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- Metropolitanität ohne Identität? Das Städtebauprojekt Stuttgart 21 und der Kampf um den Stadtraum
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Abb.: 5
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Städtebau und Stadtplanung als zielgerichtete politische Prozesse der Stadtentwicklung entsprechend ihrer Potentiale und dementsprechender Ideale sind nicht nur als Entwürfe eines Raumbildes zu betrachten, sondern vielmehr als initiative Projekte der Nutzungskonfiguration zu analysieren. Die Konzeption von Leitbildern als Medien der Architekturplanung symbolisieren zeitgenössische Perspektiven auf Stadtstruktur und lokale Identität. Die Transformation des städtischen Raums wird somit direkt zum Kristallisationspunkt kollektiver Aushandlungsprozesse auf Basis unterschiedlicher Verwertungsinteressen. Diese werden in der vorliegenden Arbeit am Beispiel des Städtebauprojekts Stuttgart 21 anhand einer kulturwissenschaftlichen Perspektive untersucht, um abseits der politischen Planungsverfahren den Stadtraum als Bedeutungsträger sowie Kristallisationspunkt urbaner Identität im Zeitgeist glokaler Stadtentwicklung als wirkenden Akteur der Stadtplanung herauszuheben. Folglich sollen die projektbezogenen Kommunikationsprozesse im Hinblick auf die konstruierte stadträumliche Repräsentativität untersucht werden, um abschließend die metropolitane Symbolik als aktives Leitbild der Stadtentwicklung herauszuarbeiten.
Textprobe: Kapitel 6, KONFLIKTE METROPOLITANER BILDWELTEN: Der Konflikt um Stuttgart 21 symbolisiert den Konflikt um Wahrnehmungen von Metropolitanität. An der stadtpolitischen Definition und städtebaulichen Umsetzung treffen sich polarisierte Akteursinteressen zwischen technokratischem Fortschrittsglauben und soziokulturellen Beharrungskräften. In diesem Sinne sind gegenwärtige Prozesse des Städtebaus als ‘hinge points between the globally oriented economic functions of a city and the locally rooted society and culture’ zu betrachten. Im Zuge der globalisierten Standortkonkurrenz wird die Konstitution von Metropolitanität als immaterieller Faktor von Stadtimages tendenziell zu einer stilprägenden Komponente der Stadtpolitik. Gleichzeitig trifft die metropolitane Konstruktion von Stadttypen auf gewachsene urbane Strukturen und somit Kristallisationspunkte lokaler Identität, denn ‘a city is not a neutral container, which can be arbitrary filled, but a historically saturated, culturally coded space already stuffed with meanings and mental images.’ An dieser Schnittstelle konkurrieren stadtpolitische Konzepte und Leitbilder um Mechanismen der Stadtentwicklung. Metropolitanität als Konstrukt eines transnationalen Urbanismus steht dabei im Aushandlungsprozess mit Mechanismen urbaner Identitäten. Die Stadtgestaltung ist überlagert von mentalen Aufladungen und fungiert folglich als Raum der Alltagserfahrung sowie als Verortungspunkt des kollektiven Gedächtnisses. Der Kompromiss der Interessen liegt in einem Konstrukt städtischen Kosmopolitismus, welches Akteursinteressen, Identitätsbezüge und symbolische Repräsentationen miteinander vereint. Letztendlich geht es um eine Akkulturation lokaler Verwertungsinteressen und somit um Konzepte von Urbanität und Metropolitanität mit den lokalen identitätsstiftenden Strukturen zu vereinen. In ähnlicher Weise betrachtet Thomas Bender Metropolitanität als translokalen Urbanismus. Unter anderem die kulturwissenschaftliche Stadtforschung hat in der wissenschaftlichen Analyse städtischer Strukturen soziologische Kategorien fokussiert, welche den Stadtraum gestalten, aneignen und prägen. Insbesondere Bernward Joerges nimmt dabei eine Kategorisierung vor, die für die Erklärung der Konfliktlinien bezüglich von Aneignungsprozessen nützlich erscheint: die Unterscheidung zwischen Stadtbewohner und Stadtbesucher, welche eine unterschiedliche Beobachterperspektive konstituiert. Eben jene Beobachterperspektive lässt sich weiter diversifizieren und soll als Untersuchungsgegenstand der wissenschaftlichen Analyse des Konflikts um Stuttgart 21 angeführt werden. Im Vorwort der Tagung ‘Urbanität und Identität zeitgenössischer europäischer Städte’ wirft Vittorio Magnano Lampugnani die Frage von städtischer Identität angesichts der postmodernen Stadtpolitik in Zeiten von Globalisierung und Informationsgesellschaft auf: ‘Zerfließt die Identität dieses Gemeinschaftswerkes [Anm.: die europäische Stadt] unwiederbringlich im kulturellen Pluralismus der neuen sozialen Ordnung, die mit der Globalisierung im Informationszeitalter hervorgeht?’ Moderner Städtebau und Stadtentwicklung als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklung drohen eines der konstituierenden Elemente einer Stadt zu untergraben: die lokale Identität. Diese Studie basiert unter anderem auf der These, dass die Ursache für die Konkurrenz um den Stadtraum in der Funktion des Stadtraums als Identitätsanker zu begründen ist. Urbane Identität konstituiert sich entgegen der Stadtentwicklungspolitik, welche zukunftsgerichtete und wirtschaftlich orientierte Leitbilder erzeugt, über den Stadtraum als Chronotopos. Die Glokalisierung städtischer Strukturen wirft daher nicht zuletzt neue Perspektiven auf die Repräsentationslogik urbaner Kulturen und den Prozessen der Stadtpolitik. Der Kopfbahnhof von Stuttgart als Mittelpunkt des konfliktreichen Stadtumbauprogramms öffnet für die Untersuchung des Stadtraums als Bedeutungsträger mehrere Perspektiven. Als Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit im Sinne seiner infrastrukturellen, repräsentativen und urbanen Funktion sowie als Ort symbolischer Zuschreibungen soll der Bahnhof im Schlaglicht des Zeitgeistes und seiner stadtarchitektonischen Wirkung als Grundlage des Konflikts im Folgenden analysiert werden. 6.1, STADTENTWICKLUNG ZWISCHEN TECHNOKRATIE UND POLITISCHER SYMBOLIK: Michel Foucault betrachtet Raum als Ensemble von Relationen und dementsprechend als Repräsentation von lokaler Verortung und funktionalen Raumbeziehungen. Foucault konstatiert, dass durch die Betrachtung des Räumlichen die Beziehung zwischen Macht und Wissen zu analysieren sei. In diesem Kapitel soll die Diskussion um das Projekt Stuttgart 21 als Initiator beziehungsweise als Repräsentant einer urbanen Heterotopie analysiert werden. Heterotopien sind dabei als Gegenräume und lokalisierte Utopien zu bezeichnen. Die lokale Verortung von Heterotopien als Instrument der Verräumlichung der Zeit dient dabei als Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse. Es geht im Sinne Foucaults um die Konstitution einer Illusion, eine Produktion eines Ortes imaginärer Werte im Gegensatz zur bestehenden Ordnung. Foucault bezeichnet die Konstruktion von Heterotopien als ‘Konstante aller menschlichen Gruppen’ und als Folgeleistung der ‘Idee, alles zu sammeln und damit gleichsam die Zeit anzuhalten oder sie vielmehr bis ins Unendliche in einem besonderen Raum zu deponieren die Idee, das allgemeine Archiv einer Kultur zu schaffen (…) die Idee, einen Raum aller Zeiten zu schaffen, als könnte dieser Raum selbst endgültig außerhalb der Zeit stehen.’ Der Stuttgarter Hauptbahnhof definiert seit Beginn der Planungen für Stuttgart 21 ein nachhaltiges Politikum. Seitdem hat ein Diskurs bezüglich symbolischer Zuschreibungen in den politischen Prozess Einzug gehalten. Auf der einen Seite dargestellt als modernisierungsbedürftiges Hindernis einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung und auf der anderen Seite inszeniert als Symbol für den Widerstand gegen eine neoliberale Stadtpolitik ohne Rücksicht auf die lokalspezifischen Bedürfnisse einer Stadt. Die Diskussion rund um Stuttgart 21 strukturiert sich über diese beiden gegenläufigen Politisierungen des öffentlichen Raums, ausgehend von den beiden Bahnhofskonzeptionen und der damit verbundenen städtebaulichen Einbettung. Die Aneignung, Nutzung und Gestaltung des öffentlichen Raums sind Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Entwicklung und demzufolge Konfliktfelder polarisierter Interessenverbände. Durch die Politisierung des öffentlichen Raums werden Referenzpunkte von Kommunikations- und Interaktionsprozessen geschaffen. Als Beispiele dienen neben der Inszenierung des Bonatz-Baus als Identitätsanker einer Stuttgarter Stadtkultur, die künstlerische Institutionalisierung des Bauzauns als Forum der politischen Öffentlichkeit und die negative Inszenierung des Projektes Stuttgart 21 als neoliberales Modell der Ökonomisierung des Stadtraums und damit der Gesellschaft. Stuttgart 21 wird vor allem getragen durch das mit dem Konzept verbundene Versprechen der Metropolregion, welches architektonisch und bildlich inszeniert wird. Die Begrifflichkeit der Metropole lässt sich als symbolisches Versprechen eines Vorteils in der Standortkonkurrenz um Unternehmen, Innovationen und Nachhaltigkeit lesen. Petrin und Knieling konstatieren in ihrem Artikel sogar eine stadtpolitische Verpflichtung gegenüber dem Raumbild der Metropolitanität. Gleichzeitig verweisen sie auf die Problematik der Stadtpolitik, welche sich am Leitbild der Metropole und der Metropolitanität orientiert, denn ‘es wird ein symbol- und bildmächtiger Begriff eingeführt, ohne dass reflektiert würde, ob der Begriff auch in all seiner landläufigen Deutungsbreite dazu geeignet ist, den Gegenstand zu beschreiben.’ Folglich entwickelt die symbolische Raumproduktion als Element von Metropolitanität eine stadtpolitische Eigendynamik, die das Risiko des ‘unkritischen Setzens auf stereotype Erfolgsmodelle’ beinhaltet.
Axel Diehlmann, M.A., wurde 1984 in Berlin geboren. Er studierte Kulturwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) (B.A.) sowie Historische Urbanistik am Center for Metropolitan Studies der Technischen Universität Berlin (M.A.). Sein Studium schloss der Autor im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad des Master of Arts erfolgreich ab. Seit dem Wintersemester 2012/13 ist Axel Diehlmann am Institut für Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung der Universität Kassel im Fachbereich Architekturgeschichte als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.
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