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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Gloria Anzaldúa ist eine mexikanisch-amerikanische Autorin, die im Grenzgebiet (Borderlands) von Mexico und den USA geboren wurde und aufwuchs. Dieses Grenzgebiet ist zum Spiegel ihres Selbst und zur Basis ihrer Persönlichkeit geworden. In ihrem Hauptwerk Borderlands/ La Frontera. The New Mestiza versucht sie ihrer Prägung auf den Grund zu gehen und ihr Selbst durch den Schreibprozess neu zu inszinieren. Die Neuerschaffung dieser vielseitigen Identität nicht nur Anzaldúas, sondern auch eines ganzes Volkes, der Chicanos, und einer Region werden in Spektrum des Selbst im interkulturellen Kontext. Gloria Anzaldüa, Borderlands/ La Frontera. The New Mestiza analysiert und mit dem Konzept der Interkulturalität verknüpft. Die Schwerpunkte liegen dabei einerseits auf auf den physischen Borderlands, in denen die Geschichte dieser ganz speziellen Region rekonstruiert wird. Andererseits werden sexuelle Grenzgebiete wie die Chicanaproblematik, Feminismus und Women of Color Feminismus betrachtet, um schließlich mit dem Teil der psychologischen Borderlands eine Brücke zur Autobiografie und damit zum Medium der Selbsterschaffung zu schlagen. Durch die intensive Textanalyse, basierend auf ausgewählten Theorien nähert sich die Studie der außergewöhnlichen Persönlichkeit Anzaldúas, und mit ihr der hybriden Identität einer Region an. Damit versucht sie einen Beitrag zum interkulturellen Verständnis zu leisten, was sie für die verschiedensten Felder der Wissenschaft (Culture Studies, Gender Studies, Literaturwissenschaft etc.) interessant werden lässt. The actual physical borderland that I’m dealing with in this book is the Texas-U.S. Southwest/Mexican border. The psychological borderlands, the sexual borderlands and the spiritual borderlands are not particular to the Southwest. In fact, the borderlands are physically present wherever two or more cultures edge each other, where people of different races occupy the same territory, where under, lower, middle and upper classes touch, where the space between two individuals shrinks with intimacy.
Kapitel 2.2.2, Die Schlange als Symbol der Weiblichkeit: Ein Motiv, welches sich in Borderlands immer wieder in verschiedenen Aspekten wiederholt, ist das Schlangenmotiv. Als erstes weist sie (die Schlange) auf die schon genannte Konnotation mit der biblischen Schlange und damit auf die Erbsünde hin. Sie wurde nach christlicher Sichtweise durch Eva hervorgerufen und hatte zur Folge, dass Mann und Frau sich erkannten und sich ihrer Nacktheit schämten. Dies bedeutete eine augenscheinliche Trennung der Geschlechter und somit auch des Geschlechterverhaltens, was die diskriminierende Behandlung der Frau rechtfertigte. Weiterhin weist die Schlange auf den Gründungsmythos Mexikos zurück, in dem sich die Azteken dort niederließen, wo sie einen Adler auf einem Kaktus mit einer Schlange in den Klauen sahen. Hierbei steht sie symbolisch für den Teil der Chicanogeschichte, der Unterdrückung und innere Gefangenschaft bedeutet. Die Chicana als Teil ihres Volkes, als Teil ihrer Kulturgeschichte wurde von den Männern ihrer Gesellschaft (von Indianern als auch Mexikanern) wie die Schlange in den Klauen gehalten, ohne Freiheiten, ohne Bewegung, praktisch tot. Das Schlangenmotiv ist jedoch ein weitaus tiefgründigeres, als es auf den ersten Blick scheint. Anzaldúa führt die Schlange in Entering Into the Serpent, dem dritten Kapitel des Prosateils, als mythische Symbolfigur ein. Sie verfolgt deren unterschwellige Existenz (der Schlange) zurück auf die Jungfrau von Guadalupe und von ihr noch weiter zurück auf alte indianische Göttinnen. Sie rekonstruiert deren Identität und entdeckt somit auch gleichzeitig die ihrige. Nach Anzaldúa ist der indianische Name für Guadalupe Coatlalopeuh, welcher auf mesoamerikanische Fruchtbarkeits- und Erdgöttinnen zurückgeht. Coatl ist nahua und bedeutet Schlange . Lopeuh sagt so viel wie diejenige, die Macht über die Schlangen hat aus. Die frühste dieser Göttinnen ist Coatlicue, was so viel wie Schlangenrock bedeutet. Diese wiederum verkörpert drei Aspekte (ähnlich vorstellbar wie die Dreieinigkeit des christlichen Gottes): Coatlicue, wie eben schon genannt, als eine Art Göttinnenmutter und Tlazolteotl und Cihuacoatl, welche dunklere Aspekte ihres Seins darstellen. Dieselben Aspekte wurden von der aztekisch-mexikanischen Männerkultur missverstanden und mit furchtbaren Eigenschaften versehen. Da sie Tlazolteotl und Cihuacoatl fürchteten, ersetzten sie sie durch eigene, männliche Götter. Somit beraubten sie Coatlicue zwei Aspekte ihres Seins und zugleich auch ihre Vollkommenheit. The male-dominated Azteca-Mexican culture drove the powerful female deities underground by giving them monstrous attributes and by substituting male dieties in their place, thus splitting the female Self and the female dieties. They devided her who had been complete, who possessed both upper (light) and underworld (dark) aspects. Coatlicue, the Serpent goddess, and her more sinister aspects, Tlazolteotl and Cihuacoatl, were ‘darkened’ and disempowered much in the same manner as the Indian Kali. Doch die Verstümmelung Cuatlicues sollte noch kein Ende haben. Nach der Eroberung Mexikos durch die Spanier sahen diese in ihr Guadalupe. Das bedeutet, indem sie in ihr nur die Heilige, die Mutter, die Lebenspendende sahen, verleugneten sie ihre Sexualität. Die Teilung erreicht ihren Höhepunkt, als sie Guadalupe zur Jungfrau dekradieren, was vollkommen ihrem ursprünglichen Sein entgegenläuft. After the Conquest, the Spaniards and their Church continued to split Tonantsi/Guadalupe. They desexed Guadalupe, taking Coatlalopeuh, the serpent/sexuality, out of her. They completed the split begun by the Nahuas by making la Virgen de Guadalupe/ Virgen María into chaste virgins and Tlazolteotl/Coatlicue/la chingada into putas into the Beauties and the Beasts. Mit der Enteignung der Sexualität Guadalupes und der damit in Verbindung stehenden Schaffung der Jungfrau/Hure Dichotomie, hat man schließlich auch die Frau auf ein Minimum ihres ursprünglichen Seins reduziert. Deshalb scheint es nicht verwunderlich, dass zu Beginn des Kapitels die Schlange als etwas Unbekanntes und Angsteinflössendes erscheint, vor dem die Mütter ihre Töchter warnen: Don’t go outhouse at night, Prieta, my mother would say. No se te vaya a meter algo por allá. A snake will crawl into your nalgas, make you pregnant . Immer wieder präsentiert sich die Schlange als bedrohlicher Phallus, der das Mädchen oder die Frau zu Strafen gilt: für ihre Schuld die Erbsünde auf die Menschen gezogen zu haben, die Indianer verraten zu haben, für das Unbekannte und die mögliche Bedrohung, die sie für die Männer darstellen. In Ella tiene su tono erreicht die Furcht vor der Schlange ihren Höhepunkt, indem die Ich-Erzählerin schildert, wie sie von einer Klapperschlange gebissen wurde. Durch dieses Ereignis kam es nicht nur zu einer Konfrontation, sondern auch durch das Schlangengift, dass durch ihren Körper floss, zu einer Vereinigung, einer Verschmelzung. In the morning I saw through snake eyes, felt snake blood course through my body. The serpent, mi tono, my animal counterpart. I was immune to its venom. Forever immune”. Mit dieser Verschmelzung erlangt die Ich-Erzählerin stellvertretend für Guadalupe und für alle Frauen ihre verlorene Sexualität zurück, und geht einen Schritt vorwärts in der Wiedererlangung ihrer verlorenen Aspekte und somit ihrer Gesamtheit, Vollkommenheit und Identität. Initiation und Verschmelzung leiten auch die Umwertung der phallisch konnotierten Schlange ein. ... ‚Sueño con serpientes’ nimmt das Bild der alptraumhaft bedrohlichen Schlange wieder auf, wendet es aber positiv. So wendet sich das einst phallisch konnotierte Bild der Schlange zu la vibora (die Schlangenfrau) und wandelt sich somit zum Symbol für die weibliche Sexualität und Körperlichkeit sowie, auf die Göttinnen zurückschauend, für das Weibliche im Allgemeinen. Forty years it’s taken me to enter into the Serpent, to acknowledge that I have a body, that I am a body and to assimilate the animal body, the animal soul . Gleichzeitig konstatiert die Vereinigung mit der Schlange nicht nur die neu erworbene Sexualität der Frau, sondern unterscheidet sie auch gleichzeitig von der männlichen. Sie bedeutet eine Abkehr vom Modell einer dominanten Genialität. ... Penetration wird durch Durchdringung ersetzt. Besonders bildlich wird die neue Weiblichkeit im Gedicht Interface dargestellt, indem die Geliebte der Ich-Erzählerin in sie eindringt und sie mit purem Licht und Klang erfüllt. I wasn’t scared just astonished/ rain drummed against my spine/ turned to steam as it rushed through my veins/ light flickered over me from toe to crown./ Looking down my body I saw/ her forearm, elbow and hand/ sticking out of my stomach/ saw her hand slide in./ I wanted no more food no water nothing/ just her – pure light sound inside me. Women of Color Feminismus: Wie vielfältig die Identitäten der Chicanas sind, wird im Women of Colour Feminismus besonders deutlich. Als Frau kann sie nicht mit der von Männern dominierten Gesellschaft einverstanden sein. Sie kämpft für die Rechte der Frau und fordert eine grundlegende Überdenkung der bestehenden gesellschaftlichen Normen. Andererseits sind aber diese Männer und deren Normen ein Teil ihrer Geschichte und damit ihrer Identität als Frau mexikanischer Herkunft, diejenigen, die von den Weißen erobert, unterdrückt und ihrer Kultur beraubt wurden. Das bedeutet, dass die Chicana auch der Frauenbewegung, d.h. dem Feminismus nicht in allen Punkten zustimmen kann, was sie auch in dieser Bewegung wiederum zu einer Außenseiterin, einer Fremden werden lässt. Aus diesem Grund setzt sich Anzaldúa für eine Erweiterung des Feminismus um eine kulturelle Komponente ein und leistet somit einen bedeutenden Beitrag für den Women of Color Feminismus. Hier werden die verschiedenen kulturellen Hintergründe (afroamerikanische, Latinas, Chicanas, asiatische...) der Frauen anerkannt. Zusammen kämpfen sie gegen die Dominanz des männlichen Geschlechts und gleichzeitig auch gegen ein weißes Superioritätsgefühl. Denn wo die Chicana als Frau von ihrer eigenen Rasse betrogen wurde, wurde sie als Chicana von den weißen Frauen betrogen. Von den Männern ihrer Rasse als zerstückeltes Etwas zurückgelassen, bleibt der Chicana als letzter Aspekt ihrer Identität die Erinnerung an diesen grausamen Akt, der ihr durch die Verleumdung des kulturellen Einflusses auf den Feminismus durch die weißen Frauen auch noch genommen wurde. Somit haben sowohl der Feminismus als auch das Chicanosein anziehende wie auch abstoßende Aspekte, die die Chicana immer zwischen ihrer Sexualität (im weitesten Sinne) und Kultur hin und her pendeln lassen. Umso mehr sie sich dem einen annähern, desto stärker werden sie von diesem abgestoßen und gleichzeitig vom Gegenpart angezogen. Folgen sie dieser Kraft, provoziert jeder Schritt der Annäherung ein stärkeres Gefühl der Ablehnung. So pendeln die Chicanas konstant zwischen Kultur und Sexualität hin und her. Niemals erreichen sie das eine noch das andere Ende. Sie befinden sich in kontinuierlicher Bewegung. Niemals tritt ein Zustand von Ruhe ein. Ständige Veränderung definiert ihr Sein und macht sie wiederum zu Bewohnern eines Grenzgebietes. caught in the crossfire between camps/ while carrying all five races on your back/ not knowing which side to turn to, run from. In dem Gedicht that dark shining thing, im vierten Kapitel des Gedichtteils, vokalisiert Anzaldúa die Differenzen zwischen weißen und farbigen Frauen. Sie klagt ihre Mitstreiterinnen an, sie nicht als eine von ihnen anzusehen, sich von Äußerlichkeiten täuschen zu lassen und sie aufgrund ihrer Herkunft zu verurteilen. I am the only round face,/ Indian-beaked, off-colored/ in the faculty lineup, the workshop, the panel/ and reckless enough to take on you. Mit diesem Verhalten erliegen die Frauen genau dem männlich determinierten Verhalten, gegen das sie eigentlich ankämpfen und verraten somit ihre eigenen Ideale und sich selbst. Das lyrische Ich versucht diesem Verhalten entgegenzuwirken, indem sie eingesteht, selbst Opfer ihrer Prägung geworden zu sein. Here we are four women stinking with guilt/ you for not speaking your names/me for not holding out my hand sooner. Indem sie jedoch ihren Fehler eingesteht, bricht sie mit ihrem männlich geprägten Verhalten. Obwohl sie versucht ist, sich einfach abzuwenden von dem, was ihr Schmerz und Angst hervorruft, der ständigen Konfrontation, entscheidet sie sich dafür, dies gerade nicht zu tun, sondern die anderen Frauen in ihrem Denken herauszufordern. Auffällig ist die Überlagerung des lyrischen Ichs mit dem Ich der Autorin. Sie spricht zu sich selbst oder man könnte fast sagen, sie feuert sich an , um sich Mut zu machen und diesen kraftaufreibenden Widerstand aufrechterhalten zu können. push Gloria breathe Gloria/ feel their hands holding me up, prompting me/ until I’m facing that pulsing bloodied blackness/ trying to scream/ from between your legs/ feel again the talons raking my belly. Nach dieser Vereinigung findet jedoch darauf sofort wieder eine Distanzierung statt him/me/they . Optisch wird sie noch mit einem Schrägstrich hervorgehoben. Sie unterstreicht die Aussage, dass es eine klare Trennung zwischen ‚him’ (ihm = dem Männlichen), ‚me’ (mir = die Autorin) und ‚they’ (sie = die Gesellschaft, die anderen Frauen) gibt. Dies bedeutet, dass es, wenn jeder seine bis dahin erkämpfte Identität behalten will, keine Einheit geben kann und darf I know it’s come down to this: vida o muerte, life or death” , und dass jede zu starke Annäherung einer Aufgabe der eigenen Prinzipien und Werte bedeuten und die komplette Vernichtung der eigenen Identität mit sich bringen würde.
Ramona Wolf, M.A., Studium der Hispanistik, Psychologie und interkultureller Wirtschaftskommunikation an der Friedrich-Schiller- Universität in Jena. Abschluss 2008 als Magister Artium in neusprachlicher Philologie. Derzeit tätig in der Exportabteilung einer internationalen Firma sowie als selbstständige Deutschlehrerin.
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