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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 72
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die alles umschreibende Frage Wer bin ich? findet in den meisten Hauptwerken zur Identitätsarbeit eine einleitende Position, anhand derer aufgezeigt werden soll, dass sich die Identität eines Menschen nicht mit der einfachen Beantwortung dieser Frage definieren lässt. Dies wird deutlich, wenn man überlegt, dass diese Frage wohl die meisten mit der Nennung des eigenen Namens, gefolgt vom Beruf und einer Auflistung von Interessen, sowie vielleicht des sozialen oder familiären Status beantworten würden. Auch die Nationalität trägt zur Beantwortung der Frage bei, wer man ist. Aber genügen diese äußeren Merkmale als Antwort, um die eigene Identität zu beschreiben? Sollte nicht auch beachtet werden, wie eine Person ist und wie sie so geworden ist? Und sollte nicht auch die Frage nach den persönlichen Zielen, also wer man sein möchte, eine Rolle spielen? Es ist anzunehmen, dass die Identitätsarbeit eines Subjektes eher darin besteht, sich selbst zu konstruieren und seine inneren Gefühle, Werte und Einstellungen durch andere zu reflektieren und ständig zu überarbeiten. In dem vorliegenden Buch wird diese These untersucht und anhand von konkreten Alltagsbeispielen veranschaulicht. Dazu wird am Beispiel der Universität Hildesheim untersucht, wie Austauschstudentinnen aus China den deutschen Universitätsalltag erleben, wie sie sich an das Leben in Deutschland anpassen und welche Strategien sie anwenden, um ihre Identitätskonformität aufrecht zu halten und ihre Identitätsziele zu erreichen. Die Forschungsfrage lautet dabei: Wie konstruieren chinesische Austauschstudentinnen in Deutschland ihre Identität?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.4 Der Herstellungsprozess von Identität: In den folgenden Kapiteln wird der Herstellungs- und Konstruktionsprozess von Identität vorgestellt und auf der Grundlage, der von Keupp et al. entworfenen Interpretation von Identitätsarbeit erarbeitet. Die Gleichsetzung des Terms Konstruktion als sinnverwandtes Wort für das bewusste und geforderte Zusammensetzten von Dingen (im Sinne von ein Haus konstruieren ), darf hier nicht als solches erfasst werden. Konstruktion versteht in der Identitätsarbeit den […] mentale[n] Akt der Zusammensetzung von Vorstellungen, Kategorien, Konzepten oder ganzen Wirklichkeitsmodellen durch das wahrnehmende Individuum (Kresic 2006, 27). Es geht also um die Konstruktion eines mentalen Modells, das die Wirklichkeit des Subjekts repräsentiert. Um den Kern des Herstellungsprozesses von Identität zu erfassen, wird zunächst die Identitätsarbeit an sich vorgestellt, da diese auf eine Identitätskonstruktion hinarbeitet. Wesentlicher Bestandteil der Identitätsarbeit sind die Teilidentitäten als das Ergebnis der Integration selbstbezogener situationeller Erfahrungen […], in dem die vielen Facetten seines Tuns übersituative Konturen erhalten (Keupp et al. 2008, 218). Die Identitätskonstruktion stellt sich auf verschiedenen Ebenen dar: die zeitliche Verknüpfung fragt nach der Verbindung von dem, in der Vergangenheit liegenden Erfahrungsschatz mit jenem der Gegenwart. Die zweite Ebene verbindet die verschiedenen lebensweltlichen Verknüpfungen, sprich die der einzelnen Teilidentitäten als Berufstätiger, Student/innen, Musiker, etc. Auf der dritten Ebene steht die inhaltliche Verknüpfung, die Gleichartigkeiten oder Unterschiede von Ereignissen abgleicht und auf zeitlicher Achse miteinander verknüpft (vgl. ebd., 190 f). 2.4.1 Identitätsarbeit: Die Identitätsarbeit ist ein Prozess, der alle Erfahrungen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft unter verschiedenen Identitätsperspektiven reflektiert und zu verschiedenen Teilidentitäten zusammenfasst. Keupp et al. skizzieren drei weitere Merkmale des Reflektionsprozesses, die zu weiteren Konstruktionen der Identitätsarbeit führen (2008, 217). So bildet das Identitätsgefühl einen Aspekt der Identitätskonstruktion, welches durch Erfahrungen und Bewertungen der eigenen Selbstthematisierung geprägt wird. Verfestigen sich diese Erfahrungen in einer konstanten Darstellung, so handelt es sich um die Kernnarration des Subjekts, die den biografischen Schwerpunkt repräsentiert. Diese Konstruktionen ergeben zusammengefasst die individuelle Handlungsfähigkeit, die in explizierten Handlungsaufgaben eine Verbindung zwischen aktuellem Lebensraum und biographischer Narration darstellen (ebd. 217 ff). Weiterhin ist die Identitätsarbeit ein Prozess, der von Spannungen, Widersprüchen und Ambivalenzen geprägt ist und der dazu dient, diese Spannungen in ein für das Individuum erträgliches und lebbares Verhältnis zu bringen. Keupp et al. bezeichnen diesen Verlauf metaphorisch als den Motor lebenslanger Entwicklung (2008, 190). Die Autoren beschreiben die Identitätsarbeit als einen Verknüpfungsprozess den eine Person dazu nutzt, die eigenen Erfahrungen zu begreifen. Die in Kapitel 2.3.1 beschriebenen Prozesse unterstützen das Subjekt dabei, sich in seiner Welt zurecht zu finden und die Erfahrungen und Ereignisse auf verschiedenen Ebenen einzuordnen. Der von Erik H. Erikson dargelegte Identitätsbegriff ist zwischen dem Innen und dem Außen, also zwischen dem Subjekt und der Gesellschaft in der es sich befindet, zu verorten (vgl. Kraus 2006, 147). Diese Prämisse findet sich auch bei anderen wieder. Müller (2011) spricht in dem Zusammenhang von einer personalen und einer sozialen Identität und postuliert das Zusammenspiel und das Streben nach Konformität der beiden Identitäten. Diese Komponenten der Identität und ihrer Beziehung zueinander gelten als ein zentrales Merkmal der Identitätsarbeit. Obgleich der Prozess der Identitätsarbeit im Inneren des Subjekts stattfindet und sich alle kognitiven und mentalen Gerüste dort prägend bilden, basiert dieser Prozess stets auf dem […] Aushandlungsprozess des Subjekts mit seiner gesellschaftlichen Umwelt (Keupp et al. 2008, 191). Nun kann man annehmen, dass durch den ständigen Wandel der sozialen äußeren und der personalen inneren Konstellationen, die (Neu-)Einordnung von Erfahrungen, die Gefahr birgt, dass das Subjekt in einen Konflikt über das eigene Selbst gerät. Die Frage, in welcher Form das Individuum seine Identität mit sich selbst und mit anderen ausmacht, beantworten Keupp et al. mit der retro- und prospektiven Identitätsarbeit. Der retrospektive Prozess ist ein reflexiver Vorgang der Selbsterfahrung und wird von den Fragen Wer bin ich[…]? und Woher komme ich? (ebd. 192) geleitet, welche die eigenen Erfahrungen bewerten. Im Mittelpunkt stehen fünf Formen der Selbstwahrnehmung, die auf emotionaler, körperlicher, sozialer, kognitiver und produktorientierter Ebene, bestimmte Erfahrungen ordnen und so die Übereinstimmung der Teilidentitäten sichern. Durch diesen Prozess werden die bereits gemachten Erfahrungen eines Subjekts mit den neuen Erfahrungen verglichen und entsprechend angepasst und bewertet. Das Subjekt versucht durch die Reflektion über sich selbst, seine Identitätsperspektiven zusammenzufügen und zu organisieren. Gelingt dies, so werden die Identitätsperspektiven zu Identitätskonstruktionen und spezifischen Teilidentitäten (Kap 2.4) gebündelt (ebd. 2008). Während nun der retrospektive (narrative) Prozess der Identitätsarbeit eher nach den bereits gemachten Erfahrungen sucht, orientiert sich der prospektive Prozess hingegen an der Zukunft und fragt: Wer will ich sein? und Wohin will ich mich entwickeln? (ebd. 193). Hier ist deutlich eine Verbindung zu dem Meadschen I und des Me zu erkennen. Das Me wird von dem gesellschaftlichen Umfeld geprägt und stellt daher die Frage, wer es sein will. Das I entwickelt sich aus den persönlichen Impulsen heraus und stellt daher die Frage nach den Wünschen und Zielen. Indem das Ich sich selbst zum Gegenstand zukunftsbezogener Reflexionen macht, […] entwickelt es Identitätsentwürfe, konkretisiert diese zu Identitätsprojekten und setzt diese in alltägliche Lebensführung um. (Keupp et al.ebd. 194). Identitätsentwürfe dienen dazu, dem Individuum eine Richtung vorzugeben, wo es hin will und wer es sein möchte. Diese Richtung (Keupp et al. sprechen von Vorstellungen und Träumen ) veranlasst das Subjekt, konkrete Ziele zu formulieren. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass der retrospektive- und der prospektive Prozess der Identitätsarbeit stets ein Zusammenspiel ist und nicht allein stehen kann denn die Identitätsarbeit des Individuums stützt sich immer auf bereits gemachte Erfahrungen, aus welchen sich die Identitätsziele und – Entwürfe generieren. Ebenso bedeutend ist der Blick in die Zukunft, der das Subjekt vorantreibt und zu dem Aufstellen neuer Identitätsprojekte motiviert, die sich wiederum auf die vergangenen Erfahrungen nicht nur berufen, sondern sie auch evaluierend einbeziehen (ebd 2008). Doch welche Ziele verfolgt die narrative Identitätsarbeit? Wenn man in diesem Zusammenhang von Zielen spricht, so klingt das nach einem Prozess, an dessen Ende ein fertiges Produkt - in diesem Fall eine vollkommene Identität steht. Jedoch ist der Begriff der Identitätsarbeit als ein sich ewig wandelnder Problemlösungsprozess zu verstehen, dessen Ziel es ist, sich temporär anzupassen und eine stimmige Balance zwischen Subjekt und Umwelt zu. (Bewältigungsprozess) schaffen (Keupp et al. 2008). Es erhebt sich die Frage nach einer gelungenen Identität die in der modernen Welt pluraler und widersprüchlicher geworden ist (ebd. 276). Das Ersuchen von Anerkennung als Ziel der Identitätsarbeit findet schon in den Anfängen der sozialpsychologischen Identitätsforschung bei Erikson einen fundamentalen Wert (vgl. Kap. Erikson). In seinem Phasenmodell stellt er das Streben der Jugendlichen nach Anerkennung dar. Dabei handelt es sich nicht nur um die Anerkennung des sozialen Umfelds, sondern auch des Selbstbildes (Müller 2011). Ein weiteres Ziel, welches die Identitätsarbeit stimuliert, ist das Bedürfnis des Individuums nach Authentizität und Handlungsfähigkeit. Wichtige Begriffe für das Erreichen der gewünschten Identitätsziele sind hier Kohärenz und Kontinuität. Kohärenz meint das Streben nach der Einheit der Person als Frage der Stimmigkeit (Lucius-Hoene/Deppermann 2004, 48). Das Ziel ist es, den sozialen und personalen, den Identitätsentwürfen und - projekten sowie den Lebensbereichen und Teilidentitäten einen sinnhaften Rahmen zu gewährleisten. Ein Ansatz des Medizinsoziologen Aaron Antonovsky fordert den zentralen Stellenwert des Kohärenzgefühls für die Gesundheit (Höfer, Straus 2000, 117 In: Abel, Kolip, Wydler) des Subjekts. Er geht davon aus, dass die Gesundheit eines Individuums davon abhängt, wie stark das Kohärenzgefühl ausgeprägt ist das Fehlen von Kohärenz kann zu schwerwiegenden emotionalen und gesundheitlichen Konsequenzen führen (Keupp et al. 2008, 246). Gelingt es dem Individuum Kohärenz herzustellen, so ist dies Auslöser für ein positives Identitätsgefühl, das durch soziale Anerkennung und das Gefühl der Selbstgestaltung hervorgerufen wird (vgl.: Höfer 2000, 64). Während die Kohärenz ein Stimmigkeitsgefühl der inneren- und äußeren Welt des Individuums beschreibt, fragt die Kontinuität danach, in welcher Form ein Individuum sich einem Wandel aussetzt und gleichzeitig doch es selbst bleiben kann. Laut Lucius- Hoene & Deppermann beschreibt die Kontinuität die temporale Strukturierung einer Person. Diese Kontinuität der Persönlichkeit kann nur erbracht werden auf der Grundlage der eigenen Biografiearbeit als Verständnis meines Gewordenseins (Lucius- Hoene/Deppermann 2004, 48).

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