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Kunst & Kultur
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Lokalisierung befasst sich mit dem Anpassen einer Oberfläche oder Publikation auf eine Zielgruppe oder Zielkultur. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage, welche Kulturunterschiede beachtet werden müssen. Hier gibt es offensichtliche Unterschiede wie z.B. eine andere Sprache, aber auch subtile Unterschiede, wie andere Wertvorstellungen und Vorlieben, ein anderes Empfinden für Farben, räumliche Aufteilung und viele mehr. In bisherigen Diskussionen um diese subtilen Unterschiede wird oft undifferenziert gefolgert, diese Unterschiede könnten entweder ganz übergangen werden oder müssten bis ins kleinste Detail berücksichtigt werden. Dieses Buch geht einen anderen Weg. Es versteht Kulturmerkmale als Hindernis und Chance zugleich – als ein Instrument, das angewendet werden kann, um bestimmte Kommunikationsziele zu erreichen. Es zeigt auf, dass es verschiedene Strategien zum Umgang mit Kultur in der Lokalisierung gibt und plädiert dafür, die jeweilige Strategie vom Kontext und dem gewünschten Effekt abhängig zu machen. Dabei wird zwischen verschiedenen Kommunikationszielen unterschieden. Eine rationale Informationsübermittlung (Informationsbotschaft) ist anders zu behandeln als eine Eindrucksvermittlung (Emotionsbotschaft). Grundsätzlich können kulturelle Eigenheiten entweder gezielt genutzt werden (Einsatzstrategie), oder umgangen werden, um möglichen Problemen aus dem Weg zu gehen (Vermeidungsstrategie). Dies gilt auch für die subtilen Merkmale einer Kultur. Auch diese können bewusst angewendet oder vermieden werden – wie dieses Buch zeigt. Es widerspricht damit den gängigen Empfehlungen aus der interkulturellen Kommunikation, figurative Sprache, Metaphern oder andere Stilmittel zu vermeiden. Dies ist nur eine von mehreren möglichen Strategien zur Behandlung von subtilen Kulturmerkmalen. Welche Strategie jeweils angewendet werden sollte, ist für jedes Element einer Internetseite einzeln zu entscheiden und hängt sowohl von der Zielgruppe als auch von den Zielen des Internetseitenanbieters ab. Anhand eines um den Faktor Kultur erweiterten Kommunikationsmodells wird erläutert, wann welche Strategie besonders geeignet ist. Dabei fließen Erkenntnisse aus Kulturforschung und Marketing mit in die Betrachtung ein. Dieses Buch bietet ein theoretisches Fundament für die bewusste Handhabung von Kulturbesonderheiten in der Lokalisierung.
Kapitel 3, Kulturverständnis: 3.1, Einführung: Meiner Meinung nach ist ein umfassendes Kulturverständnis unerlässlich, um effektive Lokalisierungshilfen entwickeln zu können. Darunter verstehe ich, dass man über einzelne Ausdrucksformen einer Kultur hinausgeht und ergründet, wodurch es zu solchen Ausdrucksformen kommt. Kultur ist teilweise unbewusst. Deshalb ist ein umfassendes Kulturverständnis unabdingbar, um die Effekte von Kultur einschätzen und verwenden zu können. Aber schon die Definition des Begriffes Kultur ist problematisch. Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Bittner (1994) stellt den diffizilen Umgang mit fremden Kulturen sehr drastisch dar: ‘Viele Signale sind in anderen Ländern anders kodiert, haben eine andere Bedeutung. Nicht nur Begriffe, auch Mimik und Gestik ‚stimmen’ nicht. Informationen werden vielerorts ganz anders strukturiert und kommuniziert, so dass sie nicht wahrgenommen oder ihr Sinn nicht korrekt erfasst werden kann. Gewohnte und vertraute Formen der Rückmeldung sind in ihrer Bedeutung unverständlich und somit unbrauchbar. Die Menschen im Ausland denken anders, verknüpfen Informationen nach anderen logischen Konzepten, die nicht nachvollziehbar erscheinen. Damit wird ihr Verhalten unberechenbar, scheinbar willkürlich und unverständlich.’ (Bittner, 1994, S. 107). Durch diese Erklärung wird vor allem eines deutlich: Der Kulturbegriff ist weitläufig. Nicht nur die Sprache, sondern auch ganz grundlegende Dinge wie das Strukturieren von Informationen, Mimik oder ‘logische Konzepte’ sind kulturabhängig. Ein Beispiel für so ein logisches Konzept ist das Konzept der ‘Wahrheit’ (im Sinne von ‘Richtigkeit’), wie sie in westlichen Kulturen existiert, nicht aber in Asien. ‘Dieses Konzept wird von einem typischen Axiom westlicher Logik unterstützt, und zwar, dass eine Aussage ihr Gegenteil ausschließt. Wenn A wahr ist, muss B, das Gegenteil von A, falsch sein. Östliche Logik hat kein solches Axiom. Wenn A wahr ist, kann sein Gegenteil B auch wahr sein, und zusammen ergeben sie eine Weisheit, die über A oder B hinausgeht.’ Durch so grundsätzlich divergente Sichtweisen ist es nicht nur schwierig, andere Kulturen zu verstehen, sondern auch, sich von der eigenen Sichtweise zu lösen und sie nur als eine von vielen Möglichkeiten zu akzeptieren. Aber gerade das ist wichtig, denn die eigene Kultur verzerrt die Sichtweise auf andere Kulturen. Deswegen sprechen viele Kulturforscher davon, dass man, um andere Kulturen verstehen zu können, erst einmal die eigene Kultur begreifen muss. Der so genannte Universalismus und sein Gegenteil, der Partikularismus (siehe Kapitel 4.2.2), liefern ein anschauliches Beispiel dafür, wie Kultur die Sichtweise beeinflusst. Universalistische Kulturen gehen davon aus, dass es allgemeingültige (universelle) Aussagen gibt. Generell neigen universalistische Kulturen dazu, Ähnlichkeiten zu suchen und möglicherweise sogar zu ersehnen, während partikularistische Kulturen ihren Fokus auf Unterschiede richten. Wenn jemand aus einem universalistisch geprägten Land (z.B. Deutschland oder die USA) jemanden aus einem partikularistisch geprägten Land (z.B. Japan) trifft, wird der Deutsche oder Amerikaner tendenziell eher Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Kulturen entdecken, während der Japaner eher Unterschiede bemerkt. In beiden Fällen wird selektiv nur ein Teil der Realität wahrgenommen. 3.2, Objektive und subjektive Kultur: Um das vielseitige Spektrum einer Kultur erfassen zu können, ist es praktikabel, es mit Hilfe eines Models zu untergliedern oder zu kategorisieren. Ein Beispiel für ein solches Modell ist die hier verwendete Einteilung in objektive und subjektive Kultureigenschaften, dass von Edward C. Steward und Milton J. Bennett entwickelt wurde. Objektive Kultur beschreibt die ‘Institutionen und Artefakte einer Kultur, wie das Wirtschaftssystem, gesellschaftliche Gewohnheiten, politische Strukturen und Prozesse, Kunst, Handwerk und Literatur.’ Objektive Kultur zeichnet sich dadurch aus, dass sie sichtbar oder greifbar und dadurch leicht zu untersuchen ist. Subjektive Kultur beschreibt die ‘psychologischen Merkmale einer Kultur, einschließlich Vermutungen, Werten und Denkmustern.’ Subjektive Kultur ist schwer zu untersuchen, weil sie teilweise außerhalb der bewussten Wahrnehmung liegt. Ein für das Internet relevantes Beispiel für objektive Kulturmerkmale sind Datumsangaben. Die Angabe ‘1.3.2004’ würde in manchen Ländern als 1. März, in anderen als 3. Januar 2004 verstanden werden. (Nielsen, 1999, S. 318) Kulturell unterschiedliche Konventionen wie diese müssen unbedingt beachtet werden, um eine sinnvolle Kommunikation zu ermöglichen. Der Umgang mit der objektiven Kultur ist relativ unproblematisch. Die Probleme sind offensichtlich und objektiv feststellbar. Problematischer ist dagegen der Umgang mit der subjektiven Kultur. 3.3, Auf den Spuren der subjektiven Kultur: Im Gegensatz zur objektiven Kultur ist die subjektive Kultur und ihre Bedeutung schwer nachvollziehbar. Verschiedene Schreibrichtungen gehören zur objektiven Kultur. Die damit zusammenhängende Angewohnheit aber, auf einer Internetseite zuerst auf der rechten bzw. linken Seite nach wichtigen Elementen zu suchen, gehört zur subjektiven Kultur. Dieses Beispiel beschreibt eine kulturelle Besonderheit, die eindeutig Implikationen für das Internet beinhaltet. Tatsächlich ist es in Ländern, in denen von links nach rechts geschrieben wird, beliebter, ein Menu auf der linken Seite zu haben. In Ländern, in denen von rechts nach links geschrieben wird, ist es umgekehrt (Barber & Badre, 1998). Es gibt zahllose solcher Beispiele – und nur wenig Literatur, die sich speziell mit dem Internet auseinandersetzt. Auch widmet sich die vorhandene Literatur vorrangig der objektiven Kultur. Dabei ist gerade die subjektive Kultur für ein umfassendes Kulturverständnis von großer Bedeutung. Steward und Bennet stellen ein interessantes Paradoxon heraus, wie objektive und subjektive Kultur empfunden werden: ‘Objective culture, because it is the externalization of subjective culture, is therefore abstract. Subjective culture is what is real and concrete. However, we tend to treat objective culture as more real and concrete than its source, subjective culture.’ (Steward & Bennett, 1991). Eine Kultur wird also durch ihre subjektive Kultur bestimmt, nicht die objektive. Die objektive Kultur ist lediglich eine Ausdrucksform der subjektiven Kultur. Damit ist ein Verständnis der subjektiven Kultur maßgeblich für ein umfassendes Kulturverständnis.
Tim Jakob Voos, geboren 1979 in Düsseldorf, studierte Wirtschaftswissenschaften in Dresden, Danzig und Berlin und beschäftigt sich seit über 15 Jahren mit den Themenkreisen interkulturelle Kommunikation und unterschiedliche Denksysteme. Besonders asiatische Kulturen liegen in seinem Fokus - er ist mit einer Chinesin verheiratet. Herr Voos arbeitet gerne interdisziplinär und wendet Erkenntnisse aus der Kulturforschung auf die IT an, insbesondere für Usability-Fragen. Herr Voos betreute 5 Jahre lang als Berater IT-Implementierungsprojekte und arbeitet heute als Produktmanager in Berlin.
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