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- Musikwettbewerbe: Möglichkeiten und Grenzen musikalischer Begabungsfindung und -förderung am Beispiel von „Jugend musiziert“
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Abb.: 12
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Vor dem Hintergrund einer steigenden pädagogischen und bildungspolitischen Bedeutung der intensiven Förderung junger Musiker ist die vorliegende Arbeit mit dem Ziel entstanden, einen Überblick über den Beitrag zu geben, den Jugend musiziert zur Begabtenfindung und -förderung bundesweit in Deutschland und darüber hinaus leistet. Angefangen vom Musikalitäts- und Begabungsbegriff, über Erklärungsmodelle hoher musikalischer Leistung, Determinanten der Entwicklung, Messbarkeit von Musikalität bis hin zu Persönlichkeitsmerkmalen wird der begriffliche Bezugsrahmen der Arbeit anhand einer Diskussion der wichtigsten Fachliteratur abgegrenzt. Daran anschließend wird Jugend musiziert als eine Möglichkeit der Begabtenfindung und -förderung im Bereich der Musik dargestellt. Es werden dazu unterschiedliche Förderungsmöglichkeiten und ihre Wirkungen beschrieben sowie Grenzen und aktuelle und ungelöste Probleme aufgezeigt, mit denen sich der Deutsche Musikrat als Träger des Wettbewerbs auseinandersetzen muss.
Textprobe: Kapitel I.4, Messbarkeit der Musikalität: Die bereits erwähnte Abhandlung Ueber die Prüfung musikalischer Fähigkeiten von MICHAELIS (1805) ist vermutlich das frühste Beispiel für ein ursprünglich pädagogisch motiviertes Interesse, Art und Ausprägung musikalischer Fähigkeiten zu diagnostizieren, um darauf aufbauend musikalische Erziehung zu gestalten. Bei der praktischen Identifizierung musikbegabter Kinder stellt sich zunächst die Frage, welchen Zweck man damit verfolgen möchte: Förderung im Rahmen einer breit angelegten Musikfrüherziehung, schulische Musikbildung oder gezielte individuelle Förderung herausragender Musiktalente. Im folgenden Teil wird zunächst ein allgemeiner Überblick über Definition, Ziele und Aufgaben von Musikalitätstests (I.4.1) gegeben, um daran anschließend die wichtigsten Tests (I.4.1.1 und I.4.1.2) sowie jüngste Testverfahren (I.4.1.3) kurz näher zu erläutern. Der letzte Abschnitt beinhaltet eine kritische Betrachtung der Verfahren und ihrer Anwendung (I.4.2). I.4.1, Definition, Aufgaben und Ziele: In der Psychologie umfasst der Begriff Test mehrere Bereiche, darunter beispielsweise statistische Signifikanztests, die Gesamtheit der Untersuchungsrequisiten (Testmaterial), den Vorgang des Untersuchens (Testen) und insbesondere die spezielle Art der Datenerhebung in der psychologischen Diagnostik. LIENERT/ RAATZ (1994) definieren einen Test als ‘(…) ein wissenschaftliches Routineverfahren zur Untersuchung eines oder mehrerer empirisch abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale mit dem Ziel einer möglichst quantitativen Aussage über den relativen Grad der individuellen Merkmalsausprägung.’ Dies setzt eine Testtheorie voraus. ‘Kernstück einer Testtheorie ist eine Modellrelation, welche einen bestimmten funktionalen Zusammenhang zwischen manifesten und latenten Variablen postuliert. Diese Modellrelation, die als erklärende psychologische Theorie fungiert bzw. fungieren sollte, schaffte die theoretischen Grundlagen für den Rückschluss auf ein Persönlichkeitskonstrukt.’ Zu weiteren Merkmalen eines Tests zählen eine wissenschaftliche Begründbarkeit, eine routinemäßige Durchführbarkeit und die Möglichkeit einer relativen Positionsbestimmung eines Individuums innerhalb einer Gruppe von Individuen. Der Test dient der Prüfung bestimmter empirisch abgrenzbarer Merkmale oder Eigenschaften. Grundvoraussetzungen sind die exakte Messbarkeit und die mathematisch-statistische Auswertbarkeit der zu untersuchenden Eigenschaften. Die sogenannten Hauptgütekriterien geben dabei Aufschluss über die Brauchbarkeit und Qualität eines Tests. Die wichtigsten davon sind Objektivität (Grad der Unabhängigkeit der Durchführung, Auswertung und Interpretation der Testergebnisse durch den Testleiter), Reliabilität oder Zuverlässigkeit (Grad der Meßgenauigkeit, unabhängig davon, was der Test zu messen vorgibt) und Validität oder Gültigkeit (Grad der Genauigkeit, mit dem ein Test dasjenige Merkmal misst, was er zu messen vorgibt). Neben den Hauptgütekriterien gibt es zusätzliche, sogenannte Nebengütekriterien. Die Normierung eines Tests ermöglicht dabei durch Orientierung an möglichst großen und repräsentativen Normstichproben die Einordnung des individuellen Testergebnisses in ein Bezugssystem. Weitere Nebengütekriterien sind die Ökonomie eines Tests (Durchführung und Auswertung dürfen nur wenig Zeit in Anspruch nehmen, der Test sollte deshalb möglichst als Gruppentest durchführbar sein und geringe Kosten verursachen), seine Nützlichkeit, die dann am größten ist, wenn ein hohes praktisches Bedürfnis zur Untersuchung des Verhaltens oder Merkmals besteht, und die Testfairness, welche die Vermeidung jeder systematischen Diskriminierung und Benachteiligung bestimmter Testpersonen auf Grund ihrer ethnischen, soziokulturellen oder geschlechtsspezifischen Zugehörigkeit betrifft. Nach LIENERT/ RAATZ (1994) hat ein Test verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Zum einen dient er als Hilfsmittel bei der Querschnittsdiagnose, etwa zur Feststellung von Unterschieden hinsichtlich des Grades der Ausprägung der Leistung zwischen verschiedenen Individuen oder Gruppen, bei der Feststellung individueller Merkmalskombinationen oder bei der Entscheidung über Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein eines Merkmals oder über den Grad der Merkmalsausprägung. Zum anderen steht er im Dienste der Längsschnittdiagnostik, etwa zur Feststellung von Merkmalsveränderungen innerhalb definierter Zeitspannen bei Einzelindividuen und Gruppen, wie beispielsweise zur Beschreibung musikalischer Entwicklungsverläufe. Im Rahmen der Forschung werden Tests bei Transfer- oder Zusammenhangsstudien eingesetzt, etwa zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen musikalischer Begabung und anderen Persönlichkeitsmerkmalen. Diese Anwendungsmöglichkeiten sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Musikalitätstests im heutigen pädagogischen Alltag des deutschsprachigen Raumes, im Vergleich zum musikalischen Bildungssystem etwa der USA, äußerst selten eingesetzt werden. Allen Tests ist gemeinsam, dass sie ausschließlich rezeptive Fähigkeiten messen, wie etwa die Fähigkeit, Tonhöhen- und Lautstärkenunterschiede wahrzunehmen oder Melodien als gleich oder verschieden zu erkennen. Zu beachten ist, dass sich die meisten Verfahren erst ab einem Alter von etwa acht Jahren einsetzen lassen. Je höher das Alter, desto mehr haben sich angeborene Dispositionen und erlernte Fähigkeiten vermischt, deshalb geben die Autoren als obere Altersgrenze je nach Test ein Alter von bis zu 22 Jahren an. Die Gesamtheit der Tests lässt sich unter formalen Kriterien wie folgt einteilen. Man unterscheidet standardisierte und nicht standardisierte Tests, objektive, psychometrische und subjektive, projektive Tests, eindimensionale und mehrdimensionale Tests, Individual- und Gruppentests, Papier- und Bleistifttests und apparative Tests. Ist eine überzeugende Klassifizierung der zahlreichen Tests zur Erfassung kognitiver, affektiver und psychomotorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten nach inhaltlichen Aspekten schon schwierig, so erscheint eine möglichst stringente Einteilung von musikalischen Testverfahren noch problematischer. Nach FÜLLER (1974) lassen sich standardisierte Musiktests in vier Gruppen einteilen: Musikalische Begabungstests wollen das von Lernerfahrungen unabhängige, angeborene Potential an musikalischen Fähigkeiten messen. Musikalische Leistungstests hingegen beziehen sich auf die Prüfung von musikalischen Fertigkeiten, die durch Unterricht erlernt wurden. Ferner sind Gesangs- und Instrumentaltests sowie Verfahren zu nennen, die persönliche Einstellungen zur Musik, Wertungen und Vorlieben prüfen.
Claudia Irion schloss ihr Magisterstudium der Musikwissenschaften und BWL an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt / WFI School of Management im Jahr 2009 ab und wurde im Jahr 2014 an der Ludwig-Maximilians Universität München in Musikwissenschaften promoviert. Die Autorin ist heute als Projektreferentin beim Deutschen Musikrat gGmbH tätig.
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