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Kunst & Kultur

Peter Schnur

Karlheinz Stockhausens LICHT-Zyklus: Die Idee des Gesamtkunstwerks

ISBN: 978-3-8428-7912-6

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das ohnehin umfangreiche Werk Karlheinz Stockhausens kulminierte in quantitativer Hinsicht im Jahre 2003 mit der Fertigstellung des siebenteiligen Opernzyklus ‘LICHT’, dessen Dimensionen in der abendländischen Musikgeschichte und der abendländischen Kulturgeschichte insgesamt wohl einzigartig sind. In dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, inwieweit dieses Werk in der Tradition des Begriffes ‘Gesamtkunstwerk’ aufzufassen ist, wie er von Richard Wagner, dessen Musiktheatertetralogie ‘Der Ring des Nibelungen’ Stockhausens ‘LICHT’-Zyklus in quantitativer Hinsicht nahe kommt, im 19. Jahrhundert geprägt wurde. In einem anderen Sinne kann man den Begriff ‘Gesamtkunstwerk’ jedoch ebenso auch Stockhausen-spezifisch auf dessen Gesamtwerk vor ‚LICHT‘ anwenden, ist doch der LICHT-Zyklus gleichsam eine umfassende, sogar autoreflexiv zu nennende Bestandsaufnahme des eigenen Werks durch den Komponisten selbst, sowie eine Art Zusammenfassung der kompositorischen Strömungen und Stilrichtungen des 20. Jahrhunderts insgesamt. Die komplexen, vielschichtigen Zusammenhänge und der gesamtheitliche Ansatz innerhalb Stockhausens Schaffen wurden bereits lange vor Entstehung des LICHT-Zyklus von Theodor W. Adorno erkannt, der in ‘Die Kunst und die Künste’ zu folgender Aussage gelangte: ‘Die gesamte Arbeit von Stockhausen kann als Versuch aufgefasst werden, Möglichkeiten musikalischen Zusammenhangs in einem vieldimensionalen Kontinuum zu erproben.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Grundkonzeption des ‘LICHT’-Zyklus: Die Grundidee des Opernzyklus, aus jedem der sieben Wochentage einen Teil der Heptalogie zu komponieren, ist als eine Allegorie auf das menschliche Leben zu verstehen. Die Woche steht dabei als ein sich unendlich wiederholender Zyklus des menschlichen Lebens symbolisch für die durch den Menschen vorgenommene Periodisierung der Zeit. Die Idee zu einem größeren Werk, das verschiedene kulturelle Idiome miteinander verbindet entstand aus Stockhausens Erfahrung, dass überall auf der Welt die ‘europäischen’ Intervalle vorhanden seien und die vermeintlich größeren oder kleineren Intervalle (z. B. reine Obertonintervalle, etc.) innerhalb anderer Musiksysteme lediglich Dialekte der Intervalle der 12-stufigen Skala seien. Diese Vorstellung ist nicht ganz unproblematisch, ist doch selbst ein radikaler Neuerer wie Stockhausen ein Kind seiner Zeit und seiner Umgebung, sprich: im ‘abendländischen’ Tonsystem groß geworden. Von diesem ausgehend ist es natürlich leicht möglich, die ‘fremden’ Intervalle ‘zurechtzuhören’ (sprich: in ein zwölftöniges Schema einzuordnen), die Frage ist jedoch, ob Musiker anderer Kulturen dieser Hörerfahrung zustimmen würden. Die Verpflichtung dem ‘abendländischen’ zwölftönigen Musiksystem gegenüber wird auch im Notenbild der meisten Teile des Opernzyklus deutlich, das (übrigens im Gegensatz zu vielen früheren Stockhausen-Kompositionen!) sich fast durchgängig an der traditionellen Musiknotation orientiert. Im Folgenden soll nun zunächst auf die mystische und mythologische Bedeutung des Zyklus eingegangen werden, danach soll musikalischen Aspekten nachgegangen werden, wobei deutlich wird, dass beides in Stockhausens Gesamtschaffen immer mehr eine untrennbare Symbiose eingeht. Das Werk wird - um auf Adorno zurückzukommen - so tatsächlich zu einem ‘vieldimensionalen Kontinuum’. 3.4, MICHAELs REISE UM DIE ERDE: In dem zweiten Akt der Oper findet kein Zuspielen von vorproduzierter Musik statt. Dennoch bilden elektronische Geräte eine Voraussetzung für eine partiturgemäße Aufführung - was wiederum ebenso für eine ‘quasi konzertante’ Aufführung gilt. So muss das Publikum gemäß der Partitur von Lautsprechern umgeben sein und insbesondere in der Partie des Solo-Trompeters (MICAHEL) finden sich zahlreiche Angaben, ‘von wo’ (lautsprechertechnisch) welche Passagen zu erklingen haben. Ein Klangregisseur ist also wiederum als kreative Person beteiligt, die diese Anweisungen umsetzen muss. Bei MICHAELS REISE UM DIE ERDE handelt es sich um eine Instrumentalkomposition quasi um ein Trompetenkonzert. Es handelt sich um eine der bekanntesten Szenen der Opernheptalogie insgesamt, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass ECM Records (ein deutsches Jazz-, Avantgarde- und Klassik-Schallplattenlabel) Ende der 80er Jahre eine Neuproduktion von MICHAELS REISE UM DIE ERDE von Stockhausen und seinen ständigen Mitmusikern produzieren ließ. Da Stockhausens Sohn Markus, dem das Stück gewidmet ist und der sowohl bei der Uraufführung, als auch bei der Neuproduktion die Solo-Trompete spielte, bereits als Jazz-Interpret bei ECM in Erscheinung getreten war und der Katalog von ECM Records generell eine (relativ) hohe Auflagenzahl erreicht, fand diese Produktion den Weg zu einem größeren Käuferpublikum. Stockhausens Zusammenarbeit mit dem traditionsreichen Label Deutsche Grammophon war zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren beendet und zahlreiche Titel nicht mehr erhältlich, so dass eine Veröffentlichung eines neueren Werkes Stockhausens Namen auch wieder im Plattenmarkt bekannter machte. Auch die Musik selbst ist für ein Jazz-/World-Music-Publikum attraktiver als viele vorhergegangene Stockhausen-Werke. Zum ersten Mal tritt hier deutlich Stockhausens zuvor schon erwähnte Konzeption einer ‘Welt’-Musik mit vermeintlich gleicher Intervallik hervor. Michael besteigt, nachdem er zum Abschied einmal eine vollständige, unveränderte Michaels-Formel als Trompetensolo gespielt hat, eine Erdkugel, die sich zu drehen beginnt. Sie stoppt nun bei verschiedenen ‘Stationen’, die jeweils verschiedenen Kontinenten, etc. zugeordnet sind, die auch charakteristische Elemente der jeweiligen ‘Landesmusik’ einbringen. Am Südpol (d. h. auf dem Bühnenboden um die Erdkugel herum) sitzen Pinguine, das Begleitensemble, die Musiker in Fräcken. Dies ist ein Beispiel für Stockhausens neu entwickelten Sinn für theatralische Effekte und Humor, der in seinen früheren, rein abstrakten Werken noch vollkommen fehlte. Die ersten humoristischen Einlagen bei Stockhausen findet man übrigens erst mit Beginn der Formelkomposition (z. B. wenn in MANTRA eine Phrase ähnlich einem Gesangstext in der Partitur mit ‘‘s ist doch alles nicht so tragisch’ unterschrieben ist oder die gesamten Kompositionen HARLEKIN und DER KLEINE HARLEKIN). Die Trompete spielt in MICHAELs REISE UM DIE ERDE quasi ständige Variationen der Michaelsformel und einzelner Motive der Formel, die zu einem großen Teil wie improvisiert klingen. Stockhausen hat zu diesem Zweck sehr intensiv mit seinem Sohn Markus zusammengearbeitet und auch dessen Improvsisationen über die Michals-Formel in seinem Werk berücksichtigt. Obwohl Markus Stockhausen nun bei einer Aufführung nicht mehr direkt improvisiert, entstand durch diesen gemeinsamen Arbeitsprozess zwischen Komponist und Interpret jedoch eine sehr organische und melodiöse Trompetenstimme, die man durchaus als eine Art Weltmusik-Jazz hören kann und nicht nur als rein abstraktes Konstrukt einer Formel (wie eine serielle Komposition). Die Arbeitsweise, die Werke in engem Kontakt mit seinen Interpreten zu komponieren sollte in den kommenden Jahren immer charakteristischer für Stockhausen werden, was nahe liegt, da es sich bei vielen wichtigen Interpreten seiner Werke in den achtziger und neunziger Jahren entweder um Familienangehörige (Markus Stockhausen (Trompete), Majella Stockhausen (Klavier), Simon Stockhausen (Saxophon und Synthesizer)) oder um Lebensgefährtinnen (Suzanne Stephens (Bassetthorn und Klarinette), Kathinka Pasveer (Flöte und Piccolo)) Stockhausens handelte. Diesem Umstand wurde von Seiten der Kritik oft mit Häme begegnet, sah man in Stockhausens enger Zusammenarbeit mit den genannten Musikern doch eine Art Vetternwirtschaft. Vergessen wurde bei diesen Vorwürfen jedoch, dass die Aufführungen mit den genannten Interpreten ein durchweg hohes Niveau hatten, und die Instrumentalpartien keineswegs anspruchslos zu nennen waren. So ließ sich Stockhausen in der Wahl der Besetzung seiner Werke zwar deutlich von seinem persönlichen Umfeld und den darin vorkommenden Instrumenten beeinflussen, nutzte die sich bietenden Möglichkeiten einer ständigen Zusammenarbeit (die er generell wiederholt für den gesamten professionellen Musikbetrieb forderte) zu einem Schaffensprozess, der ohne direkten Interpretenkontakt nicht möglich gewesen wäre. Am Ende des Werkes steht die Szene HIMMELFAHRT, die quasi den dritten und letzten Akt der Oper vorbereitet, der in Michaels ‘himmlischer Residenz’ spielt. Allein die Wahl eines derart christlich ‘vorbelasteten’ Begriffs wie ‘Himmelfahrt’ weist auf die messianische Komponente Michaels hin.

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