um nicht nichtssagend zu sein, wie Musik Stille und Pausen braucht, um Musik zu sein und kein Lärm. Sprache ist wie Musik (PU 527) – sie sagt dort mehr, wo sie weniger sagt, wo sie ‚dichtet‘ und ‚etwas‘ in der Schwebe lassen kann, wobei ‚etwas‘ hier nur eine syntaktische Notwendigkeit ist – kein ‚Etwas‘. Qualitäten können in Sprachspielen, nicht aber losgelöst davon rein semantisch innerhalb der Struktur es ist oder es ist nicht , vermittelt werden. Im Tractatus sind die nicht-sagbaren Zustände des Mystischen bedeutsam und am wichtigsten ist das Nicht-Gesagte, das zu zeigende. Im Spätwerk aber ist die Konsequenz, statt zu schweigen, weil es kein Referenzobjekt gibt, sie mühelos durchklingen zu lassen. Das Sprachlose kommuniziert in entsprechendem Umfeld mit oder ohne Worte, wenn der Gegenüber in empathischer Resonanz klingt oder auf eigene Erfahrungen/Gedanken zurückgreifen kann – ansonsten ist immer noch Schweigen die Antwort des Weisen. Das kann mit folgendem Zitat erhellt werden, das zwar aus dem Vorwort des Tractatus stammt, jedoch von Wittgenstein nie widerrufen wurde und in diesem Punkt auch für sein Spätwerk gilt: Dieses Buch wird vielleicht nur der verstehen, der die Gedanken, die darin ausgedrückt sind – oder doch ähnliche Gedanken – schon selbst einmal gedacht hat. (T Vorwort 1. Satz). Auch (Schmerz)-Empfindungen haben einen Doppelstatus : ‘immer wieder [gelangst du] zum Ergebnis, die Empfindung selbst sei in Nichts.‘ – Nicht doch. Sie ist kein Etwas, aber auch nicht ein Nichts! (PU 304) und doch könnte kein Unterschied größer sein! (eda.). Ohne das Nicht-Sagbare in Worten oder Taten mitzuteilen, bleibt ihre Erfahrung eine subjektive Illusion und von außen ist keine Unterscheidung zwischen Simulant und authentisch Erfahrenem möglich – doch könnte kein Unterschied größer sein! Wer selber schon einmal ähnliche Erfahrungen gemacht hat, der wird den anderen verstehen – auch ohne Worte.
Felix Baritsch wurde 1957 in Hamburg geboren. Er ist Heilpraktiker, Musiker und Philosoph. Der Autor führt eine mehrsprachige Praxis für Lebensberatung und Naturheilkunde, dolmetscht spirituelle Lehrer und Philosophen aus mehreren Sprachen und unterrichtet Meditation und Weisheitslehren verschiedener Traditionen auf seinen Studien-, Musik- und Pilgerreisen in Ländern verschiedener Kontinente. Der Autor studierte Musik am russischen Konservatorium in Paris sowie internationales Recht in Hamburg, London, Genf und Tübingen. Durch seine Arbeit bei Amnesty International kam er 1979 nach Südamerika, wo er in den 80er Jahren in Brasilia an der Universität unterrichtete und den interreligiösen Dialog organisierte. In den 90er Jahren studierte er systematisch Buddhismus in Dharamsala, Indien sowie im Tibetischen Zentrum Hamburg unter der Schirmherrschaft des Dalai Lama, den er wiederholt übersetzte. Nach fast 30 Jahren im Ausland gründete er 1994 den interkulturellen Verein ASSISI e. V. für ganzheitliche Medizin, um in Hamburg ein Zeichen interkultureller Wertschätzung zu setzen. Er war jahrelang im Vorstand des ‚House of Wisdom‘, New York tätig. Ab 2008 studierte er westliche Philosophie an der Universität Hamburg mit dem Schwerpunkt interkulturelle und komparative Philosophie. Dabei widmete er sich besonders der globalen Bedeutung der Sprachen für menschliche Erkenntnis, Wissenschaft und ethische Werte sowie für die Entwicklung einer multikulturellen Gesellschaft. In diesem Buch stellt er die wichtigsten Ergebnisse seiner Studien anhand von zwei bedeutenden Vertretern wichtiger philosophischer Traditionen vor.
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