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- „Leben, Gesundheit und Liebe“ als zentrale Kategorien des Schreibens bei Arthur Schnitzler: Dekadenz und Lebensphilosophie im Werk des Wiener Dichters
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 144
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Werk Arthur Schnitzlers reflektiert im ausgehenden 19. Jahrhundert noch die Gedanken und literarischen Motive der Dekadenzliteratur. Diese interpretiert auch den Begriff des Lebens auf ihre eigene Weise. Im Laufe der Jahre wird Schnitzlers Sicht auf diesen zentralen Begriff der Jahrhundertwendeliteratur jedoch reifer, er misst dem Leben eine neue Bedeutung zu. Die Arbeit erläutert die Wandlungen des Lebensbegriffs bei Schnitzler vor dem Hintergrund lebensphilosophischer Ansätze bei Sören Kierkegaard, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche sowie Wilhelm Dilthey. Ein genauer textanalytischer Blick auf die Novelle Sterben aus der frühen Phase, das Schauspiel Der Schleier der Beatrice sowie das berühmte Drama Professor Bernhardi, das einen der Höhepunkte in Schnitzlers Schaffen markiert, zeigt, wie sich die Interpretation und der Stellenwert des Begriffes Leben verändert. Mit einbezogen in die Interpretation wird dabei ganz wesentlich auch das autobiographische Werk Schnitzlers, das nicht nur aus der Autobiographie Jugend in Wien besteht, sondern vor allem auch umfangreiche Briefwechsel und Tagebuchbände umfasst. Dazu kommt die Aphorismensammlung Buch der Sprüche und Bedenken sowie theoretische Schriften wie Der Geist im Wort und der Geist in der Tat, die Schnitzlers Haltung und theoretische Konstrukte reflektieren. Die Arbeit thematisiert damit einen in der Schnitzler-Forschung eher unterrepräsentierten Blickwinkel. Gerade auch die Bezüge zwischen Schnitzlers Werk und den philosophischen Hauptströmungen der Zeit werden eher selten in den Blick genommen, da Schnitzler selbst sich nur versteckt und verstreut zu diesen Themen geäußert hat.
Textprobe: Kapitel 2.2.1., Anfänge einer Philosophie des Lebens: Die Aufklärung hatte das Gewicht ganz auf die Vernunftbegabtheit des Menschen gelegt. Gefühle und Stimmungen wurden in den Hintergrund gedrängt, der Glaube, die Erscheinungen der Welt allein mit Hilfe des Verstandes erklären zu können, verweist bereits auf die positivistischen Tendenzen des 19. Jahrhunderts. Im Zusammenleben der Menschen führte diese Sichtweise zu einer immer starrer werdenden Moralordnung. Dagegen wendete sich der Sturm und Drang. Gefühl wurde groß geschrieben, die Bezeichnung 'Erlebnisdichtung' verweist zudem mit ihrem zentralen Begriff des Erlebnisses schon in dieser Zeit auf lebensphilosophische Tendenzen. Belege hierfür finden sich beispielsweise bei Herder, der bereits in den Briefen zur Beförderung der Humanität vom 'Alleben' sprach, welches die übergeordnete Einheit des Lebens symbolisiere. Auch Goethes Begriff von 'Polarität und Steigerung' (HA 13, 48) gehört in diesen Zusammenhang. Gegensatzpaare wie Systole und Diastole bezeichnen bei Goethe die Einheit des Lebens. Es gehören immer beide Seiten zum Leben, sie sind nur Teile eines allumfassenden Ur-Lebens. Wichtig für die Jahrhundertwende ist die im Sturm und Drang entstehende antirationalistische Tendenz des Lebensbegriffs. Leben wurde verstanden als Betonung von Gefühl und Empfindung, nicht im sentimentalen Sinne einer Empfindsamkeitsdichtung, die bloße Gefühlsschwärmerei propagiert, sondern in Richtung auf Werther’schen Gefühlsrausch, der die Unbedingtheit des Gefühls in den Vordergrund rückt. Auch die enge Verquickung von Dichtung und Philosophie, die sich an dieser Stelle bereits andeutet, findet sich im Fin de siècle wieder Nietzsche bildet hier das Extrem, da er beides in einer Person zu vereinigen wußte. Wie bei so vielen Phänomenen der geistigen Haltung der Jahrhundertwende sind wichtige Ansätze auch hinsichtlich des Lebensbegriffs in der Romantik zu finden. Im Wintersemester 1800/01 hielt Friedrich Schlegel an der Universität Jena eine Vorlesung mit dem Titel Über Transzendentalphilosophie. Diese nur aus Nachschriften bekannte Vorlesung ist deshalb interessant, weil in ihr zum ersten Mal explizit der Begriff einer 'Lebensphilosophie' gebraucht wurde. Schlegels Bedeutung hinsichtlich der Lebensphilosophie liegt hauptsächlich in der Begriffsentwicklung, wie sie etwa in dem Vorlesungszyklus über die 'Philosophie des Lebens' aus den Wiener Jahren stattfindet. Schlegels Anspruch besteht in einem grundsätzlichen Neuanfang der Philosophie, da er den Idealismus in einer Sackgasse sieht. 'Leben' dient Schlegel dabei als der zentrale Bezugspunkt allen Philosophierens, jedoch nicht in einem vitalistischen Sinn, sondern als 'geistiges inneres Leben zwischen Himmel und Erde', das die 'eigentliche Region der Philosophie' darstelle. Sie verweist auf das 'höchste Leben' und versteht sich als 'wahre Gottesphilosophie'. Auch greift Schlegel – vor allem in seinem Roman Lucinde - das Verhältnis der Geschlechter auf, ein durchaus typisches Thema der Lebensphilosophie und nicht zuletzt eines der zentralen Themen im Werk Schnitzlers, wenn auch dort in anderer Ausprägung. Der entscheidende Unterschied romantischer Philosophie vom Leben im Vergleich zur Lebensphilosophie der Jahrhundertwende liegt dabei im Glauben an die Existenz eines Gottes, der Symbol des überindividuellen Lebens ist, das die Absolutheit der Begriffe Leben und Tod relativiert. Für die Argumentationsweise lebensphilosophischer Denker ist auch die Entwicklung dezidiert dialektischen Denkens durch Hegel von einer gewissen Bedeutung. Zwar lässt sich Hegel nicht ohne weiteres in eine Traditionslinie lebensphilosophischer Modelle setzen, doch ist gerade die Bildung von Gegensatzpaaren und das Denken in Polaritäten ein sehr wesentliches Merkmal der Lebensphilosophie, sie ist somit im Ansatz dem Hegel‘schen Denken durchaus verpflichtet. Auch bei Schnitzler ist besonders in den Aphorismen und essayistischen Versuchen wie beispielsweise Der Geist im Wort und der Geist in der Tat immer wieder eine dialektische Denkweise zu beobachten, die er selbst durchaus als Belastung empfand so spricht er im Tagebuch von seiner 'Neigung zur Dialektik, die nicht nur ein künstlerischer, die einer meiner Wesensfehler ist.' (Tgb., 13.IX.1923).
Carsten Tergast, 1973 geboren, machte nach dem Abitur eine Ausbildung zum Sortimentsbuchhändler. Das anschließende Studium der Literatur- und Medienwissenschaft in Paderborn schloss er 2000 mit dem Magister Artium ab. Tergast arbeitet heute als freier Fachjournalist, hauptsächlich zu Themen der Buch- und Verlagsbranche. Er schreibt über Bücher, Autoren, Verlage, Buchhandlungen und Themen der Branche. Arthur Schnitzler ist bis heute sein Leib- und Magenautor geblieben.
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