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- Reflexionen von Identität in Hermann Hesses "Der Steppenwolf"
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Am Beispiel Harry Hallers im Steppenwolf behandelt Hermann Hesse eine Identitätskrise, die sich darin äußert, dass der Protagonist unter der Spaltung in zwei widersprüchliche Teilidentitäten leidet. Da er innerhalb völliger Resignation in der Entfaltung seiner Persönlichkeit stagniert, scheint eine Weiterentwicklung zunächst völlig aussichtslos und wird im Laufe der Handlung erst ins Rollen gebracht, als Haller auf seine Seelenbilder trifft. Ausgehend von dieser These, wird die Arbeit klären, auf welche Weise sich die krisenhafte Identität Hallers konkretisiert. Da die besondere Komposition des Romans auch das Geschehen beeinflusst, wird sie näher betrachtet. Die Arbeit verweist auch auf den psychoanalytischen Einfluss im jeweiligen Kontext, da dieser für das Verständnis des Romans von zentraler Bedeutung ist. Dabei beschränkt sie sich weitgehend auf die Lehre C. G. Jungs, da Hesse selbst mit ihm in persönlichem Kontakt stand und die Werke des Psychologen aufschlussreiche Hinweise für ihn geboten haben. Des Weiteren werden Figurenlage und Schlüsselsymbole wie etwa das ständig wiederkehrende Spiegelmotiv untersucht und es wird beleuchtet, inwiefern die Handlungsträger als Teilidentitäten Harry Hallers und letztendlich des Autors selbst angesehen werden können. Daher wird diese Arbeit auch die Biographie von Herman Hesse unter verschiedenen Gesichtspunkten veranschaulichen.
Textprobe: Kapitel 2.1.4.3, Identitätsspiele: Harry Hallers Welt ist vor allem eine Innenwelt, denn die gerade charakterisierten Protagonisten sind alle Teil seiner Psyche, die jeweils eine unzureichende Persönlichkeit bezeichnen. Der Schauplatz des Romans ist Hallers Seele, in der verschiedene Aspekte dieser – ausgedrückt durch Hermine, Maria und Pablo – beleuchtet werden. Die Identität des Steppenwolfes wird in der Literatur meist als Verschmelzung dieser Teilpersonen aufgefasst. Im weiteren Verlauf gilt es, aus diesen noch nicht in sein Selbst integrierten Aspekten eine Einheit zu formen, indem er verdrängte Anteile seines Wesens annimmt und in sein Ich eingliedert. So kann behauptet werden, dass erst durch die Verbindung aller Handlungsträger eine Gesamtperson entstehen kann. Die Teilidentitäten scheinen zwar unabhängig voneinander zu agieren, bedingen sich jedoch gegenseitig. Die Gegensätze der Handlungsträger verschmelzen zu einer Einheit und alle sind mit dem unmittelbaren Zentrum, dem Autor Hermann Hesse selbst, verbunden: (...) die Menschen, die diesen (Hallers) Weg kreuzen, sie mögen dem unbefangenen Betrachter als reale Personen erscheinen, sie sind aber Wunsch- und Traumgestalten des Dichters selbst. Die kleine Hermine, die den Steppenwolf für das alltägliche Leben gewinnt, die liebende Maria, der lustige Pablo, sie bedeuten im Grunde Spiegelungen, vergangene oder zukünftige Möglichkeiten einer dichterischen Seele, die mit ihrer Hilfe auch das Steppenwolfdasein überwindet . Hesse lässt mehrere Figuren agieren, die vom Leser als höhere literarische Einheit begriffen werden müssen. Dadurch wird dieser zu einer gewissen Dynamik im Wechsel der Sichtweisen aufgefordert. Er wird in den Roman integriert und dabei ein Teil der Philosophie Hesses. Allmählich werden die Teilidentitäten als Bestandteile eines Ganzen erkannt, die der Protagonist zu durchlaufen hat. Dafür muss Haller zunächst den Maskenball besuchen, um dann in das Magische Theater geführt zu werden: In dem Maße, wie er der Wahrheit seines eigenen Inneren näher kommt, erkennt er sich in den anderer wieder, löst sich seine Isolation in der Begegnung, die schließlich zur Selbstbegegnung wird . a) Der Maskenball: Hermine befiehlt Haller auf den Maskenball zu gehen und obwohl dieser Vorbehalte hat, nimmt er daran teil und erlebt dort den Untergang der Person in der Menge, von der Unio mystica der Freude . Reso Karalaschwili merkt hierzu an, dass der Maskenball eine dem Leben enthobene autonome Sphäre darstellt, die es dem Menschen kurzzeitig gestattet, derjenige zu sein, der er in Wirklichkeit ist, im Gegensatz zu dem, als den er sich im Alltag ausgibt. So werden von der Gesellschaft aufgezwungene Rollen abgelegt und der Lebensernst in einem Zustand von Trance vergessen. Jeder Teilnehmer des Maskenballes hat dadurch die Gelegenheit, sonst verborgene Anteile seiner Persönlichkeit auszuleben: Ich war nicht mehr ich, meine Persönlichkeit war aufgelöst im Festrausch, wie Salz im Wasser . Im Festrausch gelingt es Haller sich von der kollektiven Lebenslust mitreißen zu lassen und sich ganz von seiner neuerworbenen Sinnlichlichkeit treiben zu lassen. Er schafft es hier, sich seiner Steppenwolfnatur zu entledigen und sich ganz dem Augenblick hinzugeben. Die Auflösung seiner Persönlichkeit vollendet sich an dieser Stelle und er erfährt zum ersten Mal ein wahres Glücksgefühl: Aber heute (...) strahlte ich selbst , der Steppenwolf Harry, dies Lächeln, schwamm ich selbst in diesem tiefen, kindhaften, märchenhaften Glück, atmete ich selbst diesen süßen Traum und Rausch der Gemeinschaft, Musik, Rhythmus, Wein und Geschlechtslust, dessen Lobpreis im Ballbericht irgendeines Studenten ich einst so oft mit Spott und armer Überlegenheit mit angehört hatte . Die Barriere zwischen ihm und der Welt scheint im Festrausch aufgehoben, er fühlt sich immer mehr der Gemeinschaft zugehörig: Alle gehörten mir, allen gehörte ich, alle hatten wir aneinander teil . Hallers Besuch des Maskenballs leitet symbolisch als Spiel mit den Identitäten die Wandlung des Protagonisten ein. Jeder Gast des Balls verbirgt sein Gesicht hinter einer Maske und hat somit die Möglichkeit sich von seinem Ich zu lösen und einen neuen Teil seiner Persönlichkeit zu offenbaren. Im Gegensatz zu Hermine und Maria, bleibt Haller jedoch unmaskiert, denn Haller offenbart hier bereits einen unergründeten Teil seiner Selbst, wofür keine Maske von Nöten ist. Nachdem Haller von einer spanischen Tänzerin zum Tanz aufgefordert wird und in ihr durch einen Kuss Maria erkennt, verabschiedet sich diese endgültig, womit die Episode zwischen den beiden endet. Sein nächster Weg führt Haller nun in die Hölle des Maskenballs, eben jene Symbolwelt, die er zum Zwecke seiner Individuation durchwandern muss, um den Aufstieg zum Selbst vollziehen zu können. Der Abstieg in seine Seelentiefe ist gewissermaßen Voraussetzung für seine weitere Entwicklung. In der Hölle sucht er nach Hermine, die er zunächst nicht erkennt, da sie in ihrer Maskierung auf verblüffende Weise seinem Jugendfreund Hermann ähnelt. Hier kommt erneut Hermines hermaphroditischer Zauber zur Wirkung, der Haller bereits bei der ersten Begegnung mit ihr auffiel. Erich Neumann meint dazu, dass jede menschliche Struktur psychologisch als hermaphroditisch erscheint, wodurch eine innere Eigenerfahrung des Gegengeschlechts ermöglicht wird. So ist eine körperliche Annäherung der beiden aufgrund Hermines Kostümierung als Mann zunächst nicht möglich. Erst nachdem sie sich umgezogen hat und in Gestalt einer Pierrette erscheint, beginnt Haller sich ganz ihrer Vorausdeutung nach in Hermine zu verlieben: (...) alle Frauen dieser fiebernden Nacht, alle, mit denen ich getanzt, alle, die ich entzündet, alle, die mich entzündeten, alle, um die ich geworben, alle, an die ich mich verlangend geschmiegt, alle, denen ich mit Liebessehnsucht nachgeblickt hatte, waren zusammengeschmolzen und eine einzige geworden, die in meinen Armen blühte . Im Hochzeitstanz mit Hermine nimmt Haller nun den bisher verdrängten und von Hermine verkörperten Teil seiner Persönlichkeit in sein Bewusstsein auf, ja er verliebt sich sogar in diesen. Die Begegnung mit dem eigenen Seelenbild ist nach Jung ein notwendiger Bestandteil des Individuationsprozesses. Sie macht eine grundsätzliche Änderung in der psychischen Einstellung der Person deutlich, die von nun an ihr ganzes Interesse dem Inneren zuwendet. Zumal das Innere aber unbewusst ist und sich zum Bewusstsein ergänzend verhält, kann es nur im anderen Geschlecht erlebt werden, das zur Projektionsfigur der eigenen Seele wird. Erst wenn es Haller gelingt, den andersgeschlechtlichen Teil seiner Psyche anzunehmen, kann er die Wandelbarkeit seiner selbst erfahren. Der Rausch des Festes und das Auflösen seiner strengen Persönlichkeit initiieren Hallers Läuterung. Pablo und Hermine geleiten Haller in einen Spiegelsaal, der ihm als Magisches Theater vorgeführt wird.
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